In Hamburgs jüngstem Stadtteil entstehen nicht nur neue Wohnungen und Arbeitsplätze, sondern auch moderne Wege christlichen Zusammenlebens.

Zwischen den Marco-Polo-Terrassen und dem Kreuzfahrtterminal, direkt neben großen Bürogebäuden taucht unvermittelt ein kleines braunes Holzgebäude auf. Ein orangefarbenes Kreuz leuchtet an seiner Front. Im Innern stehen Kerzen und Blumen neben einem Altartisch, der aus einer Schiffsplanke gefertigt wurde. Die ökumenische Kapelle in der HafenCity ist schlicht, aber anziehend.

Eben hat Uwe Cassens, Pastor einer Baptistengemeinde, hier ein Mittagsgebet gehalten. Eine Viertelstunde Zeit für einen Bibeltext, ein Lied, einen Moment des gemeinsamen Schweigens und der Fürbitte - dann ist die Andacht vorbei. Die elf Zuhörer verlassen die containerartige Kapelle mit zufriedenen Gesichtern.

"Wir haben die Kapelle im vergangenen Jahr eingeweiht. Sie soll den Bewohnerinnen und Bewohnern der HafenCity, den Touristen, aber auch den Menschen, die hier arbeiten, einen Ort der Stille bieten, eine Möglichkeit, mit Gott ins Gespräch zu kommen", sagt Pastorin Antje Heider-Rottwilm vom Verein "Brücke - Ökumenisches Forum HafenCity". Die "Brücke" ist ein Zusammenschluss von 18 Hamburger Kirchen, darunter Freikirchen, orthodoxe Kirchen, die Anglikanische Kirche, aber auch die Evangelisch-Lutherische Kirche und das Erzbistum Hamburg. Gemeinsam wollen sie neue Wege christlichen Zusammenlebens gehen. In der HafenCity soll jedoch keine eigene Gemeinde entstehen, denn sie ist Gemeindegebiet der Hauptkirche St. Katharinen und von St. Ansgar. "Mit unseren Angeboten verstehen wir uns als eine Brücke zwischen den Hamburger Gemeinden und der HafenCity", sagt Antje Heider-Rottwilm. So liegen in der Kapelle entsprechende Infobroschüren aus, die fünfzehnminütigen Mittags- und Abendgebete werden von Laien und Geistlichen der jeweiligen Kirchen gehalten. Und auch für Dialogveranstaltungen zwischen den Kirchen wird die Kapelle genutzt.

Die Pastorin, die gemeinsam mit ihrem Mann Martin Heider ganz in der Nähe der Kapelle, am Kaiserkai, wohnt, verfolgt im Auftrag der "Brücke" noch ein weiteres Ziel: Sie und ihr Mann sind Mitglieder des Laurentiuskonventes, einer Kommunität mit Angehörigen verschiedener christlicher Konfessionen. Der Konvent besteht aus Hausgemeinschaften und Nachbarschaftsgruppen an verschiedenen Orten. Sie teilen ein verbindliches gemeinsames Leben und engagieren sich miteinander für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. "Die Laurentiusgruppen verbindet eine gemeinsame Spiritualität, doch niemand wird aus seiner Herkunftskirche herausgerissen", weiß Martin Heider aus eigener Erfahrung.

Er und seine Frau Antje Heider-Rottwilm lebten lange in einer 20-köpfigen Hausgemeinschaft bei Paderborn. Jetzt bauen die beiden Protestanten gemeinsam mit einem weiteren evangelisch-katholischem Ehepaar in der HafenCity eine neue Gruppe auf. "Wir leben gemeinsam mit dem Paar in der Konventwohnung", sagt Martin Heider.

"Die HafenCity braucht nicht nur die Präsenz eines sakralen Ortes für alle Konfessionen, sondern auch Menschen, die ökumenische Gemeinschaft leben und sich als Christen aktiv im Stadtteil engagieren", begründet Stephan Dreyer, Geschäftsführer der "Brücke", die Entscheidung, vier Mitglieder des Laurentiuskonventes hierhin zu holen.

Antje Heider-Rottwilm, die bis zum Umzug in die HafenCity Oberkirchenrätin bei der Evangelischen Kirche Deutschland in Hannover war, und ihr Mann, der Lehrer für Deutsch, Geschichte und Philosophie ist, haben schon Kontakte zu den Bewohnern ihrer neuen Umgebung geknüpft. Sie gehen zu Nachbarschaftstreffen, machen Führungen im Stadtteil. Antje Heider-Rottwilm organisierte mit anderen Akteuren vor Kurzem ein Nachbarschaftsfest. "In diesem jungen Stadtteil entwickeln sich neue soziale Beziehungen, viele Menschen sind bewusst hierhergezogen, etwa junge Familien mit Kindern, Angestellte, die hier arbeiten, oder Menschen, die hier barrierefrei wohnen können", sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder.

Es gibt Pläne, das Projekt zu erweitern. In der Diskussion ist der Bau eines größeren Gebäudes mit Kapelle, einer Begegnungsstätte der Kirchen, einem Café und Wohnraum für die Kommunität. Allerdings stehen noch viele Fragen offen, vor allem was die Finanzierung betrifft. Ein zweistelliger Millionenbetrag müsste aufgebracht werden, die finanzielle Verantwortung hätten vor allem die evangelischen Kirchen zu tragen. Ein Grundstück an der Shanghaiallee steht zur Verfügung.

Bis dahin bleiben die Kapelle und die Konventwohnung am Kaiserkai die Heimat des Ökumenischen Projekts.

Info: www.oekumenisches-forum-hafencity.de