Ute Große Harmann spricht sieben Sprachen und lebte lange in Afrika und Russland. Für die Katholische Seemannsmission in Hamburg ist sie ein Glücksgriff.

Wenn Ute Große Harmann erzählt, dann klingt die ganze Welt in ihrer Stimme mit. In vielen Ländern hat die 51-Jährige gelebt - in Frankreich und Spanien, in Brasilien, Russland und im Kongo. Das hat Spuren hinterlassen - deutlich hörbar im einzigartigen, sehr charmanten Akzent der Diplom-Theologin.

Erst in Hamburg habe sie nach den langen Jahren im Ausland ihr Fremdsein in Deutschland wieder ablegen können, sagt sie. "Man muss sich neu finden, das dauert und ist schmerzhaft." Geholfen haben ihr die Offenheit, die Weite, die Internationalität Hamburgs - hier fühle sie sich jetzt zu Hause.

Dass sie einmal die Katholische Seemannsmission in der Hansestadt leiten würde, hätte sie sich jedoch nie träumen lassen. Doch für die kleine Einrichtung in der Reimarusstraße ist die herzliche Frau mit dem mitreißenden Lachen ein echter Glücksgriff.

Die gebürtige Münsteranerin wollte schon immer Brücken bauen zwischen Menschen und Nationen: "Und ich mochte Sprachen. Als Schülerin war ich jedes Jahr in Frankreich." Lehrerin oder Dolmetscherin wollte sie werden, doch bei einem Au-pair-Aufenthalt in der Schweiz, in einer sehr religiösen protestantischen Familie, erlebte sie Glauben zum ersten Mal sinnstiftend für ihr Leben - und entschied sich für die Theologie. "Aber ich musste mich entscheiden - evangelisch oder katholisch? Den Ausschlag gaben meine katholischen Wurzeln."

Zwei Jahre lang studierte sie, in Paris, Münster und in Freiburg, bevor sie sich 1984 für einen Aufenthalt in Afrika entschied. Nach einem Jahr in Äquatorialguinea ging sie für weitere sechs Jahre nach Kinshasa im damaligen Zaire, heute Republik Kongo, und beendete dort ihr Theologiestudium.

"Natürlich war ich dort eine Exotin", lacht Ute Große Harmann. "Ich habe dafür kämpfen müssen, als Frau dort Volltheologie studieren zu können - das gab's nicht." Neben dem Studium arbeitete sie in der Gemeinde in der Firmvorbereitung und unterrichtete dreimal wöchentlich Deutsch im Goethe-Institut, um sich zu finanzieren. "Ansonsten habe ich versucht, dasselbe zu essen und so einfach zu leben, wie die Menschen dort", erzählt sie. Die wichtigste Erfahrung aus dieser Zeit? "Bildung, Freiheit oder Gesundheit nicht als selbstverständlich hinzunehmen." Und sie habe gelernt, Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu schätzen. Nach sieben Jahren Afrika war Deutschland auf einmal sehr eng: "Vor allem, wenn man in der Adventszeit in Münster ankommt. All der Konsum! Ich war völlig reizüberflutet. Und ich konnte die Menschen mit ihren Problemen nicht ernst nehmen, weil sie mir so klein erschienen."

Deshalb freute sie sich sehr, als das Katholische Auslandssekretariat sie 1993 nach Moskau schickte. "Ich bin am 2. Oktober eingereist, und am nächsten Tag herrschten unter Jelzin bürgerkriegsähnliche Zustände", erzählt sie fast beiläufig. Knapp vier Monate brauchte sie, um russisch zu sprechen.

Nach sechs Jahren kehrte sie zurück nach Deutschland und arbeitete in der Provinz: "Das war ein totaler Kulturschock." Die Nachricht, dass die spanisch sprechende Gemeinde in Hamburg jemanden suche, erschien ihr da wie ein Rettungsanker. Dass sie diese Arbeit seit Juli 2008 noch mit einer halben Stelle als Gemeindereferentin in der Katholischen Seemannsmission kombinieren kann, gefällt ihr besonders.

Nicht nur ihre Sprachen - Spanisch, Französisch, Russisch, Englisch, etwas Portugiesisch und Polnisch -, sondern auch ihre Fähigkeit, mit geringen Ressourcen etwas auf die Beine zu stellen, sind hier von Nutzen. Nur zwei Kellerräume sind ihr nach dem Verkauf der Mission vor ein paar Jahren geblieben, an drei Tagen in der Woche ist sie präsent. Aber es fehlt an vielem, obwohl ihre Arbeit gebraucht wird, denn viele der Seeleute - vor allem die Filipinos - sind katholisch.

Zu ihr kommen vor allem ältere Seeleute, die Arbeit suchen, aus Afrika oder von den Kapverden. Die meisten gehen aber zu den evangelischen Seemannsmissionen, weil ihnen dort mehr geboten werden kann. "Aber ich will mich nicht vergleichen mit den Möglichkeiten der Kollegen", sagt sie selbstbewusst, "sondern einbringen, was ich habe." Nach Anlaufschwierigkeiten findet sich Ute Große Harmann im Hafen zurecht, und langsam wächst das Vertrauen der Seeleute. Doch das Herzklopfen vor jeder Schiffsbegehung bleibt, denn nie weiß sie, was sie erwartet: "Das ist wie ein unangemeldeter Hausbesuch."

Improvisieren liegt ihr, und so verblüfft sie manche Schiffsbesatzung mit ihrer zupackenden Art. Einem Seemann hatte sie versprochen, Knoblauch zu besorgen und vor dem Auslaufen des Schiffes vorbeizubringen. Doch das Schiff fuhr früher, und auf den letzten Drücker erreichte Ute Große Harmann mit ihrem Bulli den Eurokai. "Die hatten schon die Gangway eingezogen, aber das Schiff war nicht sehr hoch. Also hab ich den Knoblauch einfach rübergeschmissen", erzählt sie laut lachend. Auch so kann man Menschen fischen.