Mehr als 160 Liebhaber von Natur, Tier und Geselligkeit bei Deutschlands größter Herbstjagd auf Hof Sudermühlen.

Sudermühlen. Die Nässe, überall Dreck und Schlamm, der Nebel dazu und die Kälte, die unter die Kleidung kriecht. Es gäbe genug Gründe, sich vor diesem Tag in der gemütlichen Stube zu verkriechen. Aber auf und rund um den Hof Sudermühlen herrscht fröhlicher Hochbetrieb. Aus dem Innenhof dringen laute Gespräche und Lachen. Es sind die roten Röcke der Reiter, die das turbulente, lebensfreudige Bild bestimmen. Die Gäste aus Belgien in grünen Röcken prosten sich zu. Im Hintergrund das Klacken von Pferdehufen auf den Pflastersteinen. An einem kleinen Tisch tragen sich Neuankömmlinge in das Teilnehmerbuch ein und entrichten ihr Capgeld, wie die Teilnahmegebühr bei den Jagdreitern heißt.

Das Stelldichein beginnt mit dem Fürstengruß des Bläsercorps Buchholz

"Voranmeldungen gibt es bei uns nicht", erläutert Jagdherr Stefan Rabeler, "im Grunde kann jeder mitreiten." Sein Vater Karl Rabeler, als Hausherr und Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Auetal gemeinsam mit dem Sohn Organisator und Gastgeber, begrüßt alte Bekannte. Hoch zu Ross in traditioneller grüner Tracht Jochen Nolte aus Duderstadt, ein Herr von 73 Jahren und seit mehr als 30 Jahren bei der großen Herbstjagd dabei. Im Vorbeireiten winkt Bruno Wolf herüber. Auch er ist vertrauter Stammgast, diesmal in Begleitung seiner 13 Jahre alten Enkelin Alena.

Die 18 Damen und Herren des Bläsercorps Buchholz nehmen ihre Jagdhörner an die Lippen und eröffnen mit dem Fürstengruß das Stelldichein. Es ist trotz des trüben Wetters diese fröhliche, erwartungsfreudige Stimmung, die von den Teilnehmern ausgeht und auch die Zuschauer erfasst.

"Wir Jagdreiter sind Menschen, die Pferde lieben, die Hunde lieben, die Natur lieben und vor allem die Geselligkeit", sagt Ulrich Deus, der stellvertretende Vorsitzende und Schriftführer des Hamburger Schleppjagd-Vereins. Mit Zylinder und schwarzem Draculamantel, wie er selbst lachend sagt, ist er selbst in dieser bunten Gesellschaft eine auffallende Erscheinung. Bei mehr als 25 Jagden ist der 68-jährige Unternehmer aus Jesteburg in jeder Saison dabei. "Es ist immer wieder ein Zusammentreffen von Bekannten und Freunden, mit denen man keine Alltagssorgen, aber die Leidenschaft für diese reiterliche Tradition teilt", erzählt Deus.

Ein ZDF-Fernsehteam begleitet das bunte Treiben für Terra X

Die Hundemeute zieht los. Drei Reiterinnen sprengen als erste davon, um die Fährte zu legen. Danach ordnen sich die Reiter mit den Jagdherren Stefan Rabeler und Mathias Wantein, einem der Gäste aus Belgien, an der Spitze. Die Sudermühlener Herbstjagd kann beginnen. Seit Mitte der 1950er-Jahre ausgetragen, ist sie mit mehr als 160 Teilnehmern eine der größten und beliebtesten in ganz Deutschland.

Während die letzten Reiter im Nebel verschwinden, haben im Landrover von Karl Rabeler auch zwei Kameraleute des ZDF Platz genommen. Während der Chef seinen Wagen in wilder Fahrt über die schlammigen Feld- und Waldwege schlittern lässt, erzählen die Fernsehmacher: "Wir drehen für Terra X Herbstszenen, die im nächsten Jahr gesendet werden." In einem kleinen Tal positionieren sie ihre Kameras im feuchten Herbstlaub.

Auf dem Feld sind inzwischen die 16 Traktoren mit ihren voll besetzten Anhängern angekommen. Die Zuschauer steigen ab und bilden eine lange Reihe. Die drei jungen Damen, die die Fährte legen, setzen als erste über die Hindernisse. Dann, auffallend leise, die Hundemeute. Hinter ihnen im lang gezogenen Zug die Frauen und Männer auf ihren dampfenden und schnaubenden Pferden. Es ist jedes Mal aufs Neue ein packendes, faszinierendes Schauspiel. Manche der Reiter werfen im Sprung jubelnd die Arme hoch, andere lupfen zum Gruß ihre Kappen oder Zylinder. "Jeder Sprung ist für den Reiter, aber auch für sein Pferd die große Freiheit und Freude", wird Ulrich Deus später erzählen. "Es ist Adrenalin pur."

Aber bei aller sorgfältigen Vorbereitung und gewissenhaftem Training der Pferde, die Sprünge über die festen Hindernisse - diesmal waren es 33 auf der 20 Kilometer langen Strecke - bleiben ein Wagnis. Von denen, die über Baumstämme und Gatter setzen, gibt es wohl keinen, der noch nicht unsanft auf dem Boden gelandet wäre. Diesmal erwischt es mit Michael Jordan aus Dänemark einen erfahrenen Jagdreiter. Er bricht sich bei dem Sturz mehrere Rippen und verletzt sich an der Schulter.

Trotz des Unfalls - beim letzten, dem spektakulärsten Sprung brechen Reiter und Zuschauer in Jubel aus. Und dann beendet das Bläsercorps mit dem Halali die große Herbstjagd 2012 in Sudermühlen.