Kirche

Begleiter auf dem Weg in den Himmel

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Die Heiligen der katholischen Kirche können Menschen Orientierung geben, denn ihr Leben ist exemplarisch für vorbildliche Christen, meint Helmut Röhrbein-Viehoff

Heilige – das sind für den Apostel Paulus alle Christen in den von ihm gegründeten Gemeinden. So adressiert er zum Beispiel seinen 2. Brief an die Korinther „an alle Heiligen in ganz Achaia“ oder den Philipper-Brief „an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind“. Es geht also nicht um wenige Einzelne, sondern um alle in ihrer Gesamtheit, um die „Gemeinschaft der Heiligen“, von der das christliche Glaubensbekenntnis spricht. Sie alle eint, dass sie „in Christus Jesus sind“ – also zu Jesus gehören und durch ihn zu Gott.

Heilige sind keine religiösen oder moralischen Hochleistungssportler, sondern Menschen wie du und ich. Sie haben Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen. Sie durchleben Höhen und Tiefen, Glaube und Zweifel. Sie sind nicht perfekt; ja, sie sündigen auch. Aber sie sind – wie der Münsteraner Theologe Adolf Exeler mal gesagt hat – „aufgeschlossene Sünder“. Ja, auch Heilige sind Sünder – aber eben nicht in sich verschlossen, sondern zu Gott hin geöffnet! Sie sind wie Fenster zum Himmel; in ihnen spiegelt sich die göttliche Gnade, die jeden Menschen groß sein lässt.

Wir müssen die Heiligen also nicht auf den Sockel stellen, um sie zu verehren. Wir müssen uns vor ihnen nicht kleinmachen und schon gar nicht verstecken. Wir können uns vielmehr an ihnen auf- und ausrichten. Sie geben unserem Leben Orientierung.

An den Heiligen können wir ablesen, was Gott mit uns vorhat. Gott hat den Menschen als sein Ebenbild geschaffen: als ein Wesen, das ihm entspricht. Heilige haben auf diesen Ruf geantwortet – mit ihrer ganzen Existenz. Sie repräsentieren beispielhaft, wozu wir alle berufen sind: Söhne und Töchter Gottes zu sein. Diese „Gotteskindschaft“ zu leben ist das Schönste, was einem Menschen passieren kann! Die Heiligen zeigen uns, dass und wie es geht.

Einige der ungezählten und namenlosen Heiligen hat die Kirche ausdrücklich „heiliggesprochen“ und „zur Ehre der Altäre erhoben“. Sie bestätigt damit, dass diese Menschen – durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch – das Ziel ihres Lebens erreicht haben: Sie sind bei Gott angekommen. Sie will damit sagen: Dieses Leben ist exemplarisch für den Christen. Es kann als Modell verstanden werden für die Nachfolge Christi.

Nicht jeder von uns ist zum Märtyrer oder zur „Mutter Teresa“ berufen

Hier im Norden wären das die vier „Lübecker Märtyrer“: Am 10. November 1943 wurden vier Lübecker Geistliche, der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink und die katholischen Kapläne Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek, im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis mit dem Fallbeil hingerichtet. Der nationalsozialistische Volksgerichtshof hatte sie im Sommer 1943 wegen „Wehrkraftzersetzung, Heimtücke, Feindbegünstigung und Abhören von Feindsendern“ zum Tode verurteilt. Angeregt durch die Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August von Galen hatten sie das nationalsozialistische Unrecht beim Namen genannt.

Nicht jeder von uns ist zum Märtyrer geboren. Aber etwas Mut zum Widerspruch und Widerstand, wo Unrecht geschieht, täten der Kirche und der Gesellschaft insgesamt sicherlich gut. Der Blick auf das Vorbild der Heiligen kann diesen Mut stärken. Und auch zur „Mutter Teresa“ ist nicht jede von uns berufen. Es hätte auch keinen Sinn, sie kopieren oder imitieren zu wollen. Aber auch hier gilt: Etwas mehr absichtslose Zuwendung zu den Ärmsten und Schwächsten in der Gesellschaft täte uns allen gut. Denn am Ende unseres Lebens, beim „Jüngsten Gericht“, werden wir ja nicht gefragt „Was hast du alles geglaubt?“, sondern „Was hast du den Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan?“ (vgl. Matthäusevangelium Kapitel 25, Vers 40).

Weitere volkstümliche Heilige wären Nikolaus von Myra, Martin von Tours, Elisabeth von Thüringen, Katharina von Siena, Birgitta von Schweden oder Antonius von Padua. Aus neuerer Zeit wären hier auch Maximilian Kolbe, Edith Stein, Franz Jägerstätter und Óscar Romero zu nennen. Einen besonderen Fall bietet die gerade heute äußerst populäre Hildegard von Bingen (1098–1179). Sie wurde schon über 800 Jahre lang als Heilige verehrt, bis sie schließlich vom deutschen Papst Benedikt XVI. im Jahr 2012 für die ganze Kirche offiziell heiliggesprochen wurde.

Aber niemand – auch kein Katholik – muss die Heiligen verehren. Das Trienter Konzil (Mitte des 16. Jahrhunderts) nennt die Heiligenverehrung zwar „gut und nützlich“, schreibt sie jedoch nicht vor. Katholiken beten die Heiligen auch nicht an – das wäre ein Missverständnis. Sie beten vielleicht zu den Heiligen, rufen sie um Fürbitte an – so wie jemand in einer wichtigen Angelegenheit einen Freund oder eine Freundin um Beistand und Fürbitte bitten kann.

Niemals aber dürfen die Heiligen dabei den Blick auf Gott verstellen. Sie sind vielmehr Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter auf dem Weg zu Gott. Zusammen mit ihnen – über Raum und Zeit hinweg – sind wir unterwegs, als „aufgeschlossene Sünder“ in der „Gemeinschaft der Heiligen“.

Der Autor ist Pastoralreferent am Kleinen Michel und Lehrbeauftragter am Institut für Katholische Theologie der Universität Hamburg.

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