Bundesligist Hamburger SV quält sich vor 3800 Fans zum 3:1 beim Testspiel gegen TSV Winsen. Trainer Thorsten Fink ordnet eilige Abreise an.

Winsen. Thorsten Fink war stinksauer. Sechs bis sieben Tore hatte der neue Trainer des Hamburger SV von seiner Bundesligamannschaft im Testspiel beim Landesliga-Aufsteiger TSV Winsen gefordert. Dass es letztlich nur drei wurden und nach 90 Minuten ein mühsam erkämpftes 3:1 (Halbzeit 2:1) gegen die fünf Klassen tiefer spielenden Gastgeber zu Buche stand, dürfte dem Coach kräftig die Laune verhagelt haben. Marcus Berg (8. Minute), Marcell Jansen (18.) und Robert Tesche (84.) trafen für die Rothosen vor 3800 Zuschauern auf dem Jahnplatz. Torjäger Yannick Heidrich (20.) hatte das 1:2 für Winsen markiert, das mehr als eine Stunde Bestand haben sollte.

Nach Außen analysierte Fink gefasst: "Natürlich haben wir zu wenig Tore gemacht. Die erste Halbzeit war noch ganz okay, die zweite eher nicht." Wie es tatsächlich in ihm aussah, wird in der überhasteten Abreise der Hanseaten deutlich. Die von HSV-Seite gewünschte und den TSV-Organisatoren ermöglichte Teilnahme am Büfett wurde kurzfristig abgesagt. Stattdessen rollte der HSV-Bus schon eine halbe Stunde nach dem Schlusspfiff vom Jahnplatz.

Zudem nutzte der HSV die vielen Gelegenheiten zum Sammeln von Sympathiepunkten nur sporadisch. Im Smalltalk mit dem Winsener Trainerduo Gunnar Sellmer und Mike Soltau hatte Thorsten Fink weitere Gastspiele in der Metropolregion angekündigt, um künftig dichter bei den Fans zu sein. Tatsächlich mussten fast alle Landesligakicker auf das Shakehands mit dem hochkarätigen Gegenspieler verzichten und mit den Ex-Nationalspielern Heiko Westermann und Marcell Jansen legten sich nur wenige HSVer bei den Autogrammjägern ins Zeug.

Sportlich schwante den Winsener Fans in der beeindruckenden Kulisse nach dem HSV-Blitzstart schon Böses. Sowohl das 1:0 des Schweden Marcus Berg als auch das 2:0 von Marcell Jansen wurden über rechts vom Deutsch-Chinesen Zhi Gin Lam und dem agilen Dennis Dierkmeier vorbereitet. Doch nach dem Anschluss im Gegenzug durch Yannick Heidrich war es vorbei mit der HSV-Herrlichkeit. Die Gäste taten sich gegen die zweikampfstarken und gut organisierten Gastgeber schwer, erspielten sich zwar Chancen, ließen jedoch die letzte Konsequenz vermissen. Dafür brachte Winsen die HSV-Abwehr mit schnellen Vorstößen mehrfach in Verlegenheit. Die größte Ausgleichschance vergab Heidrich (33.), als er nach langem Pass den letzten Abwehrspieler austanzte und allein vor HSV-Torhüter Sven Neuhaus stand. Uneigennützig legte er quer auf Erkan Alkan, der jedoch wegrutschte und den Ball nicht im leeren Tor unterbrachte.

"Das Spiel war ein Super-Erlebnis, das Tor eine schöne, ewige Erinnerung", erzählte Yannick Heidrich ganz aufgedreht. "Die Flanke von links hat Maximilian Schmidt perfekt reingebracht, Westermann hat sich verschätzt, dann bin ich hochgesprungen und hab einfach den Kopf hingehalten", lief der Spielfilm des unvergesslichen Moments vor seinem inneren Auge ab.

"Vor drei, vier Jahren haben wir teilweise vor 50 Zuschauern gespielt. Und jetzt so viele Leute", konnte es TSV-Kapitän Niklas Jonas kaum fassen, dass trotz des kurzen Vorlaufs von gerade einmal zwei Wochen fast 4000 Fans auf den Jahnplatz gekommen waren. Ohne Stress und ohne das von einigen befürchtete Verkehrschaos erlebten sie das erhoffte Familienfest.

"Wir spielen immer voll auf Sieg - nur heute nicht", meinte Winsens Trainer Gunnar Sellmer schmunzelnd, der seinem Team ein großes Lob für die laufaufwändige Abwehrarbeit und das schnelle Umschalten aussprach. Dem Landesliga-Spitzenspiel am Sonntag (14 Uhr, Kehdinger Stadion, Drochtersen) bei Tabellenführer SV Drochtersen/Assel blickt Sellmer optimistisch entgegen: "Die Jungs haben immer Bock. Ich glaube nicht, dass wir nach dem HSV-Spiel in ein Loch fallen."