Ultraläuferin des Harburger SC legt am Plattensee in Ungarn 720,173 Kilometer zurück

Harburg. In Balatonfüred, einem kleinen Kurort mit 13.000 Einwohnern am Nordufer des Plattensees in Ungarn, ist Silke Gielen sechs Tage und sechs Nächte im Kreis gelaufen. Und sie hat dabei, wie sie selbst sagt, „einen gigantischen persönlichen Rekord aufgestellt". Als am sechsten Tag, um Punkt 12 Uhr mittags, dieser außergewöhnliche Ultralanglauf gestoppt wurde, hatte die 57-Jährige aus Harburg genau 720 Kilometer und 173 Meter auf dem Rundkurs zurückgelegt. „Das schaffen auf der Welt ja nicht so viele Frauen“, sagt sie, „erst recht nicht in meinem Alter.“ Dabei ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern und Angestellte bei der Postbank schon seit vielen Jahren der Stolz des Harburger SC. Vor wenigen Wochen wurde sie über 50 Kilometer deutsche Meisterin im Einzel und gemeinsam mit Monika Belau und Liane Kemnitz auch in der Mannschaftswertung.

Hamburger Abendblatt:

Frau Gielen, als uns zu Ohren kam, in Harburg solle es eine Frau geben, die sich darauf freut, sechs Tage lang nur im Kreis zu rennen, konnten wir das nicht glauben.

Silke Gielen:

Ich weiß, auch Arbeitskollegen und Bekannte, denen ich davon erzähle, sagen spontan: Du spinnst, Aber es ist wirklich so – ich freue mich riesig darauf.

Was ist das denn für ein Wettbewerb?

Gielen:

Ein Ultralanglauf über sechs Tage. Start an einem Mittwoch punkt 12 Uhr, Ende, am Dienstag darauf, ebenfalls um 12 Uhr. Sieger ist, wer in dieser Zeit die meisten Kilometer schafft.

Sind die Pausen und die Zeit zum Schlafen genau festgelegt?

Gielen:

Nein, die kann jeder frei wählen. Abends um 23 Uhr mache ich Schluss. Spätestens um zwei Uhr nachts klingelt der Wecker. Ich stehe auf, esse etwas, mache mich fertig, um drei Uhr bin ich wieder auf der Strecke.

Sie laufen täglich 20 Stunden?

Gielen:

Die Runde um einen Campingplatz ist nur 900 Meter lang, Sie rennen sechs Tage im Kreis. Ist das nicht nervtötend?

Gielen:

Nein, auf so einem kurzen Rundkurs zu laufen, hat eher etwas Vertrautes. Da sind an den Verpflegungsstellen immer die selben Leute. Ralf Reinholz, mein Lebenspartner, ist immer dabei. Es gibt auch die großen Anzeigentafel, auf der kann man ablesen, wo man gerade platziert ist und wieviel Kilometer man bereits geschafft hat. Das gibt jedes Mal einen kleinen Kick.

Das ist Ihr zweiter Start bei diesem Läuferduell. Im Vorjahr haben Sie 653 Kilometer zurückgelegt. Für normale Menschen ist das der reine Wahnsinn.

Gielen:

Die Holländerin Ria Buiten hat als beste Frau sogar 704 Kilometer geschafft und der Gesamtsieger Hans Jürgen Schlotter aus Horb 849 Kilometer.

Wie werden die freiwilligen Strapazen belohnt?

Gielen:

Es gibt Menschen, die gehen sechs Tage in ein Kloster und reden kein Wort. Sie wollen wieder zu sich finden. Für mich ist das wie Yoga, wie Meditation. Ich darf sechs Tage lang nur das tun, was mir schon als kleines Mädchen in Finkenwerder besondere Freude gemacht hat – laufen. Dabei bin ich völlig raus aus dem Alltag, erlebe intensiv, wie morgens gegen vier der Tag beginnt, die Mittagsstunden, die anbrechende Dunkelheit, die langsam alles verschlingt. Natürlich gehört Disziplin dazu. Das Laufen wird von Tag zu Tag mühevoller. Aber das alles teilst du auch mit den anderen, die aus allen Teilen der Welt kommen.

Bleibt überhaupt Zeit für Gespräche?

Gielen:

Wir reden auf der Strecke viel miteinander. Es sind oft intensive, tiefe Gespräche. Das gemeinsame Laufen über Tage hinweg öffnet einem das Herz. Ich fühle mich freier, frischer und dem Stress im Alltag besser gewachsen. Das ist, wenn Sie so wollen, meine Belohnung.