Fußball

Der Fußball-Messias aus Wismar

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Volker Stahl

Foto: Volker Stahl

Trainer Enrico Maaßen klopft mit der SV Drochtersen/Assel an das Tor zur Regionalliga. Als Aktiver spielte der 31-Jährige für Anker Wismar, Hansa Rostock II, Greifswalder SV, SC Verl und Goslarer SC.

Drochtersen. Das Internetportal „Blog trifft Ball“ bezeichnet ihn als interessante Personalie. Für die Anhänger der SV Drochtersen/Assel könnte Trainer Enrico Maaßen am Saisonende mehr sein – ein Fußball-Messias, der den Provinzclub aus Kehdingen in höhere Sphären katapultiert. Fakt ist: Der in Wismar geborene Ex-Profi steht mit der Spielvereinigung als Tabellenerster der Oberliga Niedersachsen kurz vor dem direkten Aufstieg in die Regionalliga Nord. „Der wäre für die Region etwas Unfassbares“, sagt Maaßen, der den größten Erfolg für den Fußball im Landkreis seit dem Aufstieg des VfL Stade in die Amateur-Oberliga (1990) anpeilt.

Als das Angebot von Vereinsboss Rigo Gooßen kam, den Sechsten der Vorsaison zu übernehmen, habe er „drei, vier Tage nachgedacht“, sagt Maaßen, und dann zugesagt. Wie es aussieht, war das eine gute Entscheidung – für den erst 31 Jahre alten Trainer und für den Verein. Die SV Drochtersen/Assel mauserte sich binnen weniger Monate von einer auf Ergebnisfußball ausgerichteten Kontermannschaft zu einer Tormaschine. „Schnell spielen, ein hohes Maß an Laufbereitschaft zeigen, mehr sprinten und größere Distanzen laufen als der Gegner“, lautet die Philosophie des „Fußballverrückten, der 24 Stunden am Tag Fußball im Kopf hat“.

Und es macht ihm Spaß, über seine große Leidenschaft zu reden. Bei einem Cappuccino und einem Stück Torte in einem Stader Café parliert er locker über Taktik – seine Mannschaft bevorzugt ein 4-3-2-1, beherrscht aber auch das 4-1-4-1 – oder Psychologie: „Ich merke schnell, wie ein Spieler tickt.“ Um das herauszubekommen, spricht er viel mit seinen Jungs. Die dürfen ihn sogar duzen, wenn sie noch zusammen mit ihm gespielt haben. Das haben viele im aktuellen Kader. Früher schnürte Maaßen die Buffer für Anker Wismar, Hansa Rostock II, Greifswalder SV, SC Verl und Goslarer SC. Die Hoffnungen, sich im großen Fußball zu etablieren, zerschlugen sich, auch weil die Gesundheit nicht mitspielte.

Im Sommer 2011 heuerte er in Drochtersen an. In der vergangenen Saison kämpfte sich der gelernte Außenstürmer und spätere Sechser nach drei Innenbandrissen und einer Kreuzbandruptur wieder zurück – und verletzte sich nach fünf Kurzeinsätzen erneut schwer. Eine Übergangszeit als Spielertrainer kam für ihn wegen der Abgrenzungsproblematik nicht infrage. Nach dem zweiten Kreuzbandriss hatte sich dieser Gedanke ohnehin erledigt. Maaßen konzentriert sich seitdem ganz auf seine Trainerkarriere – mit durchschlagendem Erfolg.

Zu Saisonbeginn stellte er den Kader nach seinen Wünschen zusammen, holte für die Offensive Hochkaräter wie Finn-Patrick Gierke (Lüneburger SK) und Alexander Neumann (BSV Rehden), die mit 13 und 14 Toren weit oben in der Torjägerliste rangieren. Die Vorgaben von Vereinschef Rigo Gooßen („Wir müssen zu Hause wieder eine Macht sein“ und „ein Platz im ersten Drittel“) hat Maaßen ebenso erfüllt wie sein persönliches Ziel, offensiver zu agieren. 54 Tore in den ersten 21 Spielen, keine Mannschaft der Oberliga Niedersachsen ist torhungriger.

Die offensiven Neuzugänge Finn-Patrick Gierke und Alexander Neumann haben eingeschlagen

Auch hauptberuflich ist der gelernte Kfz-Mechaniker und Sport- und Fitnesskaufmann derzeit auf der Überholspur. Er arbeitet für ein großes Hotel- und Freizeitprojekt auf der Elbinsel Krautsand – auch ein Projekt von Rigo Gooßen. Für seinen Zweifachboss baut Maaßen den Fitnessbereich auf und kreiert Wellness-Oasen. „Eigentlich ist der Fußball schon ein Vollzeitjob. Jetzt muss ich mich auch mit Themen wie Marktforschung beschäftigen und mir Gedanken machen, woher ich Sportgeräte bekomme.“ Ach ja, und dann steht noch die Trainer-B-Lizenz und das Fernstudium zum Sporttherapeuten auf seiner Agenda. „Ein Tag könnte 30 Stunden haben“, sagt der Vielbeschäftigte. Unter dem Zeitmangel dürfte vor allem seine Hundedame Abbie leiden.

Es könnte sogar schlimmer kommen. In der Regionalliga sei die Fitness ein noch wichtigerer Faktor als in der Oberliga, sagt Maaßen. Zurzeit trainiert der Tabellenführer drei Mal in der Woche, „nach dem Aufstieg würden wir das vier Mal machen“. Das wird besonders für die sechs Spieler, die in Hamburg oder Lüneburg leben, mit großen Herausforderungen verbunden sein. Unbestritten, dass der aktuelle Kader für die vierte Liga nicht breit genug aufgestellt ist. Im Aufstiegsfall würde er aber nicht komplett erneuert. „Das kann ich kategorisch ausschließen“, so Maaßen, „wir werden uns maximal auf drei Leistungsträgerpositionen verstärken.“ Aktuell düst Maaßen quer durch Norddeutschland, um Spieler zu beobachten. Eine „Granate aus einer höheren Liga“ hat er schon an der Angel. Wer das ist, will er noch nicht verraten.

An diesem Sonntag, 15 Uhr, empfängt der Oberliga-Spitzenreiter den Tabellensiebten SC Spelle-Venhaus im Kehdinger Stadion.

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