In einem Teil gibt es friedliche Dorfidylle, in dem anderen fast die Atmosphäre einer Fußgängerzone - und auch eine Kuh ...

Hamburg. Eigentlich gibt es den Heubergredder gleich zweimal. "Jedenfalls hat er zwei Teile - einen mit Charakter und einen mit Kuh", zitiert Eva-Maria Schultz (61, siehe unten) lachend einen gängigen Nachbarschaftsspruch. Dann erklärt sie, was sie damit meint: Der "Charakter-Teil", das sei der nördliche Abschnitt des Heubergredders, der ältere. Bis auf ein paar kleine Firmensitze eine reine Wohnstraße. Eine, die eben Charakter hat. Und was ist mit der "Kuh-Seite"? "Das", sagt Frau Schultz, "ist der südliche Redder-Teil, der weniger ansehnliche, in dem es aber ein paar Geschäfte gibt. Hier steht auf einem Rasen eine Kuhfigur - eine Alsterdorfer Attraktion!"

Der Straßenspaziergang beginnt im "Charakter-Teil", ganz am Anfang des Heubergredders. Wer von hier aus die Straße entlangblickt, kann gut erkennen, dass es Richtung U-Bahn-Station ein bisschen bergauf geht. Dass es also tatsächlich einen kleinen "Heuberg" gibt. "Mit seinen 14 Metern über Normalnull ist er die dritthöchste Erhebung in Alsterdorf", erläutert Schahin Zarkesch (37), der in Hausnummer 8 wohnt. Zarkesch schwärmt von seiner Straße: vom huckeligen Kopfsteinpflaster zum Beispiel oder von den alten Bäumen und von den gepflegten Idyllen der hübschen Vorgärten. Knapp zehn Kilometer vom Jungfernstieg entfernt ist Hamburg hier im "Charakter-Redder" mehr Dorf als Weltstadt. Was sicherlich auch mit der Historie zu tun hat, denn früher standen hier lediglich einige einsame Bauernkaten. Heute gibt es stattdessen hübsche Einzel- und Mehrfamilien-Bauten aus Gelb- und Rotklinker. Wie denn das Alltagsleben hier sei? "Trubel gibt es nie", sagt Schahin Zarkesch, "dafür Reserviertheit und Zurückhaltung."

An der Kreuzung von Heubergredder und Alsterdorfer Straße endet der "Charakter-" und beginnt der "Kuh-Teil". In fetten Lettern werben ein Blumenladen und ein Bekleidungsgeschäft um Kunden - und das, obwohl die Straße hier alles andere als eine typische Fußgängerzone ist.

"Die Läden", findet Ewa Kottsieper (28) aus Haus Nummer 33, "sorgen für Betrieb - und der macht die Straße erst lebenswert." Wobei schon mal viel mehr Geschäfte da gewesen seien, wirft Eva-Maria Schultz ein, die beim Straßenspaziergang mit dabei ist. Was den "Kuh-" vom "Charakter-Teil" unterscheide? "Weniger Geld und Schick", antwortet Frau Kottsieper, "und mehr Fröhlich- und Lebendigkeit." Und dann, plötzlich, ist sie da: die Kuh! Schwarz-weiß gefleckt und mannshoch steht sie auf dem Rasen des Häuserblocks mit den Nummern 31 bis 37. Scheinbar grast sie gerade. "Das denken viele", sagt Kerstin Schürmann (43). Ihr Sohn Timo (15) ergänzt: "Während Kinder die Kuh oft streicheln wollen, kläffen manche Hunde aus Angst laut los - dabei ist die Kuh ja gar nicht echt!" Die Schürmanns wohnen im Haus Nummer 31. "Unsere Vermieter haben die Kuh vor Jahren mal aus Jux hier aufgestellt. Mittlerweile ist sie zum Heubergredder-Wahrzeichen geworden." Auf der anderen Seite, in Blickrichtung der Kuh, erstreckt sich das etwa 1000 Quadratmeter große Areal des SC Sperber. Seit 1898 existiert der Sportklub, der seinen gut 1000 Mitgliedern neben Tennis und Fußball auch weniger populäre Möglichkeiten der Leibesertüchtigung anbietet.

Neben dem SC steht das Restaurant Big Easy, ein beliebter Kantinen-ersatz für viele Beschäftigte aus der City Nord. Zur U-Bahn-Station Alsterdorf hin folgen dann mehrere Büdchen - etwa das Alsterdorfer Backhus und das Sato von Ilhami Sert (38), der Backwaren und Döner verkauft. Er sagt: "Bei uns ist immer was los, allein schon wegen der großen Laufkundschaft." Neben Ilhami Serts Läden befindet sich die U-Bahn-Station Alsterdorf und vor ihnen der "Mini-ZOB", von dem aus fünf Buslinien abfahren. Hier ist nun Schluss mit dem Heubergredder. "Von hier aus stehen dir alle Wege offen", sagt Sert lächelnd. Ob man denn aus dem Redder wegwolle? "Ach Quatsch", meldet sich nochmals Frau Schultz zu Wort. "Wer einmal hier gelebt hat, der kann nur schwer wieder fortziehen - egal, aus welchem Teil er kommt."

Die nächsten Folgen: 24. August: Talstraße (St. Pauli), 26. August: Kaiserkai (HafenCity), 28. August: König-Heinrich-Weg (Niendorf)