Brötchen vom Martin und einen Kaffee bei Sabine - man kennt sich. Alteingesessene und Zugezogene machen die Mischung aus.

Hamburg. Sie ist wie eine Insel. Sagen die, die es wissen müssen: die Menschen aus der Klaus-Groth-Straße. Ein lebenswertes Fleckchen sei ihre Straße. Eingeklemmt zwischen Borgfelder Straße und Bürgerweide, über die der Verkehr strömt. Und manchmal auch nur langsam fließt.

An der Klaus-Groth-Straße, wo sich Rotklinker-Wohnhäuser aus den 50er-Jahren und Wohntürme aus den 70er-Jahren aneinanderreihen, geht es ruhiger zu. Im Erdgeschoss des Hauses mit der Nummer 28 sogar entspannt. Hier hat Sabine Sauer im März vergangenen Jahres ein kleines Café eröffnet, "Smögen" heißt es. Warum? "Es ist nach dieser winzigen schwedischen Insel benannt, die 120 Kilometer von Göteborg entfernt liegt", sagt die 41-Jährige. "Ich finde, der Inselcharakter passt zur Gegend." Borgfelde liegt zwar mitten in Hamburg, nur einige Meter vom Berliner Tor entfernt. Es ist auf den Karten drauf, aber nicht in den Köpfen drin. Als sie vor acht Jahren hierher gezogen ist, hätten Freunde gefragt: "Sabine, gehört das denn überhaupt noch zum Stadtgebiet?"

Laufkundschaft wie in Eppendorf oder im Karoviertel, wo Sabine Sauer auch einen Laden führt, gebe es in Borgfelde fast nicht. Trotzdem sei das Smögen mit seinen bunten Wänden und den Holztischchen in der Mittagszeit immer "supervoll".

Dann treffen sich hier Mütter, die ihre Kinder aus der benachbarten Kita abholen. Studenten, die in eine der vielen Wohngemeinschaften an der Klaus-Groth-Straße gezogen sind, und auch Borgfelder, die schon seit Jahrzehnten hier leben.

Seit 47 Jahren - und damit ist sie eine Institution - gibt es ein paar Häuser weiter die Fleischerei von Brigitta (71) und Horst Deschler (72). Bis zu 180 Kunden wählen hier täglich aus verschiedenen Wurstspezialitäten, die der Familienbetrieb größtenteils selbst herstellt. "Manche holen sich bei uns auch nur schnell ein belegtes Brötchen, eine Zeitung und eine Schachtel Zigaretten", sagt Brigitta Deschler. Ja, ein bisschen Tante-Emma-Lädchen ist die Metzgerei, die das Ehepaar gemeinsam mit Sohn Thomas (47) führt, auch. Die Kundschaft habe sich in den vergangenen Jahren verjüngt. "Früher waren hier noch mehr Handwerksbetriebe ansässig. Heute ist das hier vor allem ein Wohngebiet für viele junge Familien."

Auf dem Spielplatz sind an diesem herbstlichen Nachmittag Sarah Elling (31) mit Antonia (2) und Silke Suparman (36) mit Sophie (3) unterwegs. "Im Sommer ist rund um die Schaukel richtig viel los", sagt Silke Suparman, die seit fast zehn Jahren in Borgfelde wohnt. "Die Nachbarschaft ist toll, die Mischung aus Alt und Jung perfekt", sagt die kaufmännische Angestellte. Einen Kritikpunkt haben die beiden Mütter aber doch: "Der Spielplatz könnte ein bisschen gepflegter aussehen, den Geräten würde ein neuer Anstrich guttun", sagt Sarah Elling. Das wollte sie noch loswerden, bevor sie zum Martin geht. Brötchen kaufen.

Der Martin, das ist Martin Kastner vom "Rettungsbrot" - der wohl kleinsten Biobackstube der Stadt. Vor vier Jahren hat der 50-Jährige sein Geschäft eröffnet. "An der Basis, das ist hier nicht gerade eine Bioecke wie Ottensen oder die Schanze", sagt er, und in seiner Stimme klingt der Ruhrpott mit. Gleich hinter der Theke hängt der Schalke-Wimpel, neben dem vom FC St. Pauli. "Die Raute kommt mir hier nicht rein", sagt er und lacht jungenhaft.

Als er nach Hamburg gezogen sei, habe er einfach nur ein helles Ladenlokal gesucht. Lage? Nicht ganz so entscheidend. "Ich bin ein Bauchtyp. Ich wusste nix über Borgfelde, aber der Laden hat mir gleich gefallen." Außerdem sei die Miete erschwinglich, 650 Euro pro Monat. Am Grindel, sagt er, würde er für einen ähnlich großen Laden 2000 Euro monatlich hinblättern müssen. Bis zu 130 Kunden kommen am Tag, viele von ihnen hätten anfangs mit "Bio" wenig anfangen können. "Dann haben die meinen Mohnstriezel oder mein freigeschobenes Roggenbrot probiert und festgestellt, dass sie das lecker finden." Ein bisschen stolz ist Martin Kastner, den im Viertel fast jeder kennt, auf seine Franzbrötchen. Mit Schokolade oder ohne. "Ich wusste überhaupt nicht, wie man Franzbrötchen backt. Die gibt es in Gelsenkirchen doch nicht." Also hat er sich ein Rezept besorgt und dann die perfekte Verfeinerung mit seinen Kunden entwickelt. "Irgendwann schmeckten sie dann richtig toll." Manche behaupten gar, es seien die vielleicht besten Franzbrötchen der Stadt.

Vielleicht auch ein Tipp für die Filmcrew des NDR, die ein paar Hundert Meter weiter gerade einen "Tatort" abgedreht hat. In den Kellergewölben von Haus 84. Dort ist das Zuhause des badischen Spätburgunders. Dem Winzersohn Martin Danner gehört das Badische Weinhaus. Mehr als 2000 Artikel hat der 37-Jährige im Sortiment. "In Hamburg sind badische Weine gefragt, deshalb habe ich hier 2001 mein Geschäft eröffnet." Die günstigste Flasche kostet 3,20 Euro, die teuerste etwa 40 Euro. "Bei mir zahlt man nur so viel wie direkt beim Winzer." Sein Geschäft macht Danner, der auch Verkostungen anbietet, über die Menge. "An die Klaus-Groth-Straße haben mich zwei Argumente gezogen", sagt er. "Parkplätze und die gute Verkehrsanbindung für die Kunden." Ist eben eine ganz besondere Insel, die Klaus-Groth-Straße.