An Tamme Hanken ist nahezu alles XXL: sein Körper, sein Humor, die Quoten seiner Sendung im NDR. Matthias Popien porträtiert einen Mann, der sich gibt, wie er ist, wenn er Pferde behandelt. Ob das auch bei der Bühnenshow funktioniert, mit der er jetzt durch den Norden tourt?

Tamme Hanken hat abgespeckt. Er wiegt jetzt nur noch 140 Kilo. 200 waren es mal, als er anfing, berühmt zu werden. Nun läuft der „XXL-Ostfriese“ tatsächlich Gefahr, ein „X“ zu verlieren. Beim Fernsehen ist er dennoch dicker denn je im Geschäft. Die NDR-Doku-Soap des Pferde- und Hundeheilers aus dem niedersächsischen Filsum boomt. „Keiner hat damit gerechnet, dass das so gut ankommt“, sagt der 53-Jährige.

Hanken, gelernter Landwirt, ist einer der wenigen Fernsehstars, die sich selbst erschaffen haben. 2007 bot er sich mit seinem Konzept dem NDR an – und wurde genommen. Seit 2008 ist er auf Sendung und erreicht bis zu 740.000 Zuschauer. „Die hatten mir damals beim Fernsehen gesagt, dass das vielleicht vier Jahre läuft“, erzählt Hanken. Jetzt geht er ins siebte Jahr.

44 Folgen sind mittlerweile gesendet worden. 44-mal konnten wir dem „Knochenbrecher“ Hanken dabei zusehen, wie er kranke Pferde behandelt, wie er Pferdebesitzern Tipps gibt, wie er sich um die Schweine und Ziegen auf seinem Hof kümmert und was seine Frau Carmen und ihre Dressurpferde so machen. Der Tonfall ist locker-flockig. Hankens Wirken wird ironisch gebrochen, auch mit Cartoon-Trennern: eingeschobenen Zeichentrickfilmen, die von den körperlichen Besonderheiten des Tamme Hanken leben. Er ist gut zwei Meter groß und ganz schön umfangreich. Hanken hat einen Humor, den man mögen muss. Zu seinem Assistenten, der ein bisschen Angst vor einer hinkenden Kuh hat, sagt er: „Eine Kuh ist wie ein 18-jähriges Mädchen: Angreifen!“ Frauen nimmt er rasch in den Arm und nennt sie „Schätzelein“ – eine Bezeichnung, die er auch gern für Pferde verwendet.

Beim NDR stellt man gleichermaßen erstaunt wie erfreut fest: „Es läuft super, wir hüpfen von Erfolg zu Erfolg“, sagt Philipp Vongehr, Leiter „Talk und journalistische Unterhaltung“. Hanken punktet insbesondere bei denen, die 70 Jahre und älter sind. Schon gleich die erste Sendung im Januar 2008 kam in dieser Gruppe auf eine Einschaltquote von satten 20,2 Prozent. Die Basis des Erfolgs bildet auch heute noch die Rentnergeneration: Menschen ab 60. In jüngster Zeit steigen allerdings auch die Zahlen in der Gruppe zwischen 40 und 49 Jahren. 2013 übersprangen gleich fünf Folgen die Zehn-Prozent-Marke. Ohnehin ging 2013 als XXL-Jahr in die Bilanz des XXL-Ostfriesen ein. Gleich zwei Folgen erreichten Einschaltquoten von 14 Prozent und mehr. Das hatte es bei dieser Doku-Soap noch nie gegeben. Laut Vongehr sind viele Zuschauer Frauen, die die Kombination aus knuddeligem Ostfriesen und knuddeligen Tieren mögen. Besonders bei Champions-League-Spielen sei die Quote gut. Die Spiele beginnen um 20.45 Uhr, der „XXL-Ostfriese“ wird eine Viertelstunde später aufs Feld geschickt.

Weil alles so gut läuft, expandiert Hanken. Mittlerweile ist er auch auf Kabel eins zu sehen. Der NDR hat ihn mit prominenten Fernsehköchen wie Rainer Sass und Cornelia Poletto zusammengespannt, gemeinsam wird auf dem Hankenhof in Filsum gebrutzelt. „Der XXL-Ostfriese – Herd statt Pferd“ heißt das Format, auch hier wird kräftig eingeschaltet. Und nun geht es auch noch auf Tournee. Der selbst gemachte Fernsehstar tingelt derzeit mit einer neuen Einmann-Show durch 16 norddeutsche Städte. Am 24. März wird der Schlusspunkt in Kiel gesetzt.

Hanken hat also Erfolg. Aber warum? Fragen wir einfach den XXL-Ostfriesen selbst. Aber so einfach ist das gar nicht. Hankens Ehefrau Carmen mailt, der Gatte habe absolut keine Zeit. Einziges Angebot: Am Sonnabend könne man nach Filsum kommen, aber dort sei dann „Kummertag“: Hanken behandelt die zuhauf herbeitransportierten Pferde. In der Mittagspause gebe es eine Gesprächsmöglichkeit. Das ist uns zu unsicher. Wir wenden uns an den Hamburger Konzertveranstalter funke media, der die Hanken-Tournee organisiert. Nun klappt es. Wir treffen uns nachmittags in der Stadthalle Osterholz-Scharmbeck, einem grottenhäßlichen Gebäude mit Gleisanschluss. Am Abend hat er dort seinen Auftritt.

Hanken sitzt in der Garderobe und wirkt entspannt. Die Tour läuft gut, neulich hat er hinterher anderthalb Stunden lang Autogramme schreiben müssen. „Normal sind zehn bis 20 Minuten, hat man mir gesagt“, sagt er. Er vermutet, sein Erfolg hänge damit zusammen, dass er ein „stinknormaler Mensch“ sei. „Nicht so wie all diese Kunstfiguren, die herumlaufen.“ Viele Gedanken mache er sich darüber aber nicht. „Ich beschäftige mich grundsätzlich nur mit den Dingen, die anliegen. Ich lebe. Weiß ich denn, ob ich morgen die Augen wieder aufkriege?“

Hanken ist ein widersprüchlicher Mensch. Denn so ganz ohne Plan läuft sein Leben natürlich nicht ab. Die Bedeutung der Einschaltquote ist ihm durchaus bewusst. „Ich kenne alle Zahlen“, sagt er. „Wenn die Quote abkackt, muss man die Bremse ziehen.“ Beim NDR erzählt man sich, dass letztlich nur Hanken entscheidet, was die Zuschauer vom „XXL-Ostfriesen“ zu sehen bekommen. Der Filsumer hat gemeinsam mit seinem Produzenten Sven Hartung das Konzept für die Sendung erfunden, gemeinsam haben sie es dem NDR angeboten. Das war nicht „Bauer sucht Frau“, das war „Bauer sucht Sender“. Der NDR hat sich verliebt – und eingeschlagen. Es ist ein Geschäft ohne Risiko. Das Duo Hanken/Hartung bekommt pro Folge einen Festpreis. Welchen, bleibt natürlich geheim. Schwindet das Zuschauerinteresse, lässt sich selbst ein XXL-Ostfriese problemlos auf null schrumpfen.

Ob sich das der störrische Filsumer gefallen lassen würde, ist eine andere Frage. Auf dem Bildschirm wirkt Hanken zwar mitunter rau, aber das Knuddelige dominiert eindeutig. Außerdem ist er meistens gut drauf. Im echten Leben kann durchaus auch das Raue dominieren. Aus Tamme Hanken wird dann plötzlich Ramme Hanken. Seinen Gegnern hat er einen gepfefferten Brief geschrieben. Er prangt gleich auf der Startseite seiner Homepage. „Seit Jahren beobachte ich, wie sich Menschen erdreisten mich anzugreifen, ohne mich überhaupt zu kennen“, ist dort zu lesen. Hanken ist Knochenbrecher, und als solchem schlägt ihm offenbar viel Feindseligkeit entgegen. „Das Internet ist voll davon“, sagt er. Als „Knakenbreker“ bezeichnet man im Ostfriesischen Menschen, die die Gabe haben, heilen zu können. Hanken sagt, er habe diese besondere Feinfühligkeit. „Mein Großvater hat das gemerkt, der hatte die Fähigkeit auch.“ Fünf bis sechs Familien in Ostfriesland gehörten zu den „Knakenbrekern“.

„Mensch und Tier in Richtung bringen“: Das sieht Hanken als seine Aufgabe an. „Da gehört schon ein klein bisschen Wahnsinn dazu“, findet er. „Man hat keinen Feierabend und keine Wochenenden, man hat gar nichts mehr, wenn man damit anfängt.“ Aber man hat mit Neid und Missgunst zu kämpfen, wenn man Hanken glauben will. Er entpuppt sich als Misanthrop. Seine Menschensicht ist zutiefst pessimistisch. „Erfolg wünschen sie dir alle – bis zu dem Zeitpunkt, wo du ihn hast“, findet er. Sein Vater habe immer gesagt: „Tu keinem was Gutes, dann wirst du auch nichts Schlechtes erfahren.“ Es sei tatsächlich so, bekräftigt der XXL-Ostfriese. „Gerade die, denen man am meisten geholfen hat, scheißen einem den größten Haufen vor die Tür.“

Auch seine Fans hätten sich nicht immer einwandfrei benommen. „Die Menschen wissen nicht mehr, was privat ist.“ Durch die Pferdeboxen seien sie ins Haus eingedrungen, als er auf Reisen gewesen sei, hätten sich dort hingesetzt und Bier getrunken und einige Gläser mitgenommen. „Jetzt haben wir immer einen, der im Haus Wache schiebt, wenn wir nicht da sind“, sagt er.

Mit der Heilung von Menschen habe er ganz aufhören müssen. Es sei einfach zu viel geworden. „Die Leute haben mir das Haus eingerannt. Ich habe bis nachts gearbeitet.“ Dann hat er einen zweiten Behandlungstag angeboten, aber der war auch schnell dicht. „Man ging abends ins Bett, und morgens stand alles voll mit Wohnmobilen“, sagt Hanken. Es gab nicht nur viel Arbeit, es gab auch viel Ärger. „Die Menschen haben mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war, die haben Papierkörbe eingesackt und Blumen mit den Knollen gepflückt.“ Seitdem gilt auf dem Hankenhof die Devise: „Wir bleiben bei den Tieren. Da ist der Ablauf ruhiger.“

Die Menschen hingegen bleiben ihm suspekt. Er hilft ihnen gern, aber die Bettelbriefe, die er zu Weihnachten bekommt, missfallen ihm. „Wenn ich kein Geld mehr habe, lasse ich mir etwas einfallen und suche mir Arbeit. Aber die wollen ja gar nicht mehr arbeiten, die wollen nur noch betteln.“ Er hingegen macht es anders. „Wenn du etwas erreichen willst, musst du deinen Arsch bewegen“, findet er. „Wir haben unseren Hof ziemlich restauriert, das hat auch Geld gekostet.“

Überhaupt ist er nicht der Ansicht, dass Geld den Charakter verdirbt. Hanken kennt eine Menge wohlhabender Leute. Ölmagnaten, Scheichs. Viele von ihnen haben einen Reitstall, und einige lassen Tamme Hanken kommen, wenn das beste Pferd im Stall lahmt. „Die Leute, die mit viel Kohle umgehen, sind die normalsten Menschen“, hat Hanken festgestellt. Nur der Neid mache ihnen das Leben schwer. „Dieter Bohlen hat zu mir gesagt, wie oft die ihn beim Finanzamt angeschissen hätten, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ In den USA sei das anders. „Da freuen sich die Leute drüber, wenn es jemand zu einem großen Vermögen gebracht hat.“

Auch auf Tierärzte ist er nicht gut zu sprechen. „Eine Tierärztin behauptet, 90 Prozent der Sättel liegen zu tief, man kann keine Sättel umbauen!“, liest man auf der Homepage des Knochenbrechers. „So schlau will sie sein, kennt aber nicht die guten Sattler in Deutschland.“ Hankens Tirade endet mit dem feierlichen Versprechen: „Jedenfalls wird es niemals der Fall sein, dass ich über andere herziehe, auf dieser flachen Plattform sollen sich lieber all die Versager und Neider tummeln, die nur Angst haben, dass man sie nicht beachtet.“

Allerdings gibt es wohl da auch das eine oder andere ernsthafte tiermedizinische Argument, das dem Knochenbrecher übel aufstößt. Beim Pferdemagazin „Cavallo“ hat man sich unlängst die Mühe gemacht, die Arbeit des Ostfriesen unter die Lupe zu nehmen. „Undercover“ guckte sich die Pferde-Fachtierärztin und Chiropraktikerin Winnie Dreschel an einem der Kummertage auf dem Hankenhof um. Fazit: Das ruckartige Ziehen an den Hinterbeinen, Hankens Spezialität, ist durchaus nicht ungefährlich. „Bänder, Sehnen und Muskel können geschädigt werden, es kann auch zu Zerrungen kommen“, stellte Dreschel fest. „Hanken behandelt die Pferde im Schnelldurchlauf und immer nach Schema F.“ Die Krankheitsgeschichte werde nicht abgefragt und spiele bei der Behandlung keine Rolle. Ein Lob gab es immerhin auch: „Er sieht genau hin, beobachtet, wie das Pferd tritt, wie es die Hufe setzt. Die Fehlstellungen, die er beschreibt, treffen meist zu.“

Ob Hankens Behandlungen einen Haken haben, bleibt unklar. Im Gästebuch seiner Internetseite dominieren die positiven Einträge. Jule von der Magdeburger Meerschweinchenhilfe „Jules Schweinebande“ schreibt etwa: „Lieber Herr Hanken, ich finde es großartig, wie vielen Tieren und Menschen du schon geholfen hast!!“

Seine Hilfe ist durchaus nicht uneigennützig. Wer sein Pferd von ihm behandeln will, muss 180 Euro zahlen, der Hund kommt billiger: 80 Euro. In der Doku-Soap ist vom Bezahlen keine Rede, dort hat noch nie ein Geldschein den Benutzer gewechselt. Kann es sein, dass die Leute ihn deshalb so belagern und ihm zu Weihnachten Briefe schreiben? „Glaube ich nicht“, sagt Hanken. „Wer Karussell fahren will, muss dafür bezahlen, das weiß jeder.“ Bezahlen muss man auch die Nahrungsergänzungsmittel, die Hanken in seinem XXL-Shop anbietet – zum Beispiel „Culinarius Traubenkernpulver für Tiere“. Fünf Kilo für 40 Euro. Die XXL-Cap mit Ostfriesen-Aufdruck ist schon für 14,90 Euro zu haben.

Die Finanzen scheinen zu stimmen. „Beim Fernsehen fällt ja auch was bei ab“, sagt er. Und bei der Knochenbrecherei natürlich. Er tut auch was dafür. „Ich bin Ende März zehn Jahre verheiratet. Wir haben uns in dieser Ehe wohl nur ein Jahr gesehen, weil ich ständig unterwegs bin.“ Hanken, 1960 geboren und kinderlos, hat schon schlechtere Zeiten erlebt. Nach seiner Ausbildung zum Landwirt war er eine Weile als Betriebshelfer tätig, auch als Stutenmilchproduzent hat er sich versucht. Dann berichtete das Regionalfernsehen über seine Knochenbrecher-Tätigkeit. Hanken fand, damit könne man auch „seriell loslegen“. Er suchte sich einen Produzenten und ist nun der vermutlich einzige Bauer, der von sich behaupten darf, zugleich auch Medienexperte zu sein. Seine Unverstelltheit hat ihm dabei sicherlich geholfen. Die Frage, ob es einen Unterschied zwischen Tamme Hanken und der Fernsehfigur XXL-Ostfriese gibt, bringt ihn nur kurz zum Nachdenken. „Nö“, sagt er, „ich gehe dort meinem Leben nach, wie es in Wirklichkeit ist.“ Sein Fernsehgeschmack ist normal. „Ich gucke meine eigene Serie, ich gucke Heimatfilme, gern auch einen alten Edgar Wallace oder mal einen ,Tatort‘, wenn er bei mir in der Nähe spielt.“

Und nun ist eben auch seine Einmann-Show zu haben, die Eintrittspreise liegen bei gut 30 Euro. Warum eigentlich jetzt noch diese Show? Wo der Mann doch sowieso schon ständig arbeitet? „Ich wollte einfach mal feststellen, ob ich auf der Bühne genauso gut rüberkomme wie im Fernsehen“, sagt er. Der Konzertveranstalter funke media sei auf ihn zugekommen. Man habe sich Hilfe geholt und ein Programm entwickelt. Hankens Einfluss: groß. „Das Programm muss schon auf dem eigenen Mist wachsen. Wir wollen, dass die Menschen am Ende zufrieden rausgehen“, sagt er. „Sie sollen ihren Spaß haben.“ Einen Probeauftritt in der Hamburger Markthalle hat es gegeben – vor geladenen Gästen. „Die kriegt man viel schwerer“, hat Hanken gemerkt.

Die Tournee läuft ganz gut, findet er. „Mal sehen, was die Zeitungen bringen.“ Bislang noch nicht viel, hat Hanken gemerkt. „Es wird auch nicht im Internet abgelästert.“ Er ist sich nicht ganz sicher, ob das ein gutes Zeichen ist. „Wenn früher in der Zeitung ordentlich abgelästert wurde, hatte ich das nächste Mal aus dieser Region die meisten Kunden auf dem Hof.“ Na also. Auf dem Hof wird es sich zeigen.

Sein Veranstalter, funke media, wirbt ohnehin unverdrossen weiter. „Tamme Hanken ist friesisch-herb und herzlich, mit unvergleichlichem Wortwitz, urkomisch, mit klaren Ansichten und einem ausgeprägten Interesse für Mensch, Tier und Natur“, formuliert die Agentur. Das mag ja alles sein. Aber die Frage ist doch: Wie kann ein Pferdeheiler, der auf der Bühne notgedrungen auf sein wichtigstes Utensil verzichten muss, die Zuschauer begeistern?

Dienstag dieser Woche, Musik- und Kongresshalle Lübeck: Der Saal ist gut zur Hälfte gefüllt, 600 Zuschauer mögen es sein. Viele Ältere, aber auch nicht wenige, die zwischen 35 und 45 liegen. Menschen mit Migrationshintergrund sucht man vergeblich. Hankens Humor ist deutsch.

Das Pferdeproblem löst er schon ganz am Anfang auf seine Art: Er holt sich eine Frau auf die Bühne. „Ich brauche, weil ich sonst Heimweh krieg’, ein Schätzelein“, barmt er. Ein Fan aus der vordersten Reihe opfert sich – und verbringt den Rest des Abends auf der Bühne neben Tamme Hanken. Der entpuppt sich rasch als Schwerenöter. Ob sie Kinder habe, ob sie verheiratet sei, fragt er. „Ich mag verheiratete Frauen“, gurrt der Knochenbrecher. „Was die anderen nicht wollen, will ich auch nicht.“

Seltsam, wie gut dieser Humor zum Bühnenbild passt. Hankens Team hat eine Ostfriesenküche aufgebaut. Sie stammt aus einer Zeit, die den Beruf des Küchenplaners nicht kannte. Es gibt eine weiße Anrichte mit Aufsatz, einen weißen Tisch mit Stühlen, einen weißen Herd und ein Sofa. Man fühlt sich an die 50er erinnert. Oder gar an die 30er? Jedenfalls an eine Zeit, in der Fleisch noch zur heiligen Grundausstattung jedes guten Essens gehörte. Kassler, Gulasch, Schnitzel, Kartoffeln, Blumenkohl. Mief in der MuK.

Hanken macht der Frau auf der Bühne klar, dass sie ein Holsteiner Pferd spielen muss, wenn er das will. „Ich sage ‚Zack‘, und du bist das Pferd.“ Er sagt „Zack“. Sie trabt über die Bühne, die der Knochenbrecher zur Wiese erklärt hat. Dann führt er sie zu dem Stuhl zurück, den der Knochenbrecher zum Stall erklärt hat. Hanken grinst: „Wir gehen jetzt verschiedene Pferdekrankheiten durch und zeigen, wie ein Fohlen gemacht wird.“ Der Saal kreischt vor Vergnügen.

In dieser Manier geht es zwei Stunden weiter. Das Pferd namens „Schätzelein“ hat eine Kolik, weshalb Hanken sich genötigt sieht, ihm in regelmäßigen Abständen einen Schnaps zu verabreichen. Er fasst an die Nüstern, kippt den Kopf zurück und trichtert das Gesöff ein. Kreisch. Außerdem hat das Pferd eine Erkältung bekommen, deswegen muss in der Küche ein Gegenmittelchen gebraut werden. „In Ostfriesland kommen die Frauen selten ans Licht, weil sie immer kochen müssen“, berichtet Völkerkundler Hanken. Kreisch.

Dann geht’s auch schon schnurstracks in Richtung Fortpflanzung. Zum Aufwärmen erzählt der XXL-Ostfriese einen Witz über Omas Eierstöcke, sodann wird es wissenschaftlich. „Wie kann eine Stute in die Rosse gebracht werden?“, examiniert Hanken seine Bühnenpartnerin. Rosse ist Paarungsreife. „Anspritzen?“, fragt sie. Er: „Besamung oder Natursprung?“ Sie: „Natursprung!“ Kreisch. Hanken holt seinen tiefsten Bass heraus: „So will ich das hören.“

Hanken holt seinen schönsten Zollstock raus und vermisst das Gesäß seiner Partnerin, um die Sattelgröße zu ermitteln. Kreisch. Zwischendurch sagt er immer wieder „Zack“ und lässt sein Holsteiner Pferd über die Bühne traben. „Frau und Pferd muss man beschäftigen, dann machen sie keinen Unsinn“, trompetet er in den Saal.

Hanken holt sich einen Mann aus dem Publikum: Torsten aus Lasbek. Er muss sich einen weißen Beutel vors Gemächt hängen lassen. Hankens Bühnenpartnerin befestigt ein rotes Band daran, denn der Knochenbrecher will zeigen, wie man einen Pferdehoden ordnungsgemäß abbindet.

Auf der Bühne muss das „Schätzelein“ schon wieder traben und sich einen Schnaps eintrichtern lassen. Zwischendurch serviert Hanken in ernstem Ton selbst gebraute Weisheiten. „Die Vermenschlichung hat im Pferdestall Einzug genommen.“ Oder: „Blinde haben als Handwerker nichts zu suchen.“ Oder: „Der Kommerz zieht ein in den Pferdestall.“ Dann wieder ein Witz. „Wie lange sind die Mädchen hier Jungfrauen? Solange sie schneller laufen als Vater und Brüder.“ Dazu die rhetorische Frage an die Damen: „Sammelt ihr Antiquitäten oder wollt ihr einen Stecher zu Hause?“

Hanken wettert gegen teure Trensen. Die seien überflüssig, manchmal sogar schädlich, wenn sie Kupfer enthielten. Billige Lösungen funktionierten auch, sagt er. So habe er mal einem Pferd, das kein Nasenbein mehr gehabt habe, zwei Lenor-Deckel in die Nüstern getrieben. „Schon konnte es wieder gut atmen.“

Das zieht sich alles recht lange hin, geht aber dennoch vorbei. Hanken verabschiedet sich. Allerdings nicht ohne einen Hinweis auf den Büchertisch draußen vor dem Saal, auf dem des Meisters Werk „Das Glück der Pferde in meinen Händen“ liegt. Der XXL-Ostfriese breitet die Arme aus. „Jetzt schon an Weihnachten denken, Bücher von Tamme verschenken“, reimt er. Kein Zweifel, der Mann weiß sich zu verkaufen.