Dreistöckige Kinderbetten und Lachgas im Kreißsaal: Georg Cadeggianini widmet seiner Großfamilie ein Buch. Titel: “Aus Liebe zum Wahnsinn“.

Hamburg. Muss das sein? Muss das sein, dass schon wieder jemand über sein Leben schreibt, der eigentlich viel zu jung dafür ist? Ja! Das muss sein!

Zumindest wenn der Jemand kein Niemand ist und ein Leben zwischen Wahn und Sinn führt. Wenn er Mitte 30 ist, eine Frau und sechs Kinder hat und in seinem Wohnungsflur ein 270-Liter-Laubsack steht - für Dreckwäsche. Kurz: wenn er Georg Cadeggianini heißt. Georg - wie? Ja genau, Cadeggianini. Ein Name wie eine fiktive "Penis-Verlängerungs-Viagra-Verhöker-Identität", wie Georg Cadeggianini selbst sagt und erklärt, dass er damit regelmäßig den Spam-Schutz vieler E-Mail-Programme auslöst.

Muss das sein? Muss das sein, dass man(n) einen Namen wie Cadeggianini von seiner Frau annimmt, obwohl man mit dem ganz normalen oberbayerischen Namen Buchetmann aufgewachsen ist? Ja, das muss sein! Zumindest wenn man sich vertraglich verpflichtet hat, nicht normal zu sein und folgendes Lebensmotto hat: "Complicate Your Life". Soll heißen: kompliziert statt einfach, schwierig statt simpel.

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Wenn es chaotisch ist, mach es einfach noch ein bisschen chaotischer. Eine Art Kontrollverlust mit Ansage. Nicht allem gerecht werden zu können sei laut Georg Cadeggianini eine entlastende Nachricht. Aber zurück zu Georg mit dem unaussprechlichem Nachnamen. Er ist 35 Jahre alt, Journalist, arbeitet in Hamburg und lebt in München - mit acht Personen auf 93 Quadratmetern. Wie das geht? Mit "Mangelverwaltung" (Zitat) und Themenzimmern, einem für die Jungs, einem für die Mädchen und einem für den Rest. Soll heißen: Der Küchentisch steht im Wohnzimmer, das Ehebett in der Küche.

Über dem Bett hängt eine Salami, darunter stehen die Vorratskisten mit Pasta und Pesto, sagt Georg C., wie wir ihn der Einfachheit halber nennen. Und er erzählt weiter, dass seine Frau in einem Einrichtungshaus nach dreistöckigen Kinderbetten fragte ( bitte nicht höher als 2,50 Meter) - und ins Materiallager der Bundeswehr geschickt wurde. Es ist eine von vielen Anekdoten, die Georg C. in seinem Buch "Aus Liebe zum Wahnsinn" beschreibt - eine Abhandlung über das Leben als Großfamilie. Zwischen Leichtsinn und Lachgas im Kreißsaal, Fingernägelschneiden (70 Stück pro Woche) und Kindergeburtstagen: 78 eigene, bis alle Kinder 13 Jahre alt sind, und circa 390 Fremdgeburtstage. Sein Fazit: "Elternsein ist immer Überforderung - aber man darf es sich nicht zum Feind machen."

Trotzdem gelingt es Georg C. und seiner Frau Viola irgendwie, ihre eigenen Lebenspläne nicht aus den Augen zu verlieren - trotz der Kinder oder gerade wegen der Kinder. Sie sind mit dem Nachwuchs nach Florenz, Edinburgh und Tel Aviv gezogen, haben dort studiert, gearbeitet und gelebt. "Kinder waren für mich erst das Sprungbrett ins Leben", sagt Georg C., der heute in München lebt, aber zwölf Tage im Monat in Hamburg ist und bei der "Brigitte" arbeitet. Seine "zwei Leben" nennt er diesen Spagat zwischen Hamburg und München, zwischen Singledasein und Großfamilienvater, zwischen Büro und Toilette. Toilette? Ja, genau. Der einzige Ort, an dem man in einer zu kleinen Wohnung mit zu vielen Menschen ungestört nachdenken kann. Meint zumindest Georg Cadeggianini, der sein Buch in der Toilette entwickelt und in seinem Büro niedergeschrieben hat. Wobei Büro vielleicht ein bisschen übertrieben sei. Schließlich handele es sich um die Wohnung seines Bruders - der einzige Rückzugsort für den Vater.

Wenn er gefragt wird, ob das alles so geplant gewesen sei, schüttelt er nur den Kopf: "Plan und Kontrolle sind doch nichts anderes als Mist und Illusion. Wir leben im Zeitalter der strukturellen Unwägbarkeiten." Darauf müsse man sich einstellen. Wie er und seine Frau das gemacht haben? "Zwischen dem zweiten und dem dritten Kind sind wir von der Mann-Deckung in die Raum-Deckung gegangen", sagt Georg C., der selbst fünf Brüder hat. Die Existenz eines Großfamilien-Gens streitet er aber ab.

Also: Muss das sein, dass ein Mittdreißiger sein Leben aufschreibt? Dass er uns wissen lässt, dass seine Familie mehr Pausenbrotboxen als Fernsehprogramme hat und ihre Obstschale größer als eine Satellitenschüssel ist? Dass Bananen die Fischstäbchen unter den Obstsorten sind und man in Edinburgh Schokoriegel frittieren lässt? Ja, es muss sein! Weil es Spaß macht und so verrückt ist. Lesenswert. Liebenswert.