Hübsche Kapitänshäuser in einer der schönsten Lagen Hamburgs - direkt an der Elbe. Der Fluss prägt die Menschen unterhalb vom Dorf Blankenese.

Hamburg. Geneviève Wood und Fotograf Andreas Laible haben die Anwohner des Strandwegs besucht. Wenn das Fernweh kommt, genügt ein Blick auf den Strom. Wenn die großen Containerschiffe vorbeifahren, ist es ein bisschen so, als ob die Welt an einem vorbeireist. Wer am Strandweg in Blankenese wohnt, hat einen ganz besonderen Bezug zur Elbe.

"Heute ist der Fluss ganz ruhig. An anderen Tagen ist er wild und aufgewühlt. Das hat auch Auswirkungen auf die eigene Befindlichkeit", sagt Susanne Preiss. Im Rhythmus der Gezeiten macht sie am Ufer vor ihrer Haustür oft chinesische Qigong-Übungen. Während die Ebbe das Wasser zurückdrängt, fließt bei Susanne Preiss die Energie. Besonders morgens um kurz nach sieben.

Seltsam finden ihre Nachbarn es schon längst nicht mehr, wenn die Trainerin für Stressmanagement und Burn-out-Prophylaxe ihre Übungen am Strand macht. "Nur der Busfahrer guckt manchmal ein bisschen länger", sagt die 42-Jährige. Die Buslinie 48, die sogenannte Bergziege, ist ein Kleinbus, der Anwohner und Touristen vom Strandweg durch das enge Treppenviertel nach oben, ins Dorf, bringt. Seit vier Jahren wohnt Susanne Preiss mit ihrem Lebensgefährten und ihren Kindern (11 und 13) am Strandweg 97a. Nach achteinhalb Jahren im Ausland und regelmäßigen Schüben von Fernweh, ist sie angekommen: "Hier fühle ich mich mit der Welt verbunden", sagt sie. Immerhin: Eine Verbindung nach Cranz gibt es. Die Fähre legt unten am Strand ab. "Viele denken, am Strandweg wohnen nur Superreiche", sagt Frau Preiss. Blankenese eben. "Aber hier wohnen stinknormale Leute."

Und die haben es besonders gut getroffen. Stadtauswärts liegt links die Elbe mit dem Leuchtturm, rechts die meist sehr gepflegten und hübsch zurechtgemachten Kapitänshäuser. Vor der Hausnummer 17 ist der schönste Garten der Straße angelegt, ein Bauerngarten mit Rosen und Dahlien. Schon der Weg durch das Treppenviertel hinunter an den Strandweg erinnert an eine Fahrt entlang der italienischen Amalfi-Küste. Wer an diesem Flecken Hamburgs wohnt, muss sich doch fühlen wie im Dauerurlaub.

Und tatsächlich scheinen die Menschen sehr entspannt zu sein. Auch was die vielen Besucher angeht, die am Wochenende an den Elbstrand strömen, grillen und häufig Partys feiern. "Es ist genug Platz für alle da. Die Leute, die kommen, sind ja positiv gestimmt", findet Susanne Preiss.

Einerseits ist da die Weite. Andererseits diese Enge zwischen den an den Elbhang geklebten Häusern. Es ist aber vermutlich dieses Dicht-an-Dicht, das die Nachbarschaft zusammenbringt. Als Peter Fischbach und seine Frau Maren vor Kurzem ihre kleine Tochter Mia Marta bekommen haben, kamen die Nachbarn natürlich vorbei zum Babygucken. "Die Frauen haben sich übers Stillen ausgetauscht, wir Männer über Autos", sagt Dietmar Müller-Dunkmann, Journalist, Moderator und Hallensprecher der Handball-Bundesliga. Ach ja, fünf Jahre lang war er Pächter des Strandhotels ein paar Häuser weiter, das jetzt wieder neu eröffnet. Müller-Dunkmann nennen die Nachbarn nur "Didi". Alle kennen Didi. Er ist ja auch ein extrovertierter Typ, dieser aus Aurich nach Hamburg zugezogene Ostfriese. Dass das schon ein Weilchen her ist, macht ja nichts. Er kokettiert ganz gern damit. Was typisch Strandweg ist? "Die Hilfsbereitschaft", sagt Didi. Wenn die Garagen im Herbst mit Elbwasser volllaufen, sind die Nachbarn sofort zur Stelle, um Hab und Gut zu retten.

Wegen des Hochwassers hat Peter Fischbach seine 15 Oldtimer auch überwiegend in Hallen außerhalb von Blankenese untergebracht. "Wenn dann einer bei Hochwasser mal nicht anspringt, wird's eng", sagt er. Außerdem will der Mann, der sein Geld mit dem Handel von Biosäften verdient, nicht als protzig gelten. "Ich bin nicht der Typ, der seine Autos zum Lüften rausstellt." Der 40-Jährige fährt mit den alten Autos - darunter Porsche, Jaguar und Maserati aus den 60er- und 70er-Jahren - lieber Autorennen. Na ja, und manchmal steht eben doch sein 63er Jaguar E-Type vor der Haustür. Das scheint ihm fast unangenehm zu sein. Dabei ist dieser klassische Sportwagen eine wohltuende Abwechslung. Wesentlich häufiger sind kleine Frauen in großen, schwarzen Geländewagen zu sehen.

Überhaupt ist das lockere Strandleben viel typischer für diese Straße, die die Anwohner auch Meile nennen. Das liegt wohl an den vielen Restaurants. Zur Meile gehört unter anderem das Restaurant Zum Bäcker, das bis vor zwei Jahren Michael Bischoff gehörte. Das ist der Mann von Ex-"Tagesschau"-Sprecherin Eva Herman. Weiter unten ist der Blankeneser Segel-Club.

Zum Leben auf der Meile gehört es, dass sich Tagesausflügler an der Kajüte SB 12 treffen und ein Fischbrötchen auf der Holzbank essen. Peter Fischbach hat hier mittwochabends seinen Oldtimer-Stammtisch, und Susanne Preiss trifft in der Kajüte gerne ihre Nachbarn - im Winter, wenn es nicht so überfüllt ist. Im Sommer geht sie lieber in den Fischclub auf dem Ponton. Der ist Blankenese-mäßig etwas nobler. Aber der Ponton op'n Bulln von Manuela Gehrmann nebenan ist mindestens genauso typisch für Blankenese. Nur nicht nobel.

Stattdessen trifft man sich hier mittags auf einen Imbiss und abends zum entspannten Bierchen mit Elbblick und ein bisschen Ibiza-Gefühl. Das liegt an dem schönen Sonnenuntergang und an dem Sampler, den die Chefin zusammengestellt hat. Der erinnert an die loungige Café-del-Mar-Musik. Am Sonntagmorgen um neun Uhr ist auch Susanne Preiss manchmal hier anzutreffen. Dann aber nicht, um Qigong zu machen. An schönen Sommersonntagen gibt's hier einen Yogakursus.

Von heute an erscheint die Serie "Hier bei mir" einmal wöchentlich. Am nächsten Montag: Erdkampsweg in Fuhlsbüttel.