Eine Forscherin bewertet die Ergebnisse der Sozialtherapie

Im August 2010 startete die „Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg“ im Auftrag der Hamburger Justizbehörde. Durchgeführt wird die Studie vom Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) unter der Leitung von Professor Peer Briken. Dahlnym Yoon, 30, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt.

Hamburger Abendblatt:

Was ist das Ziel der Evaluationsstudie?

Dahlnym Yoon:

Ziel ist es, die Wirksamkeit der Sozialtherapie zu untersuchen und die Qualität der Behandlung immer wieder zu überprüfen und zu sichern. Dazu werden die Insassen der Anstalt bei der Aufnahme, während der Haft und bei der Entlassung untersucht.

Was genau haben die Forscher des UKE seit 2010 gemacht?

Yoon:

Wir haben in den ersten drei Jahren eine standardisierte Einschätzung des Rückfallrisikos der Insassen und die Erhebung von Therapiezielen mithilfe psychologischer Tests aufgebaut. Das Ziel war vor allem, diese Diagnostik nicht nur Defizit-orientiert, sondern auch Ressourcen-orientiert zu gestalten. Das bedeutet: Wir untersuchen, welche Stärken und Schwächen die Häftlinge aufweisen und ob die Sozialtherapie dabei helfen kann, eigene Defizite zu beheben und Ressourcen zu verstärken, damit die Personen nicht wieder straffällig werden.

Welche Gefangenen nehmen an der Studie teil?

Yoon:

Bisher haben rund 180 Probanden teilgenommen. Davon sind 50 Prozent Sexualstraftäter und 35 bis 40 Prozent Gewaltstraftäter. Der Rest wurde wegen Delikten wie Betrug, Diebstahl oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt.

Wie sehen die ersten Ergebnisse der Evaluation aus?

Yoon:

Äußerst positiv. Die Insassen in Fuhlsbüttel haben im Laufe der sozialtherapeutischen Behandlung eine positive Veränderung gezeigt: Risikofaktoren für Rückfälligkeit werden weniger, die Schutzfaktoren und Ressourcen gegen die Rückfälligkeit steigen. Die Insassen selbst haben in Bezug auf ihr Selbstwertgefühl, ihre Impulsivität, Aggression und Bindungsfähigkeit – also die rückfallrelevanten Faktoren – von positiven Veränderungen berichtet. Vor allem deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, dass sich diese Veränderungen positiv auf die therapeutische Arbeit auswirken können. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass die sogenannten Abbrecher von vornherein eine kriminellere Vorgeschichte und erhöhtes Risiko aufwiesen. Daher wäre es wichtig, möglichst viele Insassen zu motivieren, sich weiter behandeln zu lassen.

Was ist das Besondere an dem Projekt?

Yoon:

Im Jahr 2013 ist die Laufzeit der Evaluation auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Das ist derzeit einzigartig in Deutschland. Bei vielen anderen Evaluationsstudien bemängeln Kritiker, dass die Projektlaufzeiten zu kurz sind und dadurch keine längerfristige Wirkung der Maßnahmen überprüft werden kann. Durch die Entfristung und die enge Kooperation zwischen dem UKE und der Justizbehörde wird in Hamburg somit ein sehr wichtiges Kriterium einer wissenschaftlichen Studie gewährleistet, sodass wir die Langzeitwirkung der Sozialtherapie überprüfen können. Zudem untersuchen wir nicht primär eine, sondern verschiedene Tätergruppen. Das soll dazu führen, dass die Therapeuten und Mitarbeiter der Hamburger Einrichtung über verschiedene Expertisen verfügen und interdisziplinär zusammenarbeiten können.