Großes Finale um den ADAC-Nordcup im Motocross beim MSC Elstorf

Elstorf. Noch klingt das Knattern der Rennmaschinen ruhig und friedlich. Die Fahrer, eng beieinander in einer langen Linie, tippen mit den Vorderrädern an das Eisengatter, das zu frühes Losjagen verhindert. Manche spielen mit dem Gas. Nur nicht den Motor abwürgen. Noch eine Minute bis zum Start, wird von vorn signalisiert. Das erste Aufdonnern der Motoren. Ein Knurren und Brüllen, als sei eine Reihe von Bestien bereit, sich aufeinander zu stürzen. Noch 30 Sekunden. Die Maschinen heulen auf. Der Krach schmerzt in den Ohren. Und dann kippt das Gatter. Die Fahrer schießen auf die Gerade. Die Hinterreifen schleudern Sand und Steine auf die Zuschauer. Das große Finale um den ADAC-Nordcup im Motocross. Das entscheidende Abschlussrennen auf dem spektakulären Sandkurs des MSC Elstorf.

Bei Raymond Ewerien, dem alten Haudegen im grün-weißen Leder, hatte es nicht geklappt. Er kam so spät los, dass er sich auf der Geraden mitten im Rudel der Verfolger befand. Aber das hier in Elstorf, das ist seine Bahn. Schon nach den ersten Kurven war der 53-Jährige mit seiner Kawasaki an vielen vorbei geschossen, hatte sich bereits auf Position drei vorgearbeitet. Ab der vierten Runde, als das Verfolgerfeld bereits weit auseinander gezogen war, übernahm Ewerien im Rennen der S 50-Klasse die Führung. Als er nach dem Sieg im Fahrerlager den Helm mit dem Gesichtsschutz abnahm, kam seine Frau: "Jetzt hattest du nicht einmal deine Brille auf." - "Macht nichts, die Strecke hier kenne ich so gut, die kann ich auch blind fahren." Ewerien, der Kfz-Mechaniker aus Meckelfeld gehört schließlich zu den Motorrad-Freaks, die vor mehr als 25 Jahren den Cross-Sport in Elstorf angeschoben und den Motor Sport Club Elstorf 1985 mit gründeten.

"Im Rahmen unserer 25-Jahresfeier können wir auch dieses Finale um den Nordcup ausrichten", erläuterte Nicole Streubel, Tochter des Vereinsvorsitzenden Paul Weltermann und an den Renntagen für die Zeitmessung und vieles andere verantwortlich. "Deshalb auch das Festzelt hier und die große Partie am Abend."

Der Saisonabschluss in Elstorf, das waren schon vor 25 Jahren legendäre Feste. Angefangen allerdings hat alles mit zwei jungen Burschen, die auf ihren 125'er Cagiva (eine Motorradmarke aus dem italienischen Varese) sich das erste Mal für Motocross, diesen wilden Ritt über mächtige Hügel und durch engste Sandkurven begeisterten. Raymond Ewerien und Martin Lemme, diese beiden sind als Erste in der Vereinsgeschichte zu finden. "Da diese Motorräder alles andere als wartungsfreundlich waren", so ist dort nach zu schlagen, beschaffte Martin Lemmes Vater Heinz von der Gemeinde die erste Fläche, auf der die Jungen ihre Rennmaschinen testen konnten.

Das wiederum sprach sich schnell herum. Immer mehr ließen sich für Motocross begeistern. Es wurde mehr Land angepachtet, die erste Trainingsstrecke mit Sprüngen und Hügeln angelegt. Zwei Jahre später, 1985 gründeten 20 Aktive den MSC Elstorf. Wer heute an der im ganzen Norden bekannten und populären Strecke steht, in dem geräumigen Klubhaus eine Wurst ist oder durch das ausufernde Fahrerlager wandert, der erlebt hautnah: 25 Jahre MSC Elstorf, das ist schlicht eine Erfolgsgeschichte. "Es war zuerst natürlich der Sport, aber es war auch immer schon die Freundschaft unter den Fahrern und die Geselligkeit, die mich seit 30 Jahren dabei halten", sagt das noch immer aktive Gründungsmitglied aus Meckelfeld. "In den ersten Jahren, da haben wir am Rande der Rennstrecken unsere kleinen Zelte aufgeschlagen und oft genug unterm Regenschirm unsere Maschinen repariert", erzählt Raymond Ewerien, "inzwischen sind meine Frau und ich längst mit dem Wohnmobil unterwegs. Aber wir freuen uns noch genauso auf die Kumpels, das Zusammensein und die Feiern."

Ehefrau Anke hat Raymond Ewerien übrigens bei einem Rennen kennen gelernt. "Meine Frau kennt alle Fahrer", erzählt der Rennsenior nicht ohne stolz, "viel besser als ich. Die weiß auch während eines Rennens genau, auf welcher Position jeder Fahrer liegt."

Andererseits, in 30 Jahren Motocross hat Anke Ewerien allerdings auch oft genug ins Krankenhaus begleiten müssen. Schlüsselbein, beide gebrochen, Handgelenke, beide kaputt, Oberschenkelhalsbruch, zweimal der gleiche, Schulterblatt, Rippen, der rechte Arm, man stürzt halt nicht nur die Maschinen zu Bruch. Rund 15 000 Euro kostet eine Rennsaison auch noch in der Seniorenklasse. "Wir könnten ein großes Haus haben", sagt Raymond Ewerien "und einen 500er Mercedes in der Garage. Aber wiegt das all den Spaß und die Begeisterung auf, die meine Frau und ich in 30 Jahren an und auf den Rennstrecken hatten? In dem einen Jahr, in dem ich nicht gefahren bin, standen wir kurz vor der Scheidung."

Der letzte Sieg im letzten Lauf um den Nordcup (die zweiten Starts am Nachmittag waren wegen der starken Regenschauer gestrichen worden) hat dem Gründungsmitglied des MSC Elstorf nicht den großen Erfolg gebracht. Den Sieg in der Gesamtserie um den Nordcup hatte er Uwe Blechinger, seinem Freund und Kollegen vom "Team Castrol Oetke" überlassen müssen. Dafür aber gewann Kevin Klebe aus Seevetal für den MSC Elstorf den Cup in der Klasse C1 bis 125 ccm. Bei der Ehrung der Nordcup-Sieger und dem Jubiläumsfest füllten mehr als 400 Gäste und Vereinsmitglieder das Festzelt.