Der 65 Jahre alte Reit- und Fahrverein Nordheide sucht ein neues Zuhause

Jesteburg. Oben, quer über die Einfahrtsstraße ins Dorf gespannt, war verlockend die Einladung zu lesen: "Jesteburger Maimarkt-Turnier". Und das mit dem Maimarkt beim Reitsport war wörtlich zu nehmen. Es waren zuerst die herumtobenden Kinder, die Familien, Grüppchen, die sich mit Wein und Bier zuprosteten, Besucher, die mit Scampis und Pilzen ihren kleinen Hunger stillten. Im eigentlichen Zentrum und doch nicht immer im Mittelpunkt, die Elite der ländlichen Springreiter.

Es ist jetzt acht Jahre her, da haben sie beim Reit- und Fahrverein Nordheide nach langer Zeit der Stille die Tradition ihrer großen Sommerturniere wieder aufgenommen und sie durch den Markt- und Budenrummel drum herum erfolgreich aufgefrischt. Während die Stimme von Moderator Heiko Behnke über Lautsprecher Steffen Engfer auf Catalina als nächsten Reiter ankündigt, taucht eine strahlende Organisatorin des viertägigen Reit- und Springturniers im Besuchergetümmel auf. "Ein sehr glücklicher Tag", sagt Kristine Meyer-Stahmleder und lacht. "Wir kassieren ja keinen Eintritt, deshalb können wir unsere Besucherzahlen nur schätzen. Was hier los ist, kann man nur erahnen." Und das ist wichtig, auf Dauer gesehen gar überlebenswichtig für eine solche Großveranstaltung eines Reitvereins mit 250 Mitgliedern.

Das Maimarktturnier hat ein finanzielles Volumen von rund 50.000 Euro. Etwa 60 Prozent der Summe kommt zusammen durch den großen Kreis der Sponsoren. "Ohne diese Unterstützung könnten wir das hier nicht mehr für unseren Reitsport auf die Beine stellen", erläutert die Turnierchefin, die als Trainerin (Dressur) auch gemeinsam mit Mike Martens (Springen) die Nachwuchsarbeit im Verein aktiviert. "Und dann sind da ja die Kinder und Jugendlichen, ganze Familien, die hier vier Tage lang ehrenamtlich im Einsatz sind."

Auch deshalb hofft Kristine Meyer-Stahmleder, dass genau wie im vergangenen Jahr nach der Endabrechnung ein Überschuss für den Reit- und Fahrverein übrig bleibt. "Wenn wir den bei der Hauptversammlung aufzählen können", sagt sie und lächelt zufrieden, "dann ist das die beste Motivation fürs nächste Jahr."

Rene Dittmer aus Harsefeld legt die schnellste zeit im Stechen hin

Als Steffen Engfer vom Reit- und Fahrsport Sieversen nach dem letzten Sprung seinem Pferd den Hals tätschelt, erfüllt der Beifall das weitläufige Turniergelände. "Das war der zweite Null-Fehler-Ritt", verkündet die Lautsprecherstimme. Unten, in der Nähe des Ausganges, steht Hans-Jürgen Wiebusch und nickt zufrieden. Catalina, die hochbegabte achtjährige Stute, mit der sich Steffen Engfer, der Herr vom Hof Immenkuhl in Vahrendorf, gerade für das Stechen qualifiziert hat, gehört Hans-Jürgen Wiebusch. Der hat in seinem Betrieb in Fredenbeck-Wedel zurzeit 35 Nachwuchspferde unter dem Sattel und als Ausbilder von Sportpferden längst einen internationalen Ruf. Warum er aussichtsreiche Springpferde sozusagen dem Konkurrenten anvertraut. "Steffen und ich arbeiten seit Jahren erfolgreich zusammen", sagt Hans-Jürgen Wiebusch. "Und Catalina ist ein kleines, hochbegabtes und sehr ehrgeiziges Pferd. Die passt einfach viel besser zu Steffen." Während der Chef das erzählt, hat sich auch sein Bereiter Rainer Peter mit Cayenne, ebenfalls einer Stute, für das Stechen qualifiziert.

Es sind insgesamt sieben von den insgesamt 41 Startern beim abschließenden S-Springen, die beim Stechen noch einmal die zahlreichen Besucher in ihren Bann ziehen. Und es bleibt Hans-Joachim Giebel, dem Routinier vom Reit- und Fahrsport Sieversen, vorbehalten, noch einmal für ein wenig Dramatik zu sorgen. Mit Questica kracht er so in ein Hindernis, dass ein Aufschrei durch die Menge geht. Aber selbst im Sturz hat er sein Pferd fest am Zügel gehalten. Es ist Steffen Engfer und seine kleine Catalina, die mit null Fehlern und einer Zeit von 43,86 Sekunden die Führung übernehmen. Und es ist sein Freund Rene Dittmer vom Reitverein Harsefeld, der mit Granny als letzter Kandidat einreitet und mit einem furiosen Null-Fehler-Ritt in 41,92 Sekunden noch einmal die Besucher mitreißt und mit dem Applaus bei seiner Ehrenrunde das Jesteburger Maimarkt-Turnier ausklingen lässt.

Wenn die Organisatoren und Helfer erst einmal kräftig durchgeatmet haben, wird sich die neue Frauenriege an der Vereinsspitze großen Veränderungen stellen müssen. "Das weitläufige Abreitgelände neben unserem Turnierplatz nimmt die Gemeinde für den Ausbau der Schule in Anspruch", erläutert Mirja Albrecht, seit Oktober die Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Nordheide. "Im Jahre 2020 läuft der Pachtvertrag für das gesamte Gelände mit Stallungen und Reithalle aus", ergänzt Gaby Kaschube-Tietze, seit März die Geschäftsführerin. "Wir müssen also ein neues Zuhause finden. Aber am 31. August um 20 Uhr wird erst einmal mit Spaß und Tanz der 65. Geburtstag unseres Vereins gefeiert."