Bürgermeister Ulrich Mädge: Ab Herbst 2014 kann im Wilschenbruch gebaut werden

Lüneburg. Fußball-Traditionalisten dürfte es die Tränen in die Augen treiben: Der Wilschenbruch, das nach der Spielstätte der Stuttgarter Kickers zweitälteste Stadion in Deutschland, steht mitsamt seiner historischen Holztribüne vor dem Abriss. Die Hamburger Angermann Investment Advisory AG bietet das 49.000 Quadratmeter große Areal für ein Mindestgebot von 4,4 Millionen Euro als Bauland an. "Der B-Plan steht. Die Bebauung wird zwar nicht morgen erfolgen, ist aber ab Herbst 2014 möglich", sagt Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD).

Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist das seit 2001 laufende Insolvenzverfahren gegen den mit rund 1,9 Millionen Euro verschuldeten Lüneburger SK von 1901. Dem heute noch 96 Mitglieder in den Abteilungen Tennis und Tischtennis zählenden Verein gehören 30.100 Quadratmeter des Mitte des vergangenen Jahrzehnts in Bauland umgewandelten ehemaligen Naturschutzgebiets. Von der restlichen Fläche, die der Stadt gehört, sind rund 10.000 Quadratmeter nicht bebaubar, weil es sich um ein Überschwemmungsgebiet der Ilmenau handelt.

Dass der Insolvenzverwalter auf Initiative der Stadt auch die - per se wertlose Fläche - als teures Bauland anpreist, bewertet der Vorsitzende des Nachfolgevereins Lüneburger SK Hansa, Dietrich Conrad, als bewusste Irreführung: "Entweder die Kaufinteressenten werden getäuscht oder der Hochwasserschutz wird von der Stadt nicht ernst genommen." Auch Manfred Harder, Vorsitzender des LSK von 1901, sieht das Vorgehen der Stadt kritisch: Sie stelle sich schofelig an, will 89 Euro pro Quadratmeter für ein nicht bebauungsfähiges Areal kassieren.

Insolvenzverwalter müsse verkaufen, um die Gläubiger zu bedienen

"Über das Verhalten der Hansestadt Lüneburg sind wir sehr verwundert und persönlich enttäuscht von Oberbürgermeister Mädge", springt ihm Gerald Kayser bei. Der Vorstand des LSK Hansa fühlt sich nicht ausreichend informiert: "Herr Mädge hat versprochen, jede Veränderung in der Angelegenheit LSK-Grundstück mit den Vereinsvertretern abzustimmen." Der LSK-Vorstand fordert "Offenheit, Fairness und Transparenz". Oberbürgermeister Ulrich Mädge bezeichnet die Einlassungen der LSK-Verantwortlichen als weit entrückt.

"Die Realität ist, dass der Insolvenzverwalter verkaufen muss, weil die Gläubiger bedient werden müssen", sagt er. In 13 Jahren sei es dem LSK weder gelungen, ein alternatives Konzept vorzulegen noch eine Kooperation mit anderen Vereinen einzugehen, sagt Mädge im Hinblick auf beide LSKs - das insolvente Original von 1901 und den 2008 aus den Fußballabteilungen des Lüneburger SV und des alten LSK gegründeten Lüneburger SK Hansa.

Für den Sporthistoriker Werner Skrentny ist das langjährige Gezerre um den Wilschenbruch ein Trauerspiel. Mit dem Verkauf und der Bebauung mit 25 Wohnhäusern würde Lüneburg ein weiteres dunkles Kapitel sporthistorischen Frevels schreiben. "Nicht nur die seit 1905 bespielte Anlage ist fußballgeschichtliches Terrain - die Holztribüne datiert von 1921", formuliert Skrentny in seinem Standardwerk "Das große Buch der deutschen Fußball-Stadien".

Auch der Nestor der Lüneburger Sportgeschichtsschreibung, Erhard Rölcke, ist über die Geschichtsvergessenheit entsetzt. In seinem letzten Werk über die Historie des LSK bezeichnet er den Erhalt des Stadions für Ober- oder Regionalligafußball als alternativlos: "Der Sportplatz in Wilschenbruch liegt zentral und ist für die Lüneburger und ihre Gäste gut zu erreichen. Ein neues Stadion zu bauen ist unwirtschaftlich, kaum bezahlbar und auch nicht notwendig."

Oberbürgermeister Ulrich Mädge sieht das anders: "Das Entscheidende ist, dass der LSK dieses Grundstück durch seine unvernünftige Finanzpolitik aus der Hand gegeben und in die Insolvenz getrieben hat." Die Stadt habe darauf keinen Zugriff, es sei denn, sie würde das Gründstück mit Steuergeldern erwerben. "Wenn ich das mache, würde man mich aus der Stadt treiben. Wir haben anderes zu tun: Kitas, Krippen und Schulen bauen", sagt er.

Die Stadt habe dem LSK ein Grundstück im Gewerbegebiet angeboten, das der Verein aber nicht gewollt habe, echauffiert sich Mädge: "Irgendwann ist das Ende des Tunnels erreicht - und man steht in einer Sackgasse."