Humorvoll führt Volker Wacker auch Anfänger in Werke ein und rät: “Lachen Sie bei der Aufführung!“ Opernstoffe seien ernst genug.

Wellingsbüttel. Neben der Badewanne in der Souterrainwohnung von Volker Wacker in Wellingsbüttel steht ein Quietscheentchen. Kein gelbes, sondern im schwarz-weißen Muster eines Fußballs. Der Leiter der Opernwerkstatt an der Staatsoper ein Fußballfan? "Beim Fußball ist es doch wie in der Oper", sagt er und lacht. "Es geht um die großen Emotionen."

Seit fast 15 Jahren erklärt der aus Schwaben zugereiste Wahl-Hamburger seinen Zuhörern, warum sie in der Oper nicht nur weinen, sondern auch lachen dürfen - und das sogar sollen.

+++ Zu Anfang gleich Bayreuth +++

Volker Wacker kam nach Hamburg, weil die Hansestadt 1981 unter dem aus der DDR geflohenen Götz Friedrich als einzige deutsche Stadt ein Studium in Musiktheaterregie anbot. Und weil Hamburg 650 Kilometer entfernt von seinem Heimatdorf lag. Denn als Erstgeborener hätte Wacker die Chemiefabrik seines Vaters übernehmen sollen.

Doch der junge Volker wollte etwas machen, das sich grundlegend von dem unterscheidet, was sein eher unmusikalischer Vater machte - und studierte außerdem Musikwissenschaften, Kunstgeschichte und Psychologie.

+++ Premiere mit zwölf +++

Er war kein Jahr in Hamburg, da sorgte eine neue Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" für einen Eklat bei den Abonnenten und für viele Kündigungen. Der Student war so begeistert von der Aufführung, dass er beschloss: "Jemand muss den Leuten erklären, warum die Inszenierung so toll ist."

Und er wollte dieser Jemand sein. Ging zur Volkshochschule, bot seine ersten Seminare an. Holte Freunde heran, damit sie die ersten Kurse füllen.

1998 der nächste Eklat im Hamburger Opernpublikum: Peter Konwitschny inszenierte Richard Wagners "Lohengrin" in einem wilhelminischen Klassenzimmer. Und Wacker reagierte mit seinem ersten Workshop direkt an der Staatsoper. Erklärte, warum es gut ist, wenn sich ein Adliger in einen Lehrer mit kurzen Hosen verwandelt. Den Regisseur kennt der Opern-Erklärer gut, er war einst sein Regieassistent. Wer noch nie in der Oper war, und wer vielleicht sogar ein bisschen Angst hat, das erste Mal in die Oper zu gehen, der ist bei dem gar nicht so wissenschaftlich daherkommenden Musikwissenschaftler gerade richtig. Insgesamt acht Stunden lang und garantiert ohne Fachchinesisch erzählt Wacker kurzweilig über Komponist, Stück und Inszenierung - und viel Drumherum. Zum Beispiel, dass Richard Wagner während des Geschlechtsakts mit einem venezianischen Zimmermädchen das Leben ließ, dass Thomas Mann ein Snob war, weil er bei seinen Lesern so viel Wissen voraussetzte, und dass die Menschen in die Oper gehen, um sich das abzuholen, was sie im eigenen Leben nicht erleben. Der Junggeselle, der auch gern ein bisserl Schwäbisch babbelt, macht es dabei wie Bertolt Brecht, sagt er: "Durch Humor hole ich die Sache herunter. Die Kunst steht ohnehin schon so hoch, und das stößt viele ab." Viele Stoffe, findet der bekennende Lebensgenießer, seien von sich aus ernst genug. "Jeder braucht mal eine Ruhepause, um den nächsten tragischen Moment überhaupt aufnehmen zu können."

+++ Heute ein Wagner-Fan +++

Und immer wieder sagt er: "Lachen Sie! Auch während der Aufführung. Auch wenn die Nachbarin komisch guckt. Natürlich sind Werkstatt und Oper kein Spaßmobil, aber Lachen ist unbedingt erwünscht. Denn wer lacht, hat's kapiert."

Und für den ist Oper wie für andere Fußball: die große Spannung - und die große Emotion.