Das Abendblatt hat Kriterien für den Markt und ihre Bedeutung für die Preisentwicklung analysiert. Das Ergebnis.

Die Warnzeichen für den Hamburger Immobilienmarkt nehmen immer mehr zu. Es sind längst nicht nur die steigenden Zinsen, die den Immobilienerwerb erschweren oder für manche sogar unmöglich machen. Viele Faktoren wie steigende Energiepreise, Auflagen zur Verbesserung der Energieeffizienz und geringere staatliche Förderung beim Immobilienerwerb deuten darauf hin, dass der Hamburger Immobilienmarkt am Anfang eines kräftigen Preisabschwungs steht.

Doch andere Faktoren wie Wohnungsknappheit und Inflation können den Rückgang der Immobilienpreise auch begrenzen. Zusammen mit Immobilienexperten hat das Abendblatt acht Faktoren für den Hamburger Immobilienmarkt und ihre Bedeutung für die weitere Preisentwicklung analysiert. Pflichtlektüre für Immobilienkäufer und -verkäufer.

1. Was Immobilien in Hamburg beeinflusst: Steigende Zinsen

Einen so starken Zinsanstieg innerhalb so kurzer Zeit hat es bei Immobilienfinanzierungen noch nicht gegeben. Von den höheren Zinsen sind alle Zeiträume für Zinsfestschreibungen betroffen: Ob fünf Jahre oder 20 Jahre, eine Vier steht stets vor dem Komma. Anfang des Jahres lagen die Konditionen für eine zehnjährige Zinsbindung knapp unter einem Prozent. Für einen Kredit über 400.000 Euro mit zwei Prozent anfänglicher Tilgung müssen jetzt im Monat 2027 Euro an die Bank gezahlt werden. Im Vergleich zum Februar 2022 hat sich die Kreditrate um 76 Prozent verteuert.

Das Baufinanzierungsgeschäft der Banken wird deutlich schwieriger. Die Zinsen sind mit der größte Einflussfaktor für die weitere Preisentwicklung bei den Immobilien. „Wenn sich der Zinsanstieg verhärtet und die Zinsen noch weiter steigen, kann das für einen Preisrückgang sorgen, denn dann wird es auf breiter Front an Käufern fehlen“, sagt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

2. Erste Preisrückgänge bei Immobilien in Hamburg

Im Schnitt ist jetzt eine 80 Quadratmeter große Eigentumswohnung in Hamburg aus dem Bestand mit einem durchschnittlichen Angebotspreis von 465.440 Euro rund 14.000 Euro günstiger als noch im zweiten Quartal 2022, wie Daten des Beratungsunternehmens Empirica zeigen. Das entspricht einem Preisrückgang von 2,9 Prozent. Im Hamburger Umland fallen die Preisrückgänge innerhalb eines Quartals schon heftiger aus. Mit 430.440 Euro ist ein 120 Quadratmeter großes Einfamilienhaus aus dem Bestand im Kreis Segeberg jetzt zehn Prozent günstiger als im zweiten Quartal 2022.

„Aber bei Vergleichen mit dem Vorjahresquartal sehen wir noch keine Preisrückgänge“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender von Empirica. Das liegt vor allem an den hohen Preissteigerungen, die es noch im vierten Quartal 2021 und im ersten Quartal 2022 bei Hamburger Immobilien gab. Aber die Trendwende sei eingeleitet, so Braun. Im Verlauf des nächsten Jahres wird es dann wahrscheinlich auch Preisrückgänge im Jahresvergleich geben. „Es kann zu Preisrückgängen von fünf bis zehn Prozent in Hamburg kommen“, sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann.

3. Weniger staatliche Förderung

Beliebte Förderprogramme der KfW-Bank wie Energieeffizient Bauen (153) oder Energieeffizient Sanieren (151, 152) können nicht mehr beantragt werden. Auch der Investitionszuschuss (430), wenn man gar keinen Kredit benötigte, wurde gestrichen, ebenso die staatliche Förderung von Einzelmaßnahmen, wenn etwa das Haus gedämmt oder bessere Fenster eingebaut werden sollten. Bei der Sanierung zum Effizienzhaus wurden die Tilgungszuschüsse massiv gekürzt. Etwa von 30 auf fünf Prozent, wenn nach der Modernisierung der Standard Effizienzhaus 85 erreicht wird.

Das wird sich vor allem auf ältere Bestandsgebäude auswirken. Käufer werden härter in die Preisverhandlungen einsteigen. Was bleibt, ist ein KfW-Kredit über maximal 150.000 Euro für Sanierung, Neubau oder Kauf eines Effizienzhauses, aber mit deutlich reduzierten Tilgungszuschüssen. Zumindest liegen die Zinsen für den KfW-Kredit noch deutlich unter Marktniveau.

4. Staatliche Sanierungsauflagen

Wer in Hamburg auf seinem Haus ab 2025 das komplette Dach erneuert, muss auch eine Photovoltaikanlage darauf errichten. Schon jetzt kann eine alte Gasheizung nicht einfach durch eine neue ersetzt werden. Sie muss mit erneuerbaren Energien wie einer Solarthermieanlage zur Warmwassererzeugung kombiniert werden. Künftig müssen Heizungen mit fossiler Energie wohl durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Diese staatlichen Vorgaben führen zu deutlich höheren Kosten bei der Modernisierung älterer Immobilien.

Prof. Dr. Michael Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte.
Prof. Dr. Michael Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte. © Institut der deutschen Wirtschaft | Dennis Strassmeier

„Die Preise am Immobilienmarkt werden sich stärker ausdifferenzieren“, sagt Voigtländer. „Bei älteren Einfamilienhäusern mit schlechter Energieeffizienz wird es deutliche Preisrückgänge geben, erst recht, wenn sie in Regionen stehen, wo man auf ein Auto angewiesen ist. Denn auch die Mobilitätskosten steigen.“ Diese Einschätzung teilen auch Makler: „Während die Preise für ältere und unsanierte Ein­familienhäuser aus dem Bestand zurückgehen dürften, erwarten wir für energieoptimierte Häuser und Wohnungen weiterhin leichte Preiszuwächse“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer bei Grossmann & Berger.

5. Explodierende Energiepreise

Die steigenden Energiepreise für Gas, Öl und Pellets von bis zu 186 Prozent innerhalb eines Jahres treffen zwar nicht nur Immobilienkäufer. Aber mit dem Einzug in die eigenen vier Wände vergrößern sie in der Regel auch ihre Wohnfläche. Die Heizkosten steigen, und die Verunsicherung wächst. „Wir sehen eine große Nachfrageschwäche, ausgelöst durch die hohen Energiepreise“, sagt Hansmann. Immobilienportale belegen das mit ihren Statistiken. Die Zahl der Nachfragen nach Objekten geht zurück. Die Chancen auf Preisverhandlungen steigen. Bis zu 20 Prozent Preisabschlag sind bei Gebäuden mit mittlerer oder schlechter Energie­bilanz nach Experteneinschätzung möglich.

6. Steigende Inflation

Eine hohe Inflation kann das Interesse an Immobilien wieder steigern. Doch der Einfluss auf die Immobilienpreisentwicklung ist unsicher. Viele glauben an die Sicherheit des Betongoldes. Der Blick auf die vergangenen 30 Jahre in Hamburg zeigt: Nur in 19 von 30 Jahren lag die Preissteigerung bei frei stehenden Einfamilienhäusern aus dem Bestand über der Inflationsrate, etwa zu Beginn der 1990er-Jahre und durchgehend in den vergangenen zehn Jahren.

„Noch sind alle in einer Schockstarre“, sagt Voigtländer. „Aber Immobilien bieten Kapitalanlegern eine relativ gute krisen- und inflationssichere Anlage. Wenn die Löhne steigen, ergibt sich auch Spielraum für Mieterhöhungen.“ Der Wohnimmobilienmarkt sei deutlich stabiler als der Aktienmarkt. Schon jetzt steigen die Mieten stärker als die Immobilienpreise. Dennoch ist Experte Hansmann skeptisch. „Eine Inflation von zehn Prozent lässt sich durch keine Anlage ausgleichen.“ Auch seien die Immobilienpreise den Mieten längst davongelaufen. In der Vergangenheit stiegen in Hamburg die Immobilienpreise deutlich stärker als die Kaltmieten.

7. Demografische Probleme

Hamburg hat große Pläne. Schon 2031 soll die Hansestadt erstmals mehr als zwei Millionen Einwohner haben. Ende 2021 lebten 1.853.935 Menschen in der Stadt, und das kräftige Bevölkerungswachstum aus den vergangenen Jahren kam zum Erliegen. 2021 nahm die Bevölkerung nur noch um 0,1 Prozent durch einen Geburtenüberschuss zu. Immer mehr Hamburger zieht es ins Umland, weil dort die Immobilienpreise niedriger sind. Rund 11.000 Menschen, überwiegend Familien, zogen 2021 in die Umlandkreise fort. Zu einem Problem könnten auch ältere Ehepaare oder Witwen in unsanierten Einfamilienhäusern werden, die ihre Immobilie nicht mehr an die neuen Standards anpassen wollen. Hier droht zumindest hoher Wertverlust. Doch die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt sieht Empirica-Chef Braun als begrenzt an. „In Hamburg werden Einfamilienhäuser sicher nicht leer stehen.“

8. Immobilien in Hamburg: Weniger Neubau

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wurden in Hamburg zwar 30 Prozent mehr Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt als im Vorjahreszeitraum. Aber ob die 7349 Einheiten auch gebaut werden, ist nicht sicher, obwohl es in Hamburg eine große Wohnungsknappheit gibt. Denn aufgrund der hohen Preise für Baumaterialien und der steigenden Finanzierungszinsen gibt es keine Planungssicherheit mehr über die Gesamtkosten eines neuen Objekts.

Nach einer Schätzung des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen wird aktuell ein Drittel der eigentlich geplanten Vorhaben auf unbestimmte Zeit zurückgestellt. Weniger Wohnungsneubau kann den Immobilienmarkt aber stabilisieren und die Preisrückgänge dämpfen. Experte Braun sagt: „Wir werden bald sehen, ob die Preise einbrechen oder ob es nur eine Delle wird.“