Joachim Lux wählte Gastronom Tim Seidel, der das bisherige Le Paquebot übernimmt. Das sorgte für Streit

Altstadt. Kurz vor Beginn der neuen Spielzeit am 2. September stehen im Thalia-Theater nicht nur aktuelle Produktionen auf dem Programm. Auch im Gastronomiebereich wird anderes als bisher im Le Paquebot auf der Karte zu lesen sein: Tim Seidel, Hamburgs bekannter Kunst-Gastronom, wird neuer Pächter und Gastgeber am Theater. Er eröffnet am 18. August hier ein Kaffeehaus zum Verweilen - und freut sich, neben seinem Restaurant Rialto und der Oberhafenkantine, welche er mit seinem Geschäftspartner Sebastian Libbert führt, jetzt auch mitten in der Stadt im Thalia-Theater Gäste zu bewirten. "Wir werden diese zeitlose Kaffeehaus-Kultur schaffen, mit Lederbänken, Echtholzstühlen, Zeitungen und Tafelspitz", so Seidel.

Er gilt als kunstaffin, arbeitet erfolgreich bereits an der Michaelisbrücke im Rialto, wo das Publikum aus sehr vielen Künstlern und Galeristen besteht. Die Verbindung zum Theaterbetrieb soll verstärkt werden, mit Fotoausstellungen, kleinen Lesungen. Und dadurch, dass Seidel das Thalia gleich dreifach kulinarisch betreut: Neben dem Kaffeehaus, das täglich von 9 bis tief in die Nacht hinein geöffnet haben wird, übernimmt er mit seinem Team die Kantine für die Thalia-Mitarbeiter und revolutioniert die Pausenbewirtung der Abendvorstellungen. "Ich leite sozusagen den Tod der Theaterbrezel ein", sagt Seidel augenzwinkernd, "zukünftig wird es zum Beispiel California Handrolls geben, leichtes, frisches Sushi." Er wolle Synergie-Effekte und die Nahrungsverwertungskette nutzen.

All das gefällt Joachim Lux, Intendant des Hauses. Er hat gemeinsam mit dem Aufsichtsrat und der Thalia-Geschäftsführung diese Neuerungen initiiert. Ihm gefiel das alte Konzept des Paquebot nicht mehr. "Ich wünschte mir eine generationsübergreifende Gastronomie, ein Restaurant, in dem sich vom Studenten bis zu älteren Semestern jeder wohlfühlt", erklärt Lux. Das entspreche der Publikumsstruktur seines Hauses. "Außerdem sollte das Künstlerische stärker zum Ausdruck kommen. Diese Gastronomie ist doch die Visitenkarte für unser Theater." Bisher habe er diesen Aspekt vermisst. "Mit Tim Seidel habe ich jemanden gefunden, der meine Vorstellungen versteht," sagt Lux.

So kam der Umstand gelegen, dass der Pachtvertrag für die gastronomische Fläche im Sommer dieses Jahres ausläuft. Zeit für eine Neuorientierung.

Ohne die aktuellen Betreiber Lars Grumbrecht und Raphael Flandrin. Sie unterlagen nach einer öffentlichen Ausschreibung um ein neues Gastronomiekonzept im Juni 2010. Nach 15 Jahren müssen sie das Paquebot nun schließen. Darüber sind die beiden Gastronomen verärgert, schrieben Beschwerdebriefe an die Kultur- und Wirtschaftsbehörde. Erfolglos. "Rechtlich kann man Joachim Lux nichts vorwerfen, aber moralisch schon", so Flandrin. "Ich bin sehr wütend, wir betreiben das Paquebot schon so lange erfolgreich hier. Lux reißt uns hier einen Teil unserer Existenz unter den Füßen weg." Er und Grumbrecht werfen Lux vor, nie mit ihnen das Gespräch gesucht zu haben, zudem hätten sie seine Vorstellungen nicht verstanden. Lux widerspricht. Er habe schon vor seinem Amtsantritt den Pächtern seine Ideen geschildert. Dann habe er auf Vorschläge gewartet - die ihn nie erreichten.

Trotz der Unstimmigkeiten steht fest: Die Thalia-Besucher werden weiterhin in den Genuss intellektueller, sinnlicher und eben kulinarischer Reize kommen.