Esther Rahn und Svenja Jäger vom Harburger Kanu-Club starten bei den deutschen Meisterschaften auf dem Fühlinger See in Köln

Harburg. Trotz der aufgeschlagenen Zelte, der mitgebrachten Wohnwagen, der ganzen Ferienidylle rund um den Fühlinger See in Köln - es sind die Tage der größten Anspannung und Last für Svenja Jäger und Cousine Esther Rahn. Am Mittwoch haben die beiden Hochleistungssportlerinnen vom Harburger Kanu-Club den Kampf um die deutschen Meistertitel im Rennkanusport aufgenommen. Das soll der Höhepunkt des Wettkampfjahres für die beiden Mädchen werden. Und darauf haben sie sich ehrgeizig und gewissenhaft vorbereitet.

Als Schlusspunkt mit dem 14 Tage währenden Trainingslager im Hamburger Leistungszentrum der Kanuten und Ruderer in Allermöhe. Da saßen sie nach der letzten Trainingseinheit auf einer Bank in der Abendsonne: Svenja Jäger, die stille 18-Jährige, daneben Esther Rahm, die ein Jahr jüngere Cousine und engste Vertraute und Klaus-Dieter Schmidt, das Trainer-Urgestein des Harburger Kanu-Clubs.

Über 70 ist der Mann inzwischen und seit fast einem halben Jahrhundert lenkt und führt er große Talente zur nationalen und wenn es besonders gut läuft, auch zur internationalen Spitze. Die Seack-Zwillinge trieb der Trainer bis zu olympischer Bronze an, das war 1984 und schon eine Ewigkeit her. Vor vier Jahren war er eigentlich soweit, sich endlich ganz seiner zweiten Leidenschaft, der Ahnenforschung, zu widmen. Dann entdeckter er Esther Rahm, ein großgewachsenes blondes Mädchen mit viel Talent und Kämpferherz. Aus Neumünster war sie zum Harburger Kanu-Club und zu Altmeister Schmidt gewechselt. Bald brachte sie auch ihre Cousine Svenja Jäger mit. Und die beiden Hochbegabten entfachten bei Klaus-Dieter Schmidt wieder das alte Feuer und die stille, zähle Leidenschaft.

"Die Mädchen haben hart gearbeitet für diese deutschen Meisterschaften", sagt Klaus-Dieter Schmidt, "viel entbehrt und geopfert."

Morgens vor dem Frühstück ein Lauf über acht Kilometern, dann Schnellkrafttraining mit den Hanteln. Auf der Zugbank bringen es die beiden auf gut 75 Kilogramm, aber 85 oder 90 Kilo sind das große Ziel. Das ist es, was die stärksten Frauen im internationalen Kanusport schaffen.

Der lange vereiste Winter hatte die Mädchen gezwungen, fast nur mit Hanteln und an den Kraftmaschinen die Muskeln für den Sommer aufzubauen. "Tag für Tag immer das gleiche", gesteht Svenja Jäger, "das war so öde, dass ich am Ende schon die Lust am Sport verloren hatte. So frustriert war ich in all den Jahren zuvor noch nie."

Auch die 17-jährige Esther, seit knapp fünf Jahren richtig drin im Leistungssport, hatte ihre Durchhänger. Und wie. "Im Grunde habe ich im gesamten vergangenen Jahr nie richtig Freude und Begeisterung an meinem Sport gefunden. Immer und immer wieder musste ich mich zusammenreißen und neu motivieren." Aber dann, wenn alles keinen Spaß mehr machte, war ja auch Svenja da. Und umgekehrt ist es Esther, die ihre Cousine aus den Tiefs herausreißt. Die beiden Mädchen sitzen schließlich in einem Boot, im Grunde auch dann, wenn sie im Einer gegeneinander fahren. "Was den eisernen Willen, was das Durchsetzungsvermögen betrifft", bestätigt ihr Trainer, "da geben sich beide nichts." Auch wenn man in diesem Sport den Schmerz nicht lieben muss, hinnehmen und durchstehen muss man die Qualen auf jeden Fall. "Bei den letzten 50 oder 100 Metern, da sind die Beine hart wie Stein, der ganze Körper brennt", sagt Esther Rahm.

Der Trainingsalltag zu Hause in Neumünster beginnt für die beiden nach der Schule gegen 16 Uhr. Meist dreimal in der Woche kommt Trainer Schmidt von Harburg zum Einfelder See. "Erst gegen 20 Uhr sind wir dann zu Hause", sagt Svenja Jäger. "Für manche Schularbeiten habe ich erst am Wochenende Zeit", sagt Esther Rahm. Ihre härtesten Konkurrentinnen haben sich in Sportinternaten und Leistungszentren einquartiert, wo sich die Schule dem Leistungsport organisatorisch unterordnet. Svenja und Esther sind bei den Eltern geblieben. Gemeinsam im Zweier haben sie auf dem Fühlinger See über 1000 Meter den Vorlauf gewonnen und sind ins Finale gepaddelt. Auch im Vierer mit zwei Mädchen aus Hannover haben sie über 200 und 500 Meter die Finalläufe erreicht, die Sonnabend und Sonntag gefahren werden.