Wurstfabrikantin Kristin Schwarz hat sich durchgesetzt in einer Welt, die von Männern dominiert wird. Iris Hellmuth hat sie getroffen.

Vielleicht ist es mit der Wurst wie mit dem Autofahren. Da dachten die Männer ja auch, dass sie das besser können, bis die Versicherungen den Frauen die besseren Tarife anboten, was man jetzt nicht direkt auf die Wurst übertragen kann - außer dass auch hier die Männer dominieren.

Noch.

Wer in Sachen Wurst in die Zukunft blicken will, der fährt am besten nach Neu Wulmstorf. Hier sitzt das Unternehmen Schwarz Cranz. Es ist die einzige Wurstfabrik in Deutschland, die von einer Frau geführt wird, und wer jetzt keine Klischeebilder von Frauen an Fleischtheken im Kopf hat, der lügt.

Kristin Schwarz ist anders. Und das ist manchmal so unbegreiflich, dass man in Gedanken abschweift und sich fragt, ob sie das wirklich macht: Wurst. Nicht Klamotten, nicht Kosmetik. Nein, Wurst. Hat sie schon einmal zugesehen, wenn geschlachtet wird? "Ja", sagt sie, "ich habe mir das in einem Betrieb angeschaut und muss sagen, dass ich das auf Dauer nicht verkraften könnte, das sage ich ganz ehrlich."

Manchmal wirkt Kristin Schwarz scheu, aus der Öffentlichkeit hat sie sich bislang so gut wie möglich herausgehalten. Sie ist Millionenunternehmerin in einer Branche, die in den vergangenen Jahren viele Krisen überstehen musste. Und sie ist Mutter von zwei Söhnen, neun und fünf Jahre alt.

Kristin Schwarz lacht viel, wenn sie über ihr Leben als Wurstfabrikantin erzählt. Manchmal legt sie dabei ihre Hände auf das Gesicht und schüttelt den Kopf, sie erzählt von ihrem Mann, der Gynäkologe ist, und ihrem neunjährigen Sohn, der in der Schule einmal beschreiben sollte, was die Eltern beruflich machen. "Er sagte dann: Papa macht Frauen heil, und Mama macht Wurst", hört man sie sagen, denn ihr Gesicht ist jetzt ganz hinter den Händen verschwunden, und ihr Körper wird vom Lachen nur so durchgeschüttelt. Im Grunde hätte es für Kristin Schwarz nicht besser laufen können. Seit 2009 ist sie alleinige Gesellschafterin von Schwarz Cranz, vor fast 15 Jahren ist sie in den Familienbetrieb eingestiegen. Ein Altländer Traditionsunternehmen, das nicht nur Schinken herstellt, sondern auch Salami, Wiener, Mortadella oder Cabanossi. Wurst eben. Im Vokabular von Kristin Schwarz klingt das anders. Da geht es um Roh- oder Kochpökelwaren, ihre Hände streicheln über die Fotos im Produktkatalog, und man fragt sich, ob das schon immer so war - ob sie schon als Kind eine Liebe zur Wurst gespürt hat.

Sie schaut einen sehr fragend an. "Eine Liebe?", wiederholt sie und streicht sich die Haare aus dem Gesicht, sie schüttelt den Kopf. "Na ja, also, Wurst an sich ... Natürlich esse ich Wurst, aber abends auch eigentlich lieber Käse, und ich brauche auch nicht jeden Tag ein Stück Fleisch." Erst zum Ende des Gesprächs wird einem klar, dass dieser Satz typisch ist für Kristin Schwarz. Sie gibt nicht vor, etwas zu sein, das sie nicht ist oder isst. Es ist dieses Unternehmen mit seiner 160-jährigen Geschichte, das ihr am Herzen liegt. Es sind die 700 Mitarbeiter. Und das Ziel, es als Frau in dieser Branche ganz nach oben zu schaffen.

Keine andere Welt ist bis heute so fest in männlicher Hand wie die Wurstherstellung. Platzhirsche wie Uli Hoeneß oder Clemens Tönnies dominieren sie, starke Unternehmer, die auch anderswo nach der Macht streben, zum Beispiel im Fußball. Wenn man mit Kristin Schwarz über ihre Branche spricht, dann fallen immer wieder die Worte "kalt" und "nass", zum einen weil es sich so nun einmal anfühlt im Innern einer Wurstfabrik. Vielleicht aber auch der eine oder andere Händedruck unter Geschäftspartnern. Kristin Schwarz spricht nicht über die rauen Sitten ihrer Branche. Sie sagt aber Sätze wie: "Manchmal hat es mich an den Rand des körperlich Aushaltbaren geführt." Und tatsächlich kann man nur ahnen, wie sie auf die ganzen Metzger, die Kunden und Lieferanten gewirkt haben muss, als sie frisch von der Uni kam. "All die vermeintlichen Vorteile, die man Frauen im Beruf immer unterstellt, die waren für mich eher Nachteile", sagt Kristin Schwarz.

Sie war ein Teenager, als sie zum ersten Mal den Drang ins eigene Unternehmen spürte, in den Ferien bediente sie Kunden und half an der Kasse, dem Vater gefiel das, aber die Leute im Ort begannen zu reden. Das hätten sie nicht, wäre Kristin ein Kristian gewesen. "Ja, Paul-Otto, der hat zwei Mädchen", sagten sie also, Kristin Schwarz erinnert sich noch sehr genau an diesen Satz. "Und das nimmt einen dann irgendwie mit", sagt sie und schaut ganz ruhig vor sich auf die Tischplatte. "Und ich glaube, dass es diese Situation war, die in mir den Trotz geweckt hat zu sagen: Das kann doch nicht wahr sein, du musst jetzt irgendwie beweisen, dass du das kannst. Das ist doch alles total ungerecht."

Es klingt vielleicht ein bisschen platt, aber tatsächlich ging es im Leben von Kristin Schwarz von diesem Moment an nur noch um die Wurst. Sie studierte BWL in Berlin, 1999 stieg sie ins Familienunternehmen ein. Generationenumbrüche gehören zum Schwierigsten, was es im Mittelstand zu bewältigen gibt, immer wieder hört man von Betrieben, die es nicht schaffen. Weil die Patriarchen nicht von der Macht lassen und die Jungen zu ungestüm sind. Hinzu kommt der raue Ton, der harte Verdrängungswettbewerb in der Fleisch verarbeitenden Industrie. "Auf dem Markt gibt es ja mehr Wurstfabriken, als einem lieb sein kann", sagt Kristin Schwarz. "Die arbeiten mit Dumpingpreisen, da wird einem ganz anders."

Und das sagt sie nicht nur als Unternehmerin. Sondern auch als Verbraucherin, als Mutter, die selbst zwei kleine Wurstesser zu Hause sitzen hat. Da ist die Qualität von Lebensmitteln zwangsläufig ein Thema. "Ich möchte nicht irgendwann in den Schlagzeilen stehen, weil wir Zusatzstoffe verwendet haben, die in einer Wurst nichts zu suchen haben." In den Produkten von Schwarz Cranz gibt es keine Geschmacksverstärker, keine Aromen. Und Zuckerstoffe nur dort, wo man nicht auf sie verzichten kann, in Bratwürsten etwa, die in der Pfanne braun werden sollen. Dass es bis dahin ein weiter Weg war, ist eine andere Geschichte. Kristin Schwarz hat er viel Kraft gekostet. Weil es eben auch einmal dazugehörte, dem Vater zu sagen, er möge bitte den Kittel schließen, wenn er durch die eigene Fabrik geht.

Und die Metzger? Da muss Kristin Schwarz wieder lachen. "Ja, das waren auch so Momente. Da musste ich erst mal eine ganze Reihe von Testfragen beantworten. Warum ist denn eine Salami überhaupt rot, was macht denn hier der kleine Punkt, und was ist das dort, ist das ein Kunstdarm? Und was gibt es denn noch für Därme, in die man eine Schinkenfleischwurst füllen kann ...?"

Und sie? Tat gar nicht so, als würde sie alles wissen. Fragte stattdessen mal nach. Das fanden die Männer gut, und heute rechnet es ihr jeder Mitarbeiter hoch an, dass sie den Betrieb so früh fit gemacht hat für die Zukunft. Niemand muss hier Angst vor einer unangekündigten Lebensmittelkontrolle haben. Es ging Kristin Schwarz halt nicht nur um die Wurst. Sondern um das, was irgendwann davon bleibt. Sollte es tatsächlich so etwas geben wie die Waffen einer Frau, dann könnte genau das damit gemeint sein.

Der Rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Kristin Schwarz bekam den roten Faden von Joja Wendt und gibt ihn weiter an den Rechtsanwalt Jörg Paura