In den 1950er-Jahren erlebte der Jazz auch an der Elbe seine große Blüte

Unter den Nazis war Swing verboten, Jazz als „Negermusik“ rassistisch abgewertet, nach dem Zweiten Weltkrieg galt der Sound aus Amerika bei den jungen Deutschen als mächtig hip. Berlin, Frankfurt und Bremen waren Hochburgen des Jazz, ebenso die Orte mit amerikanischen Militäreinrichtungen. Aber der Jazz-Boom war auch in Hamburg in den 50er-Jahren zu spüren. Als Louis Armstrong 1952 an die Elbe kam, begeisterte er 7000 Zuschauer in der Ernst-Merck-Halle. Die Großen des Hot Jazz gastierten hier, der NDR holte Stars wie Dizzy Gillespie nach Hamburg, die von dem US-Impresario Norman Granz ins Leben gerufene „Jazz at the Philharmonics“-Reihe brachte Oscar Peterson, Lionel Hampton und Ella Fitzgerald in die Stadt.

Die Jazzbegeisterung wirkte ansteckend, viele junge Leute wollten plötzlich selber Musik machen. In den 50er-Jahren wurde eine ganz Reihe von Jazzcombos gegründet. Sie musizierten in Jazzkellern und kleinen Clubs. Die bekanntesten waren die Riverkasematten und die Jailhouse-Taverne, andere hießen Handschuh, Cotton Club, als Einziger bis heute existent, Captain’s Cabin, Mummekeller.

Abbi Hübner, einer von Hamburgs Jazz-Pionieren, stand hier schon in den 50er-Jahren auf den engen Bühnen. Geadelt fühlten Hübner und seine Kumpels sich, wenn angloamerikanische Musiker nach ihren Konzerten noch in diese Jazzkeller kamen, um bis zum Morgengrauen mit lokalen Größen zu jammen. „Ich hab mir so manches Mal in den Oberschenkel gezwickt und klargemacht, dass ich gerade zusammen mit George Lewis oder Kid Ory zusammen auf einer Bühne stehe“, erzählt der Trompeter Hübner.

Freunde des Modern Jazz trafen sich in den 50er-Jahren im Barrett in den Colonnaden, in den 60er- und 70er-Jahren wurden Dennis’ Swing Club in der Papenhuder Straße und Onkel Pö’s Carnegie Hall am Mittelweg und später am Lehmweg legendär. Nachdem der Afroamerikaner Dennis Busby 1968 seinen Swing Club eröffnet hatte, wurde das verwinkelte Kellerlokal zur Anlaufstelle der modernen Jazzer aus den USA. Erroll Garner jammte hier schon am Eröffnungsabend, Count Basie, Ella Fitzgerald, Oscar Peterson und viele andere schneiten nach ihren Konzerten bei Dennis vorbei, feierten und spielten hier bis zum Morgengrauen.

Für die Hamburger Musiker übte das Pö eine magische Anziehungskraft aus. Das ursprüngliche Pö machte in Pöseldorf auf, zog aber zwei Jahre später an den Lehmweg. Gegründet wurde es von Bernd Cordua, doch die Seele des Clubs wurde später Peter Marxen. Hier spielten Bands wie Leinemann, die Rock und Dixieland miteinander verbunden haben, Udo Lindenberg saß manchmal hinterm Schlagzeug, Gottfried Böttger am Klavier. Unter Marxens Ägide wurde das Programm anspruchsvoller, sehr viele Jazzmusiker der jüngeren Generation traten auf, Al Jarreau wurde dort entdeckt, Weltstars wie Charles Mingus, Terje Rypdal und Cecil Taylor spielten, doch beliebter und den Bierumsatz steigernder waren Brunos Salonband, Meyers Dampfkapelle oder Dixieland-Combos wie Old Merry Tale oder Hübners Low Down Wizards.

Doch die guten Zeiten für den Jazz – ob alt oder neu – liegen lange zurück: Nachdem das Birdland im vergangenen Jahr geschlossen wurde, gibt es in Hamburg außer dem Cotton Club keinen einzigen Jazzclub mit täglichem Programm mehr – für eine Musikstadt wie Hamburg ein Desaster.