Die Männer-Domäne wird beim 1911 gegründeten Verein schon 1921 von ersten weiblichen Mitgliedern durchbrochen

Maschen. Für einen 100-jährigen Jubilar ist der VfL Maschen gut in Form, gehört mit knapp 1800 Mitgliedern in zehn Sparten zu den größten Sportvereinen im Kreis Harburg. Zum Angebot gehören Fußball, Schwimmen, Kampfsport, Tennis, Badminton, Turnen, Tanzen, Tischtennis, Volleyball und Herzsport. Rückblende in den Sommer 1911: Am 16. Juli gründen junge Herren den Männer-Turn-Verein Maschen. Es ist eine unruhige Zeit. Zwar hat mit Kaiser Wilhelm II. ein Alleinherrscher das Zepter in der Hand, doch im Untertanenstaat brodelt es: Im März gehen die Frauen auf die Straße und fordern das Wahlrecht. Tausende Sozialisten demonstrierten am 16. Juli in Arbon/Schweiz gegen die Rüstungsausgaben der Großmächte. Zur gleichen Zeit heben im Bauerndorf Maschen Wilhelm Schütt, seine Brüder Rudolf und Wilhelm, Karl Meyer, Heinrich Kaiser, Wilhelm Kröger, Richard Bohlmann, Hermann Grebenstein und Hans Tiedemann den Verein aus der Taufe.

Wo sich die dem Wahlspruch ihres sportlichen Stammvaters Friedrich Ludwig Jahn ("frisch, fromm, fröhlich, frei") Verpflichteten trafen, ist nicht überliefert. Die meisten Unterlagen sind verschwunden, ein Vereinsarchiv existiert nicht. "Die Recherche war sehr schwierig", sagt Manfred Füßmann, der an der Jubiläumschronik arbeitet. Erst nach mehreren Aufrufen stellten Vereinsangehörige dem PR-Experten genügend alte Fotos und Unterlagen zur Verfügung. Herausbekommen, wo die Urväter trainierten, hat er nicht: "Darüber kann nur spekuliert werden. Sie werden jede freie Fläche genutzt haben." In erster Linie seien Scheunen, Schulräume oder die Gastwirtschaft Otto Meyer infrage gekommen.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die Maschener Turnerschaft eine Heimat. Wie in der Frühzeit des organisierten Sports üblich, gestattete mit Hermann Maack ein Gastwirt den Turnern das Training in einem neu errichten Saalanbau. Im Sommer bevölkerten die Turner einen Acker "bei Krübe" an der Horster Landstraße. An gleicher Stelle gingen auch die ersten Fußballer auf Torejagd. Heute befindet sich dort das Grundstück des Bäckers Ernst Heick. Bald kamen mit Werfen, Stoßen, Hoch- und Weitsprung sowie Laufen leichtathletische Disziplinen dazu.

Der Krieg war verloren, der Kaiser hatte abgedankt, die 20er-Jahre brachen an. Frauen durften in der ersten deutschen Demokratie wählen und - bis auf Fußball - unbehindert Sport treiben. Emmy Wilkens und die spätere Sportlehrerin Ottilie Hartig durchbrachen 1921 die Männer-Domäne. "Unser Sportlehrer bewegte uns zum Eintritt", erinnerte sich Wilkens 1986, "zunächst betrieben wir eine Art Gymnastik, dann Leichtathletik und Geräteturnen." 1923 erhielten die Damen einen Sitz im Vorstand. Wie der Verein durch den Nationalsozialismus kam, ist genauso unbekannt wie die Namen der Vorsitzenden (bis auf Otto Schäfer 1934).

1946 gründeten die Fußballer eine eigene Abteilung, das Gasthaus zum Bahnhof wurde Vereinslokal. Das Motto: "Kurz das Spiel und lang die Feier" war wohl auch der akuten Torknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg geschuldet. Pfosten und Latten waren der Brennstoffknappheit zum Opfer gefallen. Da der einbeinige Tischlersohn Hermann Meyer runde Torgestänge aus Fichten bastelte, trat die Dorfjugend gegen einen Lederball, aus dem oft die Gummiblase quoll und der mit Sattlerahle und Pechfaden genäht wurde.

1952 kam die Umbenennung in "Verein für Leibesübungen Maschen von 1911 e.V." an. Zwei Jahre später wurde der neue Sportplatz Alter Postweg auf einer 25 500-Quadratmeter-Fläche gebaut. In den 60er- und 70er-Jahren verbesserten Schulsporthalle, Schwimmbecken und Sportzentrum die Infrastruktur. Die Mitgliederzahl verfünffachte sich bis 1970 auf über 1000. Rekord bis heute: 2100 Mitglieder 1986.

Jüngste Erfolge sind der Aufstieg der Fußballer in die Niedersachsenliga 2005 und der Aufstieg des Badminton-Teams 2006 in die 2. Bundesliga. Ein Jahr später beschritt der VfL auch wirtschaftlich mit der Bennennung des Fußballplatzes nach seinem Hauptsponsor einen neuen Weg. Mittlerweile freut sich Vereinschef Horst Stender über leicht steigende Mitgliederzahlen. Der seit 2009 als Vorsitzender amtierende Stender will den Verein finanziell für die Zukunft rüsten und verspricht, "dass die Zeiten der gut bezahlten Söldner im Fußball vorbei sind". Zwar betrübt den ehemaligen Leistungskicker, dass die erste Mannschaft mittlerweile in die Kreisliga abgerutscht ist, er sieht in dem Niedergang aber auch "die Chance auf einen Neuanfang". Auch im Hinblick auf die kostspielige Tennis- und Badmintonabteilung, der der Hauptsponsor abgesprungen ist, erklärt Stender: "Wir werden nur noch Dinge machen, die wir finanziell verantworten können." So spricht ein nüchtern planender Sparkassenmensch, der nur in der Festwoche ordentlich auf die Pauke haut - frei nach dem Motto "Kurz das Spiel und lang die Feier".