Die Tipps von Moderator Jan von Witzleben beim Stover Rennen nachgespielt. Traditionsveranstaltung lockt wieder 10 000 Zuschauer an

Stove. Eines sage ich Ihnen gleich, es ist viel einfacher, mit einer vollen Geldbörse zum Stover Rennen anzureisen und mit einer leeren nach Hause zu fahren als umgekehrt. Doch möglich ist auch das. Man muss ja nur auf das richtige Pferd setzen. Genauer gesagt, auf die richtigen Pferde in den einzelnen Rennen. "Pferd Nummer 5, 7 und 8 im zweiten Rennen", sage ich selbstbewusst zu der Dame am Wettschalter. "Was wollen Sie damit?" fragt sie verständnisvoll und lächelt zurück. "Na, wetten natürlich", antworte ich. "Aber wollen Sie auf Sieg wetten, auf Platz, auf Sieg und Platz oder eine Zweier- oder Dreierwette kombiniert?", fragt sie. "Eigentlich interessieren mich die Pferde gar nicht. Ich will nur Geld verdienen."

Die Frau hinter dem Totalisator reagiert gelassen. "Aber selbstverständlich, dafür sitzen wir doch hier. Das wollen schließlich alle." Dann gibt mir Karin Pfadenhauer den ersten Unterricht im Ausfüllen der handlichen, gelben Wettscheine. Wir einigen uns darauf, dass ich eine Dreierwette anstreiche und die Pferde mit der Startnummer 5, 7 und 8 unter der Rubrik K ankreuze, was Kombination bedeutet. Sechs Euro kostet diese Wette "Und wann kann ich den Gewinn abholen", will ich wissen. "Wenn diese drei Pferde als Erste einlaufen, egal in welcher Reihenfolge", erläutert die Wett-Lehrmeisterin. Karin Pfadenhauer war 17 Jahre alt, als sie das erste Mal hinter einem der Schalter Platz nahm. "Und das ist bald 50 Jahre her", sagt sie.

Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mein Glück bei Pferderennen suche. Dabei habe ich mich nicht so sehr auf mein Glück, sondern auf den Pferdeverstand eines Experten verlassen. Jan von Witzleben, der seit Jahren mit seinen Kommentaren für Stimmung und Spannung beim Stover Rennen sorgt, hat seine Tipps für zehn Trabrennen abgegeben. Und die werden jetzt nachgespielt.

Das zweite Rennen ist gestartet. Zeit für Herzklopfen bleibt nicht. Ich hantiere mit Startprogramm, Wettschein und Kugelschreiber. 5 - 7 - 8, das sind meine Pferde. Jan von Witzleben nennt sie bei Namen: Conway, Sir Herten, Cathy Cain. Ich verliere die Orientierung. Eins verstehe ich sofort. "Die Acht galoppiert. Rot für die Acht." Aus und vorbei. Ich bin draußen. Und das bleibt so. Auch bei meiner zweiten und dritten kombinierten Dreierwette - jedes Mal wird ein Pferd disqualifiziert.

"Wie soll ich denn da jemals gewinnen?" Meine Frage an meine Vertraute hinter dem Wettschalter klingt nicht resigniert, eher verbittert. "Sie müssen das auch anders machen", gibt mir die Frau mit fast einem halben Jahrhundert Erfahrung wieder Mut. "Nehmen sie eine Zweierwette und kreuzen sie wieder drei Pferde an. Eins kann dann wegfallen, wenn aber zwei vorne ankommen, sind Sie immer noch im Geld." Ein guter Rat. Ich bleibe bei der Dreierwette und mache die Zweierwette dazu. So werden in jedes Rennen anstatt sechs zwölf Euro investiert. Das muss sich doch auszahlen. Scariemovie mit Manfred Walter im Sulky mit der Startnummer 4, Mum`s Tinka Bell mit Jan Fiedler, die Nummer 5 und Xerax mit Volker Riediger, die Nummer 8, so hat es der Experte vorgegeben. "Oh, ist das spannend, ist das dramatisch", überschlägt sich die Stimme von Jan von Witzleben am Mikrofon. "Manfred Walter mit Scariemovie führt, geht als Erster in den Schlussbogen. Aber da greift Jan Fiedler mit Tinka Bell an. Ein Rempler. Aber Tinka Bell kommt als Erster in die Zielgerade. Jan Fiedler hat zwei, drei Längen Vorsprung. Ja, das ist ein deutlicher Sieg." Und gleich dahinter laufen die Nummer acht und vier über die Ziellinie. Meine Pferde. Ich bin dabei. Ich bin drin. Gleich zweimal, mit der Dreier- und mit der Zweierwette. Diesmal kann ich nachempfinden, wenn sich wildfremde Menschen beim Zieleinlauf in die Arme fallen. Aber mitten in mein Glück heißt es vom Richterturm: "Es gibt eine Überprüfung." Es dauert eine Ewigkeit, dann höre ich aus den Lautsprechern: "Der Sieger wird disqualifiziert." Damit ist der Gewinn hinfällig. Als Trost bleibt die Zweierwette. Karin Pfadenhauer zählt mir 23,40 Euro vor.

Was mich mehr entmutigt, ist die Ahnung, wenn einen das Glück verlässt, kommt es auch nicht so schnell zurück. Genauso ist es. Sechsmal habe ich an diesem sonnigen Tag in Stove mein Glück herausgefordert. Und ich habe auf die Pferde gesetzt, die Jan von Witzleben empfohlen hat. In zehn von ihm getippten Rennen habe ich 102 Euro eingesetzt. Kassiert für die Zweierwette im sechsten Rennen habe ich 23,40 Euro. Da bliebe ein Minus von 78,60 Euro. Bliebe, wenn ich nicht zum Schluss auf die Expertin vom Totoschalter gesetzt hätte. Beim Großen Preis von Stove habe ich zehn Euro auf einen Wettschein einbezahlt, den mir Karin Pfadenhauer ausgefüllt hat. Der Einlauf, Manfred Walter mit Entertainer vor Ralf Oppoli mit Eckstein und Volker Riediger mit Dornier. Und den hatte Jan von Witzleben nicht auf der Rechnung. Als mir Karin Pfadenhauer für die Dreierwette 114,20 Euro auszahlt, hat sie herzhaft gelacht: "Jetzt haben wir es Jan von Witzleben aber gezeigt."