Seit 30 Jahren ist Hartmut Engler Frontmann der Popband Pur. Jetzt erklärt er sich erstmals - mitsamt seiner “alkoholgetränkten Depression“.

Hamburg. Autobiografien prominenter Menschen haben nicht selten den Charakter einer Abrechnung. Da werden Ex-Frauen beschimpft, Manager beschuldigt und schlüpfrige Details aus dem Alltag des Bandkollegen preisgegeben - kurzum: kräftig im Dreck gewühlt. Das wollte Hartmut Engler vermeiden. Kein böses Wort fällt deshalb in seinem Erstlingswerk, das er gestern in Hamburg vorstellte.

"Engler Pur" heißt es. Ein anderer Titel wäre wohl auch kaum infrage gekommen. Schließlich ist das Leben des 49-Jährigen seit 30 Jahren mit dieser Band, einer der kommerziell erfolgreichsten Popgruppen Deutschlands, verbunden, wurde bisweilen sogar von ihr bestimmt. "Es ist weder ein Enthüllungsbuch noch eine Lebensbeichte", sagt der Sänger, nippt kurz an seiner Limonade. Entspannt wirkt er, gut gebräunt von einem Familienurlaub auf Mallorca, in dem er sich auf seine erste Lesetour vorbereitete. Seinen Fans wolle er etwas mehr erzählen. Von seiner emotionalen Achterbahnfahrt, seinem persönlichen Abenteuerland, das er ansonsten nur in Liedern besingt. Die Kritiker, räumt er ein, wird er damit sicher nicht erreichen. Sie begleiten ihn viele Jahre schon, selbst nach zwölf Millionen verkauften Alben und einem Bundesverdienstkreuz verstummen sie nicht. "Das muss man einfach aussitzen", sagt Hartmut Engler. Gewöhnen allerdings wird er sich daran nie.

Diejenigen jedoch, die etwas mehr wissen möchten über den Mann mit der auffälligen Nase, den studierten Gymnasiallehrer, werden an der Autobiografie Gefallen finden. Denn erstmals erklärt sich Hartmut Engler. Mitsamt seiner "alkoholgetränkten Depression" wie er sie nennt. Eine Phase, in der ihm, dem "Grundpessimisten", alles wegzubrechen drohte. 2008 war das, als 65.000 Fans Pur auf Schalke feierten. Und Englers Freundin Nubya ihn nach fünf Jahren Beziehung verließ. "Ich habe mich unzulänglich gefühlt", sagt er. "Meiner Freundin, meiner Band und meinen beiden Söhnen gegenüber."

Er weist sich in eine Klinik ein, hält bis heute Kontakt zu einem "Profi". Alkohol trinkt er selten, meidet ihn aber nicht komplett. "Alkohol tut dir nicht gut, wenn es dir nicht gut geht." Nun sei er gestärkt und gewachsen durch diese Krise, nicht zuletzt durch seine neue Freundin Katrin, die er auf einem Konzert kennenlernte und mit der er sich im vergangenen Jahr verlobte. Hartmut Engler glaubt an die Ehe, auch nach zwei Scheidungen. "Ich bin glücklich, spüre endlich eine Art Grundzufriedenheit, die ich zuvor nicht kannte."

Immer mehr wollte Hartmut Engler erreichen. Obwohl er mit Pur bereits große Hallen füllte. Seine Beziehung zu Hamburg etwa stehe sinnbildlich für diese Getriebenheit, erzählt er. In den 80er-Jahren spielte die Band hier noch im Logo. Vor 25 Leuten. Man nächtigte in einem billigen Hotel auf der Reeperbahn. Später war es bereits die Große Freiheit, in der sie auftraten, dann ging es für Pur in die Alsterdorfer Sporthalle, in das CCH - und schließlich in die damalige Color-Line-Arena. Hartmut Engler genügte das nicht, damals.

Für eine Bilanz fühle er sich mit knapp 50 noch zu jung. "Ich befinde mich gerade im Spätsommer. Und ich bereite mich auf den Herbst vor." Doch eins, ja, das bereue er bereits jetzt: "Dass ich mich selbst ein paarmal mit Schweinen im Dreck gewälzt habe." In seinem Buch will er den Fehler nicht wiederholen. Denn, so schreibt Hartmut Engler in seinem Fazit: "Ein Leben ohne Dreck und Schweine gefällt mir viel besser." Weil es pur ist.