Zugpferd Luhmühlen heißen die nationalen Meisterschaften im Fahrsport. 150 Gespanne aus 14 Nationen am Start

Luhmühlen. Es scheint wie ein Frevel gegen die Natur, mitten in der Idylle der Westergellerser Heide auf der weitläufigen Wiese, wo sich beim internationalen Vielseitigkeitsturnier Tausende Pferdefreunde vor der großen Leinwand und an den Getränkeständen drängeln, stehen mächtige Betonquader. Die Gänge, die zwischen ihnen freigelassen sind, wirken schmal und beengend. Und da müssen die Kutschenfahrer mit ihren Ein- und Zweispännern im rasanten Tempo durchfahren. „Die Betonklötze sind zu einem Hindernisse aufgebaut“, erläutert Carsten Eichert, „in denen die deutschen Meisterschaften der Einspänner mit entschieden werden. Die kleineren Klötze wiegen anderthalb, die größeren mehr als zwei Tonnen“, fügt der Geschäftsführer der Equus Event-Agentur aus Lüneburg hinzu, „aber keine Angst, die harten Kanten werden weich abgedeckt, damit sich Pferde und Kutscher nicht verletzten können.“

Es ist lange her, dass auf dem weltweit bekannten und gelobten Vielseitigkeitsgelände in Luhmühlen auch Ein-, Zwei- und Vierspänner ihre spektakulären Turnierauftritte hatten. Im Rahmen der großen Erneuerung des Turnierplatzes und der Geländestrecke blieben die Kutschen auf der Strecke. „Vor drei Jahren kam Luhmühlen auf uns zu“, erzählt Carsten Eichert, der gemeinsam mit dem früheren Gespannfahrer Rudolf Tempori Kutschen-Turniere organisiert. „Sie fragten an, ob wir diese Tradition nicht modernisieren und auffrischen könnten.“ Das Resultat: Vom 20. bis 22. September wird auf dem Turnierplatz und im Gelände die deutsche Meisterschaft der Einspänner ausgefahren. Dazu allein haben sich 65 Kutschenfahrer mit Pferden und noch einmal 17 mit Ponys angemeldet. Es gibt in diesem Sport mit der Jahrtausende alten Tradition inzwischen auch eine Gruppe behinderter Menschen, die ebenfalls in Luhmühlen ihren nationalen Meister ermittel. Titelverteidiger ist Markus Beerhues aus Langenberg bei Gütersloh. Der war Springreiter, ist aber seit einem Motorradunfall an den Rollstuhl gebunden. Für diese spezielle DM sind 15 Teilnehmer gemeldet. Zu dem dreitägigen Programm in Luhmühlen gehören auch die Landesmeisterschaft der Zweispänner. 16 Gespanne mit Pferden und 17 Gespanne mit Kutschen ermitteln ebenfalls ihre Landesmeister. Insgesamt sind 150 Gespanne aus 14 Nationen in Luhmühlen dabei.

„Weil hier in dieser wunderschönen Heidelandschaft so viel Platz für Besucher ist“, sagt der Cheforganisator, „haben wir zusätzlich die Präsentation von Traditionskutschen mit ins Programm eingebaut.“ Die Kutschen selbst stammen zum Teil aus dem 17. Jahrhundert. Kutscher und Beifahrer kleiden sich entsprechend den Jahrhunderten. Das spektakulärste Vierer-Gespann kommt aus Halle an der Saale. Insgesamt 17 Frauen und Männer haben sich zu dieser beeindruckenden Präsentation der Traditionskutschen angesagt. Die Parade der vergangenen Jahrhunderte wird zuerst in Lüneburg zu sehen sein. Am Freitag, 20. September, werden die Kutschen von den Salzwiesen aus durch Lüneburg rollen. „Vielleicht wird sich mancher Zuschauer entschließen, sich am Sonnabend den faszinierenden Fahrsport in Luhmühlen anzugucken“, hofft Carsten Eichert.

Meisterschaften mit Zugpferden werden genau wie bei den Vielseitigkeitsreitern in einem Dreikampf entschieden. Nach der Dressur am Freitag geht es Sonnabend ins Gelände. „Insgesamt haben wir sieben Hindernisse aufgebaut“, sagt Carsten Eichert. „In jedem müssen sechs Tore durchfahren werden. Es geht darum, so schnell wie möglich wieder aus dem Hindernis herauszukommen.“ Zu der Hindernisprüfung gehört auch eine sechs Kilometer lange Aufwärmstrecke und eine sieben Kilometer lange Wegestrecke.

Am Sonnabendnachmittag werden vor der Tribüne in Luhmühlen noch einmal die Traditionsfahrer zu bewundern sein. Für den Abend ist ein besonderes Schauprogramm vorgesehen. Am Sonntag sind die Traditionskutschen im Gelände anzutreffen.

Die deutschen Meisterschaften der Einspänner und die Landesmeisterschaften der Zweispänner werden abschließend beim Kegelfahren entschieden. Auf den Kegeln, die umfahren werden müssen, liegen Bälle. Rollt einer herunter, gibt es drei Strafpunkte. Der Titelverteidiger bei den Einspännern ist Detlef Böhlmann vom Reit und Fahrverein Estetal. Der Mann, der in Hamburg bei der Feuerwehr arbeitet, ist mit seinem eigenwilligen Spitzenpferd Diaz auch Weltmeister mit der Mannschaft.

Zum Showprogramm gehören am Sonnabend und Sonntag ein paar kraftvolle Kaltblüterpferde, die bei ihrer ursprünglichen Arbeit im Wald zu sehen sind. Auch das ist inzwischen zum Sport geworden, der sich Holzrücken nennt und bei dem sieben Gespanne starten werden.