Vor 35 Jahren wurde die SPD-Politikerin Rühmkorf erste Frauenbeauftragte Hamburgs – und damit auch die erste in Deutschland. Warum sie die Richtige dafür war und was sie auf den Weg brachte.

Am Anfang ist die Tat. Im Frühjahr 1978 – wenige Wochen vor der Bürgerschaftswahl – besucht ein „Stoßtrupp der SPD-Frauenorganisation“ Bürgermeister Hans-Ulrich Klose. „Die Genossinnen rangen ihrem Spitzenkandidaten das Versprechen ab, nach einem Wahlsieg die Bildung einer ‚Gleichstellungsstelle‘ ins Regierungsprogramm aufzunehmen“, berichtet die „Welt“. Die interfraktionelle Frauengruppe, in der seit knapp zwei Jahren weibliche Bürgerschaftsabgeordnete aus allen Parteien zusammenarbeiten, reicht den SPD-Frauen nicht mehr.

Klose löst das Versprechen im Herbst desselben Jahres ein, obwohl ihm selbst das Ganze nicht wirklich Erfolg versprechend erscheint: Als der Senat die „Leitstelle für die Verwirklichung der Gleichstellung der Frau“ beschließt, sagt der Bürgermeister: „Ich glaube nicht, dass die absolute Gleichberechtigung je erreicht werden kann.“ Vielmehr werde es „immer einen Unterschied geben zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit“.

Es gab noch keine Statistiken, die Männer und Frauen getrennt erfassten

Klose bietet nach einem Bewerbungsverfahren Eva Rühmkorf an, die Leitstelle zu führen und damit Deutschlands erste Frauenbeauftragte zu werden. Die 43-Jährige ist zu jener Zeit Leiterin der Jugendstrafanstalt Vierlande in Bergedorf und hat ein „gewisses Selbstbewusstsein“ entwickelt, wie sie später sagt. Klose ordnet die Leitstelle der Senatskanzlei zu und macht Rühmkorf zur Senatsdirektorin, womit sie von Beginn an zum inneren Zirkel der Macht gehört. Sie hat dort nicht nur Sitz, sondern auch Stimme.

Bei ihrer öffentlichen Vorstellung im Beisein von Klose Mitte Dezember stellt sie klar, dass sie nicht gedenke, im Getriebe des Staatsapparates unterzugehen. Sie habe sich vorgenommen, zu gestalten und nicht zu verwalten, sagt sie. Aber als sie offiziell ihre Arbeit am 1. Januar 1979 aufnimmt, ist noch nicht so recht klar, was mit dem neuen Instrument erreicht werden soll. Der Aufgabenkatalog listet zwar eine Vielzahl an Themen auf, bleibt dabei aber im Abstrakten. Im Streiflicht der „Süddeutschen Zeitung" heißt es doppeldeutig: „Es ist ein konzeptionell arbeitender ‚Planungsstab‘, der ‚ins Männliche‘ hineindenken, hineinreden, hineinstören soll.“

Das Erste, was Rühmkorf anpackt, sind Statistiken. „Es gab schlichtweg kein Zahlenmaterial, in dem Frauen und Männer getrennt voneinander erfasst waren“, moniert sie später. Zudem kündigt die neue Frauenbeauftragte an, sie wolle sich in erster Linie um Probleme berufstätiger Frauen kümmern. Sie bringt die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung von Männern und Frauen ins Gespräch.

Eva Rühmkorf, das wird rasch klar, ist die Richtige für die Aufgabe. Bereits während ihres Studium der Germanistik, Theologie und Psychologie interessierte sie sich für das Thema Gleichberechtigung. Ihr Vorbild dürfte neben den Frauenrechtlerinnen Clara Zetkin und Simone de Beauvoir ihre Großmutter gewesen sein, bei der sie aufgewachsen ist. „Meine Großmutter war schon für die Abschaffung des Korsetts auf die Straße gegangen“, erzählt Rühmkorf später einmal.

Hinzu kommt, dass sie gut vernetzt ist. Seit Mitte der 50er-Jahre gehört sie der SPD an. Zudem ist sie mit dem Schriftsteller Peter Rühmkorf verheiratet. Das Paar genießt unter den Intellektuellen Deutschlands hohes Ansehen. Bisweilen werden die beiden sogar mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre verglichen.

Häusliche Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung in der Ehe und die Lage von Prostituierten sind zu jener Zeit Tabuthemen. Rühmkorf und ihr Team wollen den Frauen eine Stimme verleihen, „die sich nicht artikulieren und organisieren können“. Trotzdem wird das Amt von Anfang an auch mit dem Vorwurf konfrontiert, „ein neuer bürokratischer Apparat“ zu sein.

Ohne Frauenquote wäre sie nie Ministerin geworden, sagte sie

Eines der Kernthemen, mit dem sich Rühmkorf immer wieder beschäftigt, ist das Für und Wider einer Frauenquote. „Schon als wir anfingen, über die Quote zu diskutieren, haben ihre Gegner argumentiert, tüchtige Frauen hätten sie nicht nötig“, sagte Rühmkorf Ende der 90er-Jahre und fügte hinzu: „Ohne Quote wäre ich nie Ministerin geworden.“ Von 1988 bis 1992 ist sie in Schleswig-Holstein Kultusministerin, dann Ministerin für Bundesangelegenheiten und Stellvertreterin von Ministerpräsident Björn Engholm.

Mit Eva Rühmkorf, so schrieb „Die Zeit“ Anfang dieses Jahres, als die 77-Jährige nach langer Krankheit gestorben war, begann der „Marsch der Frauenbewegung durch die Institutionen“. Sie erkämpfte die Finanzierung von Frauenhäusern, sorgte dafür, dass Rollenklischees aus Schulbüchern entfernt wurden, und setzte durch, dass ausländische Frauen nach dem Tod ihres Mannes in Deutschland bleiben durften.

Die Bedeutung von Gleichstellungsbeauftragten hat sich indes seither verändert. Viele junge Frauen vertrauen inzwischen eher sich selbst als dem Staat. Rühmkorf hatte immer Sympathie für die Frauengeneration von heute. Trotzdem hatte sie Sorge, dass viele Dinge, die sie in den 80er-Jahren erreichte, heute gering geschätzt werden. „Es ist riskant, zu denken, dass man nicht mehr kämpfen muss“, sagte Rühmkorf einmal.