Zum ersten Mal spricht Ulrich Pleitgen über seine Antriebskräfte, was ihn mit Henning Mankell verbindet und über eine schwere Erschütterung.

Hamburg. Entspannt sitzt der Schauspieler Ulrich Pleitgen auf seiner grauen Couch im Wohnzimmer. Nimmt einen Schluck Kaffee. Genau hier lag er 2008 monatelang mit einer schweren Gürtelrose. Über diese Zeit sagt der 63-Jährige jetzt: "Zum ersten Mal in meinem Leben war ich tief erschüttert."

Ein Jahr lang hat es gedauert, bis er wieder gesund war. Während der Krankheit konnte er wegen eines Pfeifens im Ohr keine Musik hören, sah alles doppelt und hatte starken Schwindel. Medikamente konnten ihm nicht helfen. Das Einzige, was half, war abzuwarten, da bei dieser Krankheit Nerven zerstört wurden und diese sich nur langsam erholen. "Ein Tiefpunkt in meinem Leben", sagt Ulrich Pleitgen. Zahlreiche Angebote musste er ablehnen. "Nichts machen zu können, privat wie beruflich, das war eine Katastrophe für mich."

Jetzt geht es Ulrich Pleitgen wieder gut, und er stürzt sich in die Arbeit. "Über mangelnde Angebote kann ich mich nicht beklagen", sagt Pleitgen und strahlt dabei. Im vergangenen Jahr stand er für die vierte Staffel der ARD-Serie "Familie Dr. Kleist" sechs Monate in seiner Rolle als Apotheker Johannes Kleist vor der Kamera. Sendetermin: voraussichtlich im November.

In den Wintermonaten hat er vermehrt Lesungen gehalten und Hörbücher aufgenommen. Das sei aber eher Zufall gewesen, die Verlage seien an ihn herangetreten. "Und mir macht es Spaß. Beim Lesen kann ich daraus ein Theaterstück machen und mit meiner Stimme spielen." Sein aktuelles Projekt im Tonstudio: "Vor dem Frost", der 2003 erschienene Fall von Kommissar Kurt Wallander. Den schwedischen Autor Henning Mankell mag Pleitgen besonders gern, weil "seine Werke eine gewisse Moral haben" und er sich "um die sozialen Zusammenhänge in der Gesellschaft" kümmere. Das geschehe viel zu selten. Generell vertritt Pleitgen die Einstellung, beruflich nichts zu machen, was seiner Überzeugung nicht entspricht. Vor allem Geschichten, in denen die USA "die Welt befreien", mag er nicht. Das sei ihm "zu faschistisch".

Umso mehr freut sich Pleitgen neben dem Hörbuchprojekt auf den Drehbeginn zu dem ARD-Freitagabend-Film "Schäferstündchen" Ende Mai. Darin spielt er einen Schäfer, der zurückgezogen von der Gesellschaft lebt. Pleitgen selbst lebt nicht einsam. Nahe der Alster wohnt er mit seiner Frau Ann-Monika, 63, in einer Altbauwohnung. Seine Frau machte ihm während seiner Erkrankung Mut - fuhr ihn zum Arzt, las ihm vor.

Literatur nimmt viel Platz im Leben und in der Wohnung der beiden ein. In einem maßgefertigten weißen Regal im Wohnzimmer hat ihre große Büchersammlung vom Boden bis zur Decke Platz. Wie viele es sind, wissen sie nicht. Auch in der Küche, im Schlaf- und Arbeitszimmer sind welche - sortiert nach Autorennamen. "Meine Leseleidenschaft kommt mir bei den Hörbüchern zugute", sagt Pleitgen, der seit 29 Jahren verheiratet ist.

Während der Thomas-Mann-Fan schon seine Hauptrolle für den ZDF-Sonntagsfilm "Wilde Wellen" lernt - die Dreharbeiten in der Bretagne dauern von August bis Dezember -, schreibt Ann-Monika an ihrem zweiten Krimi. Allerdings nicht allein, denn die Liebe zur Literatur teilt die ganze Familie.

Zusammen mit ihrem Sohn Ilja Bohnet, 42, (er stammt aus einer früheren Beziehung, Ulrich Pleitgen adoptierte ihn). Mutter und Sohn hatten bereits im September 2009 den ersten Teil "Freitags isst man Fisch" veröffentlicht. Dafür sind sie jetzt für den Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie Debüt nominiert worden.

Für das Autorenduo in der Familie ist es eine "sehr beglückende Arbeit". Und auch Ulrich Pleitgen freut sich. Über die Nominierung und die Zufriedenheit seiner Frau. Und über seine Gesundheit und den neuen Elan.