Andreas Bartmann hilft abenteuerlustigen Kunden an der Schnittstelle von Mensch und Natur. Hans-Juergen Fink besuchte den Globetrotter-Manager in Hamburg.

Spitzbergen im arktischen Februar ist kein Sehnsuchtsort für jedermann. Andreas Bartmann aber, beim Outdoor-Ausrüster Globetrotter der Mitarbeiter mit der Personalnummer 007 und heute einer von vier Geschäftsführern, bekommt leuchtende Augen, wenn er von dort erzählt, von seinem letzten größeren Trip. „Wir waren mit vier Freunden auf den Spuren der 1912 gescheiterten Schröder-Stranz-Expedition unterwegs, eine Männer-WG in der Wildnis, zwei Wochen lang, minus 25 Grad die wärmste Temperatur.“

Da lernt man die Produkte, die man zu Hause anbietet, noch mal sehr viel intensiver kennen. Zum Beispiel? „Hier im Laden sind Pinkelhilfen für Männer vielleicht so skurril wie Outdoor-Espressomaschinen. Aber wenn es eisig kalt ist und stürmt, ist man froh, wenn man dafür den Schlafsack nicht verlassen muss.“ Der Mann, der praktisch für jedes Problem, das an der Abenteuer-Schnittstelle Natur/Mensch auftreten könnte, etwas im Angebot hat, lacht.

Eine In-Group verschworener Extremreise-Fans, so hat es ja irgendwie auch angefangen. Der Hamburger Jung, Jahrgang 1959, gerät über Freunde direkt nach der Tanzstunden-Zeit an die Kletterei. „Klar, in Hamburg hätte es auch Segeln werden können. Klettern war einfach Zufall.“ So zieht es ihn bald jedes Wochenende in den Oberharz oder ins Westfälische Bergland. Er wird Mitglied im Alpenverein, dessen Hamburger Sektion die fünftgrößte in Deutschland ist. Abends sitzt man zusammen, die Erzählungen der Älteren, von Reisen nach Tibet oder Südamerika, wecken das Fernweh. Internet und Handy gibt es noch nicht. Erfahrungen werden noch mündlich weitergereicht.

Im Grunde wächst daraus bei den Firmengründern Klaus Denart und Peter Lechhart die Idee, mit dem Drang nach draußen Geld zu verdienen. Ihr erster Spezialladen für Outdoor-Bedarf entsteht 1979 an der Wandsbeker Chaussee, Höhe Wartenau. „Anfangs konnte man da kaum zwischen Kunden und Verkäufern unterscheiden.“ Bartmann ist schon am Eröffnungstag im Laden, kauft bald einen Schlafsack und ein Zelt („die Kosten dafür haben ein Freund – mein heutiger Schwager und Mitgeschäftsführer Thomas Lipke – und ich uns geteilt“). Bartmann kommt öfter, und wenn der Laden voll ist, hilft er beim Beraten und Verkaufen. 1982 zieht es den gelernten Mess- und Regeltechniker mit Wirtschaftsstudium ganz ins Outdoor-Geschäft, das Hobby wird zum Beruf, und sieben Jahre später ist er einer der Geschäftsführer.

Wenn er von seinen Reisen erzählt, schmeckt er die Erlebnisse nach. „Drei Wochen Trekking im Himalaja-Königreich Bhutan – eine Herzensangelegenheit. Dass es auf der Welt noch solche Paradiese gibt, wo man glaubt, man sei um Jahrhunderte zurückversetzt...“

Seine Frau Dorith erinnert ihn gern daran, dass sie die bessere Naturschützerin sei, weil sie gar nicht erst auf solche Reisen geht. Bartmann ist sich der Verantwortung bewusst, die man trägt, wenn man Hunderttausenden hilft, sich in entlegenen Naturgebieten zu bewegen, „da müssen wir auch aufklären, wie man sich dort verhalten sollte“. Er hat grausame Bilder vor Augen: der total überlaufene und vermüllte Mount Everest – „das sind kranke Auswüchse.“

In der Globetrotter-Outdoor-Akademie unweit von Hamburg in den Hüttener Bergen, die im Herbst ihre Pforten öffnet, kann man nicht nur lernen, sich mit dem Sea-Kajak oder dem Mountainbike zu bewegen, sondern auch den richtigen Umgang mit der Natur – wie macht man Feuer, wie baut man ein Lager auf. 50 bis 60 Trainer werden dort die unterschiedlichsten Kurse anbieten. Lernziel immer auch: Respekt vor der Natur.

Seine Reisen, oft gemeinsam mit seinem Jugendfreund Thomas Lipke, sind keine Bequem-Touren. 1985 zwei Monate durch China, damals noch sehr viel mehr Abenteuer als heute – mit dem Fahrrad, per Anhalter, mit dem Bus oder dem Boot und zurück mit der transsibirischen Eisenbahn. Oder Grönland, Nordnorwegen, Spitzbergen, die Wildnis von Nordkanada.“ Der Respekt kommt abseits der ausgetretenen Pfade von allein. In Norwegen, als er mit einem Freund weit weg von bewohnten Gebieten zu Fuß unterwegs ist, als der Herbst kommt und die Verpflegung aufgebraucht ist. Bis heute ist sein Respekt vor Lebensmitteln groß.

Das flächendeckende „Du“ der Anfangstage ist geblieben, aber aus der verschworenen Community der Extrem-Reisenden wurde ein Massenmarkt, zehn Milliarden Euro geben die Europäer jährlich für Outdoor-Ausrüstung aus, mit Zuwachsraten von fünf bis zehn Prozent. Zehn Filialen hat Globetrotter in Deutschland, dazu den Onlineshop, für den von Rahlstedt aus täglich an die 5000 Pakete auf die Reise geschickt werden. 250 Millionen Umsatz pro Jahr, „und spärliche Rendite“, sagt Bartmann. Das enorme Wachstum lockt dennoch Investoren aus der Finanzwelt. Was ihn beruhigt: „Unsere Größe, die Begeisterung und die Authentizität der Mitarbeiter – das macht uns stark.“ Er ist Mitglied im Club der Optimisten.

Für viele der praktischen Jacken und Schuhe ist zwar schon im Szene-Café Endstation oder beim Spazieren im Stadtpark. „Outdoor ist ein Lebensgefühl geworden, Freiheit, Abenteuer“, konstatiert Andreas Bartmann. „Aber unsere Kunden wollen draußen sein und sich bewegen.“ Bei Globetrotter kann man ausprobieren, was es heißt, einen 5000er zu besteigen oder in Nordnorwegen unterwegs zu sein. In den Filialen gibt es – nicht alles überall – Kältekammern, Regensimulatoren, Windmaschinen bis Windstärke 10, Druckkammern für die Simulation von Höhe und nachlassender Sauerstoffkonzentration, Taucher- und Kanubecken, oder Wärmebildkameras. Darin kann man die neue Outdoor-Jacke testen, aber auch, unter ärztlicher Aufsicht, den Faktor Mensch. Bin ich anfällig für die Höhenkrankheit? Komme ich mit beißender Kälte klar?

Wer es dann nicht ganz so extrem will, ist vielleicht im neuen Blockhaus-Feriendorf im Westharz besser aufgehoben, das kleine Abenteuer zwischendurch, an dem die ganze Familie teilhaben kann – auch daran ist Globetrotter beteiligt. Warum? „Viele haben doch verlernt, die Schönheiten vor der eigenen Tür zu sehen.“

Seine Familie hat Bartmanns Abenteuerlust ein bisschen bremsen können. Als er gerade ein Angebot hatte, ein Jahr lang beim Aufbau einer Antarktisstation zu helfen, vor Ort, war er jung und verliebt. Ein starkes Argument, in Hamburg zu bleiben. Fürs kommende Jahr hat er seine Frau dann doch zu einem Antarktis-Trip überredet: auf der MS „Bremen“, organisiert von dem Naturfotografen Michael Poliza.

Andreas Bartmann ist einer der Geschäftsmänner, denen das Wohl der Gesellschaft viel bedeutet. Er engagiert sich seit zehn Jahren in der Handelskammer, wo er Vize-Präses ist. „Wenn man auf Reisen andere Zustände sieht, lernt man die Freiheit hier in Hamburg so richtig schätzen. Dann muss man auch etwas dafür tun.“ So wie mit der Globetrotter-Stiftung, die inzwischen an die 50 soziale Projekte in Hamburg kräftig unterstützt und das nicht an die große Glocke hängt. „Vielleicht sind wir da etwas zu hanseatisch“, sagt er.

Auch wenn er inzwischen bei seinen Reisen spürt, dass er nicht mehr 20 ist: Das Fernweh lässt ihn nicht los. Sein größter Traum – „und das mach ich auch“ – sind ein paar Wochen in der Mongolei, unterwegs sein mit Nomaden, die unendliche Natur spüren und ihren Rhythmus. „Man kommt anders zurück, etwas demütiger gegenüber dem Leben und der Natur.“

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbild gelten. Andreas Bartmann bekam den Faden von Michael Eggenschwiler und gibt ihn an Doris Tito weiter.