1500 Zuschauer lassen sich in Luhmühlen von stattlichen Hengsten und tapsigen Fohlen des Landgestüts Celle begeistern

Luhmühlen. Noch einmal verschärfen die drei Reiter den Galopp ihrer Pferde. Als diese mit lautem Schnauben und wehendem Schweif eine weitere Ehrenrunde drehen, klatschen die Zuschauer den Rhythmus dazu. Freude pur und beste Stimmung in der berstend vollen Kurt-Günter-Jagau-Halle in Luhmühlen. Es ist der Abend, an dem die Reiter und ihr Sport zu den Wurzeln zurückkehren. Es ist die große Show der Pferdezucht.

Allein 17 Hengste des traditionsreichen Landgestüts Celle präsentieren sich den Pferdefreunden. Und die drei, die Dr. Axel Brockmann, der Landstallmeister des niedersächsischen Zuchtbetriebes, gerade via Mikrofon vorgestellt hat, repräsentieren den Stolz, den Erfolg und die Zukunft der Zucht. Mit in der Ehrenrunde, stark und stolz, auch Canstakko. Als Springvererber ist der Hengst hoch begehrt, im Springparcours, so wetten die Experten, wird er bald ein internationaler Star. Und hinter Canstakko galoppiert - kleiner, wendiger, aber schon genauso selbstbewusst - Concours Complet, sein Sohn.

Dieser hoffnungsvolle Dreijährige, der erstmals seinen Liebesdienst auf der Deckstation in Roydorf antreten wird, ist ein echter Luhmühlener Junge. Wer könnte die Geschichte seines noch jungen Pferdelebens liebevoller erzählen, als Katharina Tietz, seine Züchterin. "Es war morgens gegen halb vier, als er zur Welt gekommen ist", beginnt die 27-Jährige in einer Ecke der Halle, während Concours Complet unter dem Beifall der etwa 1500 Besucher aus der Halle galoppiert. "Ich war schrecklich aufgeregt. Seine Mutter aber erledigte die Geburt gelassen und routiniert in zehn Minuten. Nach 20 Minuten stakste der Kleine schon durch die Box, inspizierte die neue Welt und nahm die ersten Schlucke bei der Mama. Vom ersten Augenblick an war da diese selbstbewusste Gelassenheit. Die hat man eben auch hier erlebt. Die vielen Menschen, die Musik, das Drumherum und er bleibt völlig cool." Was erinnert bei dem Sohn an die Mutter? "Sein Gesicht, der Guck, wie wir Züchter und Reiter sagen, genauso wach und intelligent wie bei der Mutter."

Die Dressur- und Vielseitigkeitsreiterin Katharina Tietz und ihre Stute Anakonda - das ist der Ursprung dieser züchterischen Erfolgsgeschichte. "Sie war das Pferd, mit dem ich mich in die ersten Turniere wagte", erzählt die 27-Jährige, die nach dem BWL-Studium gerade eine Ausbildung zur Pferdewirtin macht. "Gemeinsam sind wir in der Vielseitigkeit vorangekommen. Anakonda, die in diesen Tagen wieder Mutter wird, ist sehr ehrgeizig und willig. Sie hat mich nie im Stich gelassen. Sie ist intelligent und selbstbewusst dabei."

Da gab es diesen Ritt im Gelände. Vor einem sehr schwierigen und engen Hindernis klatscht der Reiterin eine Eichel ins Auge. "Ich hatte Schmerzen, die Augen voller Tränen, war völlig hilflos", erinnert sich die junge Züchterin, "aber mein Pferd hat mir signalisiert, bleib ruhig Mädchen, ich mache das schon'. Und Anakonda hat mich ohne jede Hilfe über das Hindernis getragen."

Um auf die Zucht möglichst erfolgreicher und damit teurer Turnierpferde zurückzukommen: In der Abstammung, der Familienchronik, werden nur die Namen der Hengste festgeschrieben. "Viel entscheidender aber ist der Stammbaum der Mütter", klärt der Züchter und Organisator der Hengst-Show, Jürgen Stuhtmann, auf. "Da gehört Anakonda mit zu dem Besten und Erfolgreichsten, was es in der europäischen, vielleicht sogar in der weltweiten Zucht überhaupt gibt. Ihre Mutter ist auch die Mutter von Butts Avedon, dem Spitzenpferd von Andreas Dibowski."

Katharina Tietz wählte für ihre Lieblingsstute aus dem ruhmreichen Vielseitigkeitsgeschlecht mit Canstakko wiederum ein hochbegabtes Springpferd als Vater. Und der Sohn Concours Complet, dem Katharina Tietz im Stall der Familie Bostelmann in Luhmühlen auf die Welt half, gilt schon am Beginn seiner Laufbahn als prämierter Hengst und zukünftiger Sportler als begehrter Samenspender. "Vier Portionen von ihm sind schon aus Frankreich bestellt worden", erzählt die Züchterin lächelnd.

In der Halle um sie herum ist es für Augenblicke still geworden. Auf den Gesichtern vieler Besucher liegt dieses verklärte Lächeln. Das Fohlen, das unten durch den Sand springt, hat die Ohren gespitzt, schaut furchtsam und neugierig zugleich in die Ränge. Zehn Tage ist dieses flauschige Bündel auf den viel zu dünnen Beinen alt. Es öffnet einem das Herz und verdrängt für Augenblicke all das Wissen und Kalkulieren, das Abwägen und Planen der so ausgeklügelten Pferdezucht.