Vor 50 Jahren trafen der HSV und der FC St. Pauli zum letzten Mal in der Oberliga aufeinander. Ein Mann denkt sehr ungern daran zurück.

Der Zusammenprall war heftig. Vor 13.945 Zuschauern am Rothenbaum lief die 19. Spielminute, als HSV-Torwart Horst Schnoor einen Ball in höchster Gefahr nach vorne schlug. St. Paulis Stürmer Peter "Oschi" Osterhoff kam um den Bruchteil einer Sekunde zu spät, streckte seinen Fuß nach vorne und traf den HSV-Keeper empfindlich. Schnoor wälzte sich vor Schmerzen auf dem Schneeboden. Es dauerte einige Zeit, bis ihn sein Mitspieler Hubert Stapelfeldt wieder auf die Beine stellte. Als Schiedsrichter Werner Spiewak (Barmbek-Uhlenhorst) das Spiel wieder freigab, biss Schnoor die Zähne zusammen und humpelte fortan durch seinen Torraum. In der Halbzeitpause wurde er dann von Vereinsarzt Kurt Fischer intensiv behandelt.

Das geschah vor 50 Jahren, am 17. Februar 1963, ein halbes Jahr vor Einführung der Fußball-Bundesliga. Es war das letzte Hamburger Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli in der Oberliga Nord.

Horst Schnoor denkt an den Zwischenfall höchst ungern zurück: "In der Halbzeit erhielt ich schmerzstillende Spritzen, und ich musste in einen riesigen Fußballstiefel meines Kollegen Ernst Kreuz schlüpfen, der Schuhgröße 48 trug. Bis zum Schlusspfiff konnte ich nur humpeln, nach dem Spiel wurden dann ein fünffacher Bruch des Mittelfußes und ein Zehenbruch festgestellt." Einen Monat trug der Torwart Gips. Kleiner Trost am Rande: Der HSV gewann 3:2. Und das trotz der Tatsache, dass zu Beginn der zweiten Halbzeit Stopper Stapelfeldt für fünf Minuten das HSV-Tor hüten musste, weil Schnoors Behandlung deutlich länger gedauert hatte als die übliche Halbzeitpause. Weil seinerzeit Auswechslungen im Fußball nicht erlaubt waren, kehrte der verletzte HSV-Keeper schließlich wieder ins Tor zurück.

Zwei Monate lang musste Schnoor pausieren, der zuvor in zehn Jahren als Nummer eins seines Clubs nie schwer verletzt war. Den Tritt von damals hat er nicht vergessen: "Ich hätte mich selbstverständlich für so ein Foul entschuldigt. Aber ich habe nie eine Entschuldigung erhalten."

Eine Ausnahme, denn trotz der großen Rivalität zwischen dem HSV und St. Pauli kamen die meisten Spieler vor und nach den Spielen gut miteinander aus. Und noch heute gibt es jedes Jahr ein freundschaftliches Oldie-Treffen beider Vereine. Das nächste, organisiert wie immer vom ehemaligen St.-Pauli-Verteidiger Herbert Kühl, findet am 24. März statt. Hamburgs Fußballidol Uwe Seeler nennt es einen "Kaffeeklatsch" unter Freunden: "In den Derbys ging es zwar immer sehr hart zu, aber trotz allem haben wir uns gut verstanden. Nach den Spielen gab man sich die Hand, damit war alles, was in den 90 Minuten zuvor geschehen war, abgehakt und vergessen."

Zwei besondere Heißsporne allerdings lieferten sich in diesen Derbys auch abseits des Geschehens stets hitzige Duelle: Dieter Seeler vom HSV und St. Paulis Werner Pokropp. Der Ball konnte sich auf der Rechtsaußen-Position des HSV befinden, da kam es in der anderen Spielfeldhälfte schon mal zu Rangeleien. Heute, bei der flächendeckenden Kamera-Präsenz, wären solche Privatduelle undenkbar. "Da trafen auch zwei besondere Giftnickel aufeinander", erinnert sich Herbert Kühl. Uwe Seeler aber stellt klar: "Das gab es, doch auch das war nachher kein Thema mehr - die beiden Jungs haben sich eben gerne mal etwas um die Ohren gegeben - auch mit Worten ..."

Unter den Fans ging es damals wesentlich friedlicher zu als heute. Und gab es einmal tatsächlich Ärger, dann schritt der "gute Geist" des HSV ein, Heinrich "Seppl" Derkum, der aus dem Innenraum heraus jeden Zuschauer bestens im Blick hatte. Bei "Seppl", als Betreuer und "Mädchen für alles" damals so beliebt wie heute HSV-Kultmasseur Hermann Rieger, parierten alle. Randale war ein Fremdwort.

Die Spiele verliefen friedlich, oft sogar auch mit einem Schuss Humor: HSV-Linksaußen Gert "Charly" Dörfel fand zur Freude der Zuschauer gelegentlich die Zeit, Fans in den ersten Reihen per Handschlag zu begrüßen - während des Spiels! Er verteilte sogar manchmal Bonbons oder Kaugummi. Dörfel rückblickend: "Rivalität ja, Brutalität nein. Die Fans wollten Fußball sehen und sich nicht gegenseitig verkloppen." Dörfels Gegenspieler Kühl sagt: "Jeder wollte gewinnen, ganz klar, aber wenn es eine gelungene Aktion gab, dann applaudierten auch die gegnerischen Fans." Und Uwe Seeler erinnert sich: "Das lief damals sportlich fair ab, ohne die Probleme, die es heute gibt. Ich drücke dem Fußball die Daumen, dass Eltern bald wieder den Mut finden, mit ihren Kindern ins Stadion zu gehen."