Der Reit- und Fahrverein Auetal hatte 150 Gäste aus Europa und China zu Gast auf dem Hof Sudermühlen.

Egestorf. Dieses aufgeregte, suchende Wimmern und Heulen der Hundemeute, das leichte Beben der Erde, dass die Zuschauer in den Fußsohlen spüren, wenn die lang gezogene Karawane der Reiter ihre Tiere im Galopp der Meute hinterher treibt - das große Schauspiel der Herbstjagd rund um den Hof Sudermühlen und die Wiesen und Felder von Egestorf hat auch diesmal wieder alle in den Bann gezogen. Vor allem zum Ausklang - die Stammgäste der Schleppjagd wissen es längst - beim allerletzten Sprung wird es spannend. Der Jagdherr im roten Rock, Stefan Rabeler, springt als Erster über da Hindernis, es folgen immer mehr Reiter. Die Tiere fliegen nach unten, ihre Reiter reißt es für einen kurzen Augenblick nach hinten, fast aus dem Sattel. Manche stoßen Freudenschreie aus, andere lassen die Zügel los und reißen die Arme nach oben. Ein Reiter in Rot landet kopfüber im Matsch, rafft sich auf. Die Wiese füllt sich mit dampfenden Pferden. Die Frauen und Männer im Sattel haben vor Anstrengung rote Gesichter und sehen frei und glücklich aus.

"Es muss 1949 gewesen sein, da wurde zur ersten Herbstjagd eingeladen", sagt Ludwig Riebesehl, der Schatzmeister des ausrichtenden Reit- und Fahrvereins Auetal, als die Teilnehmer und Zuschauer im Hof der Hotelanlage um Erbsensuppe, Kaffee und Bier anstehen. "Inzwischen ist das längst die bekannteste und populärste Schleppjagd hinter der Hundemeute in Norddeutschland. Diesmal sind 150 Reiter dabei, und die sind aus ganz Europa angereist", so Riebesehl.

Von der Wiese her erschallt das Halali der Jagdhornbläser über die Jagdgesellschaft hinaus in die Heide. Das Knurren und Fletschen der Foxhound-Meute des Hamburger Schleppjagd-Vereins ist eindringlich und fordernd geworden. Sie verzehren gerade ihren Lohn, das Curée, dampfende Pansen, die in Sekundenschnelle verschlungen sind.

Die Reiterinnen und Reiter sind inzwischen abgestiegen, reihen sich ein in eine kleine Schlange. Martha Rabeler, die Hausherrin vom Hof Sudermühlen, steht dort im grünen Loden und einem Korb unter dem Arm. Der ist gefüllt mit kleinen Tannenzweigen, dem Bruch. Mit einem "Waidmannsheil" überreicht Martha Rabeler die Zweige, mit "Waidmannsdank" und vertrauten Kompliment werden sie entgegen genommen. Seit mehr als 30 Jahren freut sich Martha Rabeler auf dieses Ritual, das für die junge Frau aus Hamburg 1977 sozusagen zur Beigabe ihrer Ehe gehörte. Ihr Mann, Karl Rabeler, Hausherr auf Sudermühlen und Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Auetal, ist auch heute noch die Seele dieses sportlichen und gesellschaftlichen Ereignisses.

Er selbst ist es, der alle Jahre wieder die Jagdstrecke neu festlegt, Hindernisse verändert und neue aufbaut, für Abwechslung im Gelände sorgt. "Bei mehr als 500 Herbstjagden bin ich mitgeritten", rechnet er kurz hoch. Den roten Rock hat er aufgeknöpft, zwei Reiterfreunde aus Brügge wollen mit ihm anstoßen. Karl Rabeler ist mit einem Nachwuchspferd im letzten Feld, in dem nicht gesprungen wird, mitgeritten. Die Aufgabe des Jagdherrn hat der Senior schon vor einigen Jahren an Sohn Stefan weitergegeben. Der führt das erste Feld an, in dem gesprungen werden muss. Der Jagdherr wird von zwei Piqueren begleitet. Helge Schmidt war mit Ehefrau und Tochter aus Genf angereist. "In früheren Jahren sind sie aus Paris gekommen, wo sie lange gelebt haben", sagt Martha Rabeler, "der zweite Piquere war Jürgen Kröll aus München." Und dann saß auch Mister "Logos" im Sattel, der Stammgast aus China. "Ich habe vergessen zu fragen, ob er aus den USA oder China angereist ist", sagt Martha Rabeler.

Warum in einer Zeit, in der sich alles zu verändern scheint, die Tradition so beliebt geblieben ist? "Es sind sicher die Geselligkeit und die schöne Kameradschaft, die dieses Event so jung hält", sagt Martha Rabeler, "dabei haben sich über all die Jahre und alle Grenzen hinweg so viele wunderbare Freundschaften entwickelt. Wenn wir uns verabschieden, freut sich jeder auf das nächste Jahr."