Ingo Steppat startete beim Volkslauf in Jesteburg mit Rainer Brase, dem Mann, der ihn vor einem Jahr im Hallenbad Hittfeld wieder belebt hat

Jesteburg. Eigentlich war da nichts Auffälliges zwischen den beiden Männer, die sich beim Volkslauf in Jesteburg auf den Start über 10,5 Kilometer vorbereiteten. Der eine, Dr. Rainer Brase, die kräftigen Muskeln des Triathleten in enger Laufkleidung verpackt. Der andere, Ingo Steppart, schlank und Frische im Gesicht und graues Haar auf dem Kopf. Was die beiden verbindet, ist ein Grenzerlebnis in einer extremen Situation. Ingo Steppart war "tot". Rainer Brase, der Arzt, hat ihn ins Leben zurückgekämpft. Das Drama mit dem glücklichen Ausgang vollzog sich vor elf Monaten im Hallenbad in Hittfeld. Am Sonntag in Jesteburg sind die beiden das erste Mal gemeinsam mehr als zehn Kilometer nebeneinander hergelaufen und haben viel geredet und gescherzt.

"Für mich war das ein wunderschöner Lauf", erzählte ein lächelnder Doktor, "so hautnah mitzuerleben, wie ein Mensch, den man ins Leben zurück geholt hat, dieses Leben auch wieder aktiv und fit genießen kann, das hat mich tief berührt und glücklich gemacht."

Die Begegnung der beiden Männer im Hallenbad in Hittfeld hatte mit einem Schock begonnen. "Ich war gerade für das Sportabzeichen 200 Meter geschwommen", sagt Ingo Steppat, 67 Jahre inzwischen und Schriftsetzer in Rente. "Zu einem Sportkollegen sagte ich am Beckenrand: Ich muss gleich nach Hause, meine Frau hat sich bei einem Radunfall die Schulter gebrochen. An mehr kann ich mich nicht erinnern."

Ingo Steppat, als Rentner ein fleißiger Fitness-Sportler, war seinem Kollegen in die Arme gesunken. Die Mediziner sprechen von Tod durch Herzkammernflimmern, der Volksmund vom Sekundentod.

Und doch, der Rentner aus Rönneburg hatte am Ende seines Lebens wohl auch das größte Glück seines Lebens. Aus dem Schwimmbecken heraus hatte der Arzt Rainer Brase das Drama beobachtet. Er und mit ihm seine Frau Claudia, ebenfalls Ärztin, benötigten nur ein paar Sekunden, dann begannen sie mit der Wiederbelebung. "Nach einigen Minuten", erinnert sich der Arzt, "schlug er kurz die Augen auf. Da wusste ich, da ist noch ein Restkreislauf. Das Gehirn bekommt noch Sauerstoff." Der Bademeister brachte einen Defibrillator, der zum Hallenbad gehört. Als er Ingo Steppat auch durch die Stromstöße endgültig ins Leben zurückgeholt war, sagte er nur: "Ich muss jetzt aber nach Hause, meine Frau wartet doch." Nach nur einer Woche konnte er das Krankenhaus Harburg, wieder verlassen. Heute vergeht eigentlich kaum ein Tag, an dem er allein oder mit seiner Frau sportlich aktiv ist. Deshalb hatten ihm auch die 10,5 Kilometer in Jesteburg kaum Schwierigkeiten gemacht. "Und wenn es mal etwas bergan ging", sagt er, "dann hat der Doktor mich etwas zurückgehalten und dann sind wir ein Stück gemeinsam gegangen."

Rainer Brase, 54 Jahre alt, Triathlet und Geschäftsführer im Klinikum Warendorf, war zuvor zwölf Jahre als Anästhesist in Bremen im Rettungshubschrauber und Notarzt-Wagen im Einsatz. "Als Notarzt hat man so viele Fälle erlebt, wo man das Herz wieder zum Schlagen gebracht hat, aber der Kopf kam nie mehr richtig zurück. Deshalb ist da immer diese belastende Frage, helfe ich dem Menschen wirklich mit dem, was ich hier tue? Wenn man dann fast ein Jahr später zehn Kilometer lang neben dem Mann herlaufen kann, dem man geholfen hat - das ist einfach wunderbar."

Um zurück zu den sportlichen Wettbewerben mit insgesamt 775 Meldungen zu finden, der Sieg von Tim Tomczak über die 10,5 Kilometer hatte keines Wunders bedurft. "Ich weiß nicht, wie oft ich hier schon gestartet bin", sagte der 28-Jährige von der LG Nordheide, "eines aber weiß ich, ich habe jedes Mal gewonnen." Diesmal in 37:54 Minuten, das heißt, er ist jeden Kilometer in 3:36 Minuten gerannt. Schnellste Frau war Mike Kruse in 43:45 Minuten. Sieger über 20,5 Kilometer wurde Hans-Hermann Saß, 51 Jahre alt, vom TSV Gellersen in 1:23,14 Stunden. Bereits als Sechste war die schnellste Frau im Ziel. Birgit Schwartz-Reinken vom TV Meckelfeld in 1:32,56 Stunden.

Seit einigen Jahren wird beim Volkslauf in Jesteburg auch geradelt. Das Mountainbike-Rennen über 10,5 Kilometer gewann Frank Höppner von der Turnerschaft Harburg, das über 7,5 Kilometer der neunjährige Jannis Müller von der RSG Nordheide. Bei den Walkern gewann Waldemar Kerbel von Buchholz 08 über 10,5 Kilometer in 1:08,10 Stunden und Karl-Heinz Heinrichsen von Blau-Weiss Buchholz über 5,5 Kilometer in 34:57 Minuten. Und dann war da ja auch noch der sechsjährige Laurens van Baal vom gastgebenden VfL Jesteburg. Der war nicht nur der Schnellste über 400 Meter, Laurens stellte in 1:41 Minuten auch einen neuen Streckenrekord auf.