Vor 40 Jahren stellte Hamburgs Tierschutzverein das Klinomobil in den Dienst. Das Fahrzeug hatte sogar Operationsbesteck an Bord,um sofort helfen zu können.

Die Freude über die Spende war so groß, dass darüber ausführlich in der Mitgliederzeitschrift berichtet wurde. Vor 40 Jahren, im April 1974, erhielt der Hamburger Tierschutzverein durch eine anonyme Spende und von der Daimler-Benz AG gestiftet das sogenannte Klinomobil. Der moderne Rettungswagen sollte in Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Polizei verletzte oder kranke Tiere aufnehmen und möglichst noch an Ort und Stelle medizinische Hilfe leisten.

Auf einem seinerzeit veröffentlichten Foto demonstrieren ein Tierarzt und ein Helfer zusammen mit dem Schäferhund Igor, wie so ein Rettungseinsatz ablaufen könnte. Der Einsatzwagen enthielt neben der gewöhnlichen Ausrüstung, die bei einer Tierrettung zum Einsatz kommt, „eine komplette Operationsausrüstung, sodass jede erdenkliche Hilfe sofort geleistet werden kann“, hieß es seinerzeit in der Mitgliederzeitschrift.

Der spezielle Tierrettungswagen passte in die Zeit, denn die Ärztekammer hatte kurz zuvor einen tierärztlichen Notdienst eingerichtet. Trotzdem stellte das Klinomobil eine Besonderheit dar, denn einen Tierrettungsdienst gab es schon seit der Gründung des Tierschutzvereins. Anfangs fuhren die Mitarbeiter mit einer Pferdekutsche durch die Stadt. Doch eine mobile Zusammenarbeit mit Tierärzten war neu.

Inzwischen gehört die Zusammenarbeit mit dem tierärztlichen Notdienst zum Alltag. Heiko Nauschütz ist einer von vier Einsatzfahrern des Hamburger Tierschutzvereins, die in Not geratenen Tieren helfen, hin und wieder die Beamten der Polizei unterstützen oder herrenlose Tiere von den Polizeidienststellen abholen. Rund 6000 Einsätze zählen die vier Männer im Jahr.

Hamburgs Tierretter fahren Jahr für Jahr zu rund 6000 Einsätzen raus

Mit einem Ruck öffnet Heiko Nauschütz die Seitentür seines Tierrettungskastenwagens. Auf der Ladefläche stehen verschieden große Boxen, in denen Tiere untergebracht werden können. Aus einer metallenen Kiste holt der 44-Jährige einen Jutesack hervor. „Hiermit können wir relativ sicher Schlangen transportieren“, sagt Nauschütz und zeigt dann in das Innere des Wagens. An der Fahrzeugwand sind verschieden lange Stangen befestigt. An der einen ist ein Schlangenhaken angebracht, an einer anderen eine Schlinge.

„Das gesamte Hamburger Stadtgebiet gehört zu unserem Einsatzbereich“, erzählt Nauschütz. Manchmal geht’s in dem silberfarbenen Fahrzeug mit der Aufschrift „Tierrettung“ von Bergedorf nach Duvenstedt und dann weiter nach Rissen. „Auch wenn wir vor dem Losfahren im Groben über den Einsatzfall informiert werden, weiß man nie genau, was auf einen zukommt“, sagt Heiko Nauschütz. „Jede Begegnung mit einem verletzten Tier ist ein andere, und damit auch die Gefahr, selbst verletzt zu werden.“

Der 44-Jährige wirkt ruhig, während er aus seinem Alltag erzählt. „Ich bin eher bedächtig“, sagt er lächelnd, „auch wenn ich mich bei jedem Einsatz rasch auf die Situation einstellen muss.“ So als er jüngst einen verletzten Marder zu bergen hatte. Das Tier sei zwar etwas geschwächt gewesen, was es aber nicht weniger gefährlich gemacht habe. Der Mensch bleibt auch in so einer Situation aus Sicht des Tieres eine Bedrohung.

„Manchmal muss man fest zupacken“, erzählt Nauschütz. So wenn es darum geht, einen kräftigen Hund einzufangen oder mit einer Schlange zu hantieren. „Und dann wieder sind die Samthandschuhe gefragt, wenn man sich um ein kleines Tierbaby kümmern muss.“ Nauschütz zeigt den Raum, in dem Tierbabys untergebracht sind. Eine Pflegerin breitet gerade etwas Heu in einer Kiste aus, während ein Marderbaby sich in der Ecke der Kiste verkriecht.

Heiko Nauschütz hat einen Metallberuf gelernt und ist über eine Zeitungsanzeige zu seinem Job gekommen. „Vier- bis fünfmal im Jahr besuche ich eine Weiterbildung.“ Erst vergangene Woche sei es um Reptilien und Amphibien gegangen, erzählt er. Schlangen, Spinnen oder Geckos verstecken sich manchmal in Schiffscontainern und werden dann bei ihrer Ankunft im Hamburger Hafen zum Problem.

So wie die Speikobra, die vor ein paar Jahren auftauchte, als Hafenarbeiter einen aus Mosambik stammenden Holzcontainer entluden. „Die Männer haben zuerst versucht, die Schlange mit Besenstielen zu traktieren und wussten wahrscheinlich gar nicht, dass sie sich in Lebensgefahr befanden“, sagt Nauschütz. Schließlich kann die Speikobra ihr Gift nicht nur bei einem Biss abgeben, sondern auch verspritzen. Den Männern sei damals nichts passiert, auch der Schlange gehe es gut.

Die medizinische Versorgung von kranken Tieren obliegt den Tierärzten

In der Regel seien die Einsätze der Tierretter allerdings nicht so gefährlich, sagt Nauschütz. Dann passiert eher etwas Lustiges wie vor ein paar Jahren zur Weihnachtszeit. Einem Bauer war ein Emu – ein straußenähnlicher Vogel – entlaufen und hatte sich auf seinem Weg nach Hamburg im Gehege eines Weihnachtsbaumverkäufers verirrt. „Zum Glück schloss der Verkäufer gedankenschnell das Gehege.“

Auch wenn das vor 40 Jahren angeschaffte Klinomobil inzwischen zur Vergangenheit gehört und eine medizinische Versorgung von Tieren nicht zu den Aufgaben der Tierrettungsfahrer gehört, legen sie bei kleineren Verletzungen schon mal Hand an. Heiko Nauschütz hat einen kleinen Medizinkasten geöffnet und zeigt auf Pflaster und Mullbinden. „Manchmal hilft das schon“, sagt der 44-Jährige.