Kirche

Weg mit dem alten Ballast

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Ann-Britt Petersen

Die Aufbruchstimmung zum Jahresbeginn kann neuen Schwung ins Leben bringen. Tipps für den inneren Frühjahrsputz

Auch wenn es bis zum kalendarischen Frühlingsanfang noch etwas hin ist: Viele Menschen sehnen sich schon jetzt in der noch grauen Winterzeit nach Licht und längeren Tagen. Es macht sich eine Aufbruchstimmung breit, die wieder zu mehr Aktivitäten anregt, wie dem traditionellen Frühjahrsputz. Wie man die Zeit auch für sich nutzen kann, erklärt Christof Jaeger, Pastor, Diplom-Psychologe und Leiter der Studentischen Telefonseelsorge.

1Wie können wir den Drang zum Frühjahrsputz fürs innere Erleben nutzen?

Das Frühjahr ist oft ein Impuls für Besinnung und eventuelle Veränderung. Wenn das Leben um uns herum erwacht, erleben wir das als Aufbruchstimmung und sind dann auch motivierter, etwas anzugehen. Das fängt bei vielen mit dem klassischen Aufräumen in den eigenen vier Wänden an. Man hat das Bedürfnis, wieder Schwung in das eigene Leben zu bringen. Dazu passt auch ein innerer Frühjahrsputz. Man kann mal schauen: Wie sieht es denn bei mir aus? Was tue ich? Gibt es Dinge, die ich ändern will? Um das anzugehen, brauche ich Zeit und Muße.

2Was können das für Pläne sein?

Man kann nach den eigenen Werten schauen und sich fragen: Was ist mir grundsätzlich wichtig in meinem Leben? Das kann etwa die eigene Familie sein, für die ich mehr da sein will. Oder ich habe meine Ausbildung beendet, möchte aber noch mehr lernen in meinem Leben. Oder es gibt Dinge, die ich immer wieder verschoben habe, zum Beispiel ein klärendes Gespräch mit meinem Vater. Dann könnte ich mir die Zeit nehmen, um zu überlegen, wie ich das angehe.

3Wie schützt man sich vor Überforderung?

Ein Fernziel ist ja ganz schnell da, zum Beispiel der Wunsch nach einer Topfigur. Aber wenn man die letzten Jahre kaum Sport gemacht hat, dann führt das schnell zur Enttäuschung. Deswegen sollte man sich klarmachen, das ist das Fernziel, aber was steckt dahinter? Vielleicht ist es das Bedürfnis, etwas Gutes für die Gesundheit zu tun, fitter zu werden. Dann sollte man mit kleinen Schritten starten, die leichter umzusetzen sind, also zum Beispiel mit einer halben Stunde Spazierengehen am Tag. Groß angelegte Ziele sind schwer zu erreichen. Man braucht ja auch Zeit und Energie für andere Dinge im Leben wie Familie oder Freunde. Das sollte man auch würdigen.

4Was hilft, wenn man sich nicht auf­raffen kann?

Wenn man die winterliche Lethargie überwinden will, dann sollte man am besten etwas tun, von dem man weiß, dass es einem eigentlich Spaß macht, auch wenn es sich erst noch nicht so anfühlt. Wenn ich etwa gerne wieder mehr draußen sein möchte, könnte ich laufen gehen oder regelmäßig Rad fahren. Der Körper ist die Bewegung ja nicht mehr gewohnt, aber nach einer gewissen Zeit bekommt er Routine, dann macht es auch wieder Spaß.

5Und wenn ich mir richtig große Pläne vorgenommen habe?

Schon bei kleinen Vorhaben hilft es, wenn man das nicht allein macht und Menschen aus dem Umfeld mit einbezieht, zum Beispiel eine Laufgemeinschaft gründet. Und besonders für radikale Veränderungen, wie zum Beispiel einen Jobwechsel sollte man sich Gesprächspartner suchen. Das kann innerbetrieblich sein oder extern im Freundeskreis. Auch ein Coaching oder eine Beratungsstelle können helfen, um gemeinsam zu überlegen: Wie kann die Strategie für meinen Plan aussehen? Dabei sollte man das spontane Aufbruch­gefühl nicht überbewerten, sondern ganz in Ruhe überlegen und nicht zu viel erwarten.

6Kann sich die Aufbruchstimmung auch negativ auswirken?

Es gibt Menschen, denen die Aufbruchstimmung nicht guttut. Wenn alle anderen um sie herum aktiv werden und das Leben wieder bunt wird, dann können sich Menschen mit Depressionen leicht abgehängt fühlen. Sie erleben dann umso schmerzhafter, dass es für sie immer noch grau ist und nicht besser wird. So erklärt sich, wieso manche Menschen an einem
wunderschönen Frühlingstag an Suizid denken.

7Wie kann man helfen?

Gesunde Menschen können das oft nicht nachvollziehen. Es hilft dem Betroffenen allerdings auch nicht, zu sagen: „Los, raff dich auf“, denn so einfach ist das nicht. Bei schweren Depressionen ist therapeutische Hilfe notwendig. Man sollte den Betroffenen aber unterstützen, indem man den Kontakt aufrechterhält, ihn nicht ausschließt.

8Welche Bedeutung hat das Frühjahr in der Kirchenzeit?

Mit der beginnenden Passionszeit bietet es sich an, auf das eigene Leben zu schauen und vielleicht etwas Neues auszuprobieren. Das kann etwa Enthaltsamkeit sein, wie es viele Menschen in solchen Fasten-Aktionen wie „Sieben Woche ohne“ machen. Wer dann zum Beispiel auf Alkohol oder anderes verzichtet, entdeckt eine Möglichkeit, sich neu zu erfahren. Die Karwoche vor Ostern regt schließlich dazu an, sich zu fragen: Was macht mich lebendig, was gibt mir Kraft?

Die Studentische Telefonseelsorge ist
Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte. Sie ist mit Studierenden besetzt und täglich von 20 bis 24 Uhr erreichbar unter Tel. 040/41 17 04 11;
Internetseite. www.stud-telefonseelsorge.de

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