Maja Stadler-Euler hat schon als Anwältin und Politikerin viele Schlachten geschlagen. Als Kunstliebhaberin ringt sie vor allem um eine bessere Ausstattung von Theatern, Museen und Orchestern.

Vielleicht ist Neugier eine ihrer herausragendsten Eigenschaften. Wer die Anwältin und Kunstliebhaberin Maja Stadler-Euler beispielsweise auf dem Flughafen im Wartebereich trifft, kann damit rechnen, von ihr angestrahlt und angesprochen zu werden: „Das interessiert mich jetzt aber, was lesen Sie denn da gerade?“ Einfach nur die Zeit totschlagen, das geht bei ihr nicht. Und schüchtern ist die lebensfrohe und kontaktfreudige zierliche Frau auch nicht. Da sie von Natur aus freundlich und offen ist, fühlt man sich durch solcherart Kontaktaufnahme auch nicht belästigt, sondern sieht es als Aufforderung zu einem Gespräch an. Das kann bei Maja Stadler-Euler viele Richtungen einschlagen. Ob bildende Kunst oder Theater, die weltpolitische Lage, Hunde, Mode, Italien, London, Frankreich, die Frage, welche Zukunft die FDP hat, wohin die SPD steuert oder ob die Kanzlerin alles Nötige zum Datenschutz tut – Maja Stadler-Euler unterhält sich über all dies gerne und gern auch kontrovers.

Die junge Juristin brachte in Karlsruhe das Volkszählungsgesetz 1983 zu Fall

Insbesondere über das Thema Datenschutz natürlich. Denn deutschlandweit bekannt geworden ist die Hamburger Anwältin 1983, als sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Gisela Wild vor dem Karlsruher Verfassungsgericht ein Urteil erstritt, das die geplante Volkszählung verbot. Das Urteil gilt als Meilenstein des Datenschutzes. Wie es dazu kam? „Ich war 1982 zu einer Podiumsdiskussion über das Gesetz ins Audimax eingeladen“, erzählt Maja Stadler-Euler. „Die Stimmung glich einem Hexenkessel. Ich habe sofort gemerkt, dass sich da ein Volkswiderstand zusammenbraut. Am nächsten Tag habe ich mit Gisela Wild in der Kanzlei beschlossen, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen. In zehn Tagen hatten wir alles fertig. Als wir nach Karlsruhe kamen, saßen auf der linken Seite des Gerichts die Beklagten, Hunderte Beamte, die uns grimmig anschauten. Auf unserer Seite gab es nur uns zwei. Dass wir gewinnen würden, damit hatte niemand gerechnet. Unsere Rückfahrt nach Hamburg war ein regelrechter Triumphzug.“

Als Maja Stadler-Euler das Verfassungsgerichtsurteil erstritt, war sie in Hamburg längst stadtbekannt. Nach dem Jurastudium war die junge Referendarin in die Politik gegangen. „Mein Referendariat hätte ich erst nach einem Jahr Warten antreten können. Da war ich ziemlich frustriert, hab überlegt, was ich machen könne, und bin im Frühjahr 1969 zur Bürgerschaftsfraktion der SPD ins Rathaus marschiert. Dort habe ich gesagt: ‚Ich möchte euch im Bundestagswahlkampf helfen.‘ Die haben mich komisch angeguckt und gefragt, ob ich SPD-Mitglied sei. ‚Nein‘, hab’ ich gesagt, ‚aber was nicht ist, kann ja noch werden.‘ ‚Tut uns leid‘, hieß die Antwort, ‚so nah lassen wir niemanden an uns ran, der nicht in der Partei ist.‘“ Dann ging sie eine Tür weiter, zur FDP. „Dort wollten sie mich zwar nicht für die Bürgerschaftsfraktion arbeiten lassen, aber sie haben mich zum Landesvorsitzenden Herman F. Arning geschickt.“ Die beiden verstanden sich sofort, schließlich kann Maja Stadler-Euler auch sehr charmant sein. „Aber ungeduldig bin ich auch. Wenn ich etwas nicht schnell erreiche, lasse ich es sein“, sagt sie. Sie war dann „für ganz wenig Geld Mädchen für alles“. Eine Bäderreise mit Walter Scheel stand auch auf ihrem Programm. „Ich musste an unserem Infostand immer den Sonnenschirm aufstellen, aber da es ununterbrochen geregnet hat und sowieso nie ein Mensch kam, war das leicht“, erzählt sie.

Maja Stadler-Eulers Vater, August-Martin Euler, war ein wichtiger deutscher FDP-Politiker. „Wir kamen aus Nordhessen. Mein Vater wurde 1958 von Adenauer zu Euratom nach Brüssel geschickt, einer internationalen Atomgemeinschaft.“ Für die beiden behüteten Teenager-Töchter Maja und Ellinor war das ein Sprung in die große weite Welt. „Dort habe ich mein Interesse für Kultur entdeckt“, sagt Maja Stadler-Euler heute. Die Brüsseler Oper, Ballettchef Maurice Béjart, die großen Museen – all das gehörte fortan zum Freizeitprogramm der Familie, die sehr kunstsinnig war. „Solange ich denken kann, haben meine Eltern uns angeregt“. Zur Belohnung ging’s im Winter ins Kino, im Sommer ins Schwimmbad. „Belgier sind sehr liberal, das fand ich großartig. Selbst unser Hund fühlte sich in Brüssel wohl“, sagt die Anwältin. „Brüssel war die Probebühne für Paris, wo sich die internationale Kunstwelt traf. Auch mein Interesse für Mode habe ich dort entdeckt.“

Als Vertraute ihres Vaters habe sie sehr viel mit ihm diskutiert, aber „er war ein sehr konservativer Mann und großartiger Redner“. So hat sie früh gelernt, ihre Meinung mit den richtigen Argumenten zu vertreten und sich etwas zu trauen. Spätestens beim Jura-Studium in Lausanne kam ihr das zugute. Ihr Vater hatte ihr zu dem Studium geraten, weil man „fast alles damit anfangen kann“. Sie wollte damals eigentlich schon „in die Kultur“, aber es gab zu wenige Jobs. In Lausanne lernte sie ihren späteren Ehemann Reiner Stadler kennen, mit dem sie von da an ihr Kulturprogramm und die vielen Feiern gemeinsam machte. „Ich wohnte in einem Haus, das Amerikanern gehörte, die viel auf Reisen waren. Ich sollte auf den Königspudel aufpassen, den ich geliebt habe. Zur Belohnung durfte ich deren Porsche fahren und ihre Skihütte benutzen. Wir hatten immer einen Rattenschwanz von Leuten hinter uns. Da war ordentlich was los“, erzählt sie.

Nach ein paar Semestern ging’s zum Studium nach Berlin, wo ihr Interesse fürs Theater erwachte. „Wir waren nur unterwegs, mein etwas langweiliges Jura-Studium hat ein bisschen gelitten“, erzählt sie. „Wir haben uns dann nach Bonn gemeldet, dort waren wir weniger abgelenkt. Ich war eine von vier Studentinnen unter 500 männlichen Studenten. Unser Repetitor hat sich ständig über uns lustig gemacht, mit Sprüchen wie: ,Sie heiraten doch sowieso, was brauchen Sie ein Jura-Studium?‘“ In Bonn lernte sie auch ihren Freund Uli Wickert kennen. Seine Eltern wohnten in Bad Godesberg, „das war sehr praktisch. Und rasant voneinander abgeschrieben haben wir auch.“

Das Examen bestand sie erwartungsgemäß – und im Gegensatz zu ihrem Mann – nicht sonderlich gut. Zum Referendariat meldeten sich beide nach Hamburg, „wir wollten nur in eine Großstadt“. Vorher ging’s für Stadler-Euler noch mal nach Brüssel. Sie hatte von Euratom einen Vertrag bekommen. Es war eine aufregende Zeit, denn sie hat die Mai-Unruhen aus Paris aus nächster Nähe miterlebt. Leider habe sie damals nicht angefangen, Kunst zu sammeln. „Wir hatten zwar kein Geld, aber es gab noch sehr aufregende Kunst zu Spottpreisen.“

In Hamburg bekam Stadler-Euler ein Angebot, Geschäftsführerin des Landesverbandes der FDP zu werden, obwohl sie noch kein Parteimitglied war. In ganz Deutschland kannte man keine weibliche Geschäftsführerin einer Partei, „es gab unheimliche Widerstände dagegen“, erzählt sie. „Ich war sehr links. Man hat dann nicht daran herumgemäkelt, dass ich eine Frau bin. Man hat meine politische Haltung zum Anlass genommen.“ Außerdem war sie jung, 32 Jahre alt und ohne große Erfahrung. „Aber ich war wild entschlossen. Auch, weil sie mir das nicht zugetraut haben. Ich hatte Feuer, und ich wollte die Welt verändern.“ Sie musste dann vor allem Säle organisieren, Plakate kleben und reparieren.

Beim Gärtner Cornils in Altona lieh sie sich einen Laster, „nachts, wenn er ihn nicht brauchte“, und fuhr damit die in Hamburg aufgestellten Plakate ab. Ihr kam zugute, dass sie immer neugierig auf Menschen war. „Ich bin zum Beispiel wahnsinnig gerne sonnabends früh an die Infostände gegangen, um mit den Leuten zu quatschen.“ Bei der Bürgerschaftswahl 1970 war sie bereits als Geschäftsführerin etabliert. Stadler-Euler wurde Assistentin der Fraktion, ließ sich als Referendarin zurückstellen. Schnell wurde sie sehr einflussreich. „Ich war gut vernetzt, habe die Intrigen schnell durchschaut und hatte viele Freunde außerhalb der Partei, durch die ich immer wusste, was in der Gesellschaft lief.“ Nach der Wahl 1974, bei der die FDP gut abschnitt, wurde sie Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, später Fraktionsvorsitzende. Und ihr Zweites Staatsexamen hat sie in der Zeit auch noch gemacht.

Ihre Zeit in der Bürgerschaft war spannend. Zäh hat sie um Geld für die Kultur gekämpft, aber „wir haben hauptsächlich die Innenpolitik beackert, haben als Erste für eine parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes gestritten“. Und die wenigen Frauen, die es damals in der Bürgerschaft gab, haben über die Parteigrenzen hinaus zusammengehalten. Sie habe auch Fehler in der Politik gemacht, sagt sie, habe oft zu spontan entschieden. „Man muss vor jeder Aktion richtig abschätzen können, ob die Schlacht zu gewinnen ist“, sagt sie heute. „Ich war damals zu jung und zu ungestüm dafür. Das war mein Fehler.“

1978 hat die FDP die Bürgerschaftswahl verloren. „Ich kann Niederlagen einstecken, weil ich davon überzeugt bin, dass sie mich stark machen“, sagt sie. Für Stadler-Euler stellte sich die Frage: „Was machst du jetzt?“. Sie ging in eine Großkanzlei, zu TaylorWessing, wo sie heute noch ihr Büro hat. Eines der schönsten von Hamburg vielleicht, mit Blick aus dem 20. Stock in der HafenCity auf die ganze Stadt. „Dort habe ich mich durchgebissen und bin 1982 Partnerin geworden“. Aus der FDP war sie da schon ausgetreten, wegen deren Wende zur CDU. Einen großen Coup hat sie noch einmal gelandet: Sie gehörte jenem Senat des Hamburger Verfassungsgerichtes an, der 1993 eine Bürgerschaftswahl für ungültig erklärte, weil die CDU ihre Kandidaten nicht demokratisch gewählt hatte.

Zwölf Jahre saß sie im Aufsichtsrat des Schauspielhauses, neun Jahre war sie Vorsitzende des Kunstvereins. Die Kunst hat es ihr bis heute angetan, sie sitzt im Beirat der Hamburger Symphoniker. Maja Stadler-Euler setzt sich in den Zug, wenn in Berlin Galerie-Wochenende ist, sie fährt zur Biennale nach Venedig, klappert regelmäßig die Hamburger Galerien ab, geht zu vielen Ausstellungseröffnungen und ist im Aufsichtsrat der Deichtorhallen. Jede große Premiere an den Hamburger Theatern besucht sie sowieso. Am Wochenende geht sie ins Kino oder liest die neuesten Romane. Sie kümmert sich um Freunde, die eine Wohnung suchen, passt auf den Hund einer Freundin auf, lädt sich Gäste ein. „Ich bin der Ansicht, dass Hamburg viel zu wenig für die Kultur tut.“ Zur Ruhe zu kommen ist nicht so ihr Ding. Dafür ist sie zu neugierig.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbildgelten. Maja Stadler-Euler bekam den Faden von Daniel Kühnel und gibt ihn an Katharina Trebitsch weiter.