Kirchdorf. „Sie sind ein Vorbild für uns, in vielerlei Hinsicht“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard, als sie am Sonnabend Gudrun Halbrock zum 90. Geburtstag gratulierte. Die Feier fand in der Kita Prassekstraße statt, wo die 90-jährige mit 90 Kindern zusammen feierte. Sie war nicht etwa als Ruheständlerin nach Kirchdorf gekommen.
„Das habe ich einen Tag lang versucht: zu leben, wie man es von einem Rentner erwartet“, sagte sie. „Es hat mich ganz furchtbar gelangweilt. Man muss ja auch nicht einfach nur auf einer Parkbank sitzen. Es gibt für alte Menschen soviel zu tun. Wir werden überall gebraucht.“
Also hat Gudrun Halbrock, nachdem sie als Gewerbelehrerin pensioniert wurde, noch eine Ausbildung zur Psychotherapeutin absolviert und arbeitet seitdem und immer noch als Therapeutin für Kinder. Da sie außerdem noch die Pension bezieht, gehen alle Einnahmen aus der Therapeutinnentätigkeit in eine Stiftung, die sich für eine respektvolle Kindererziehung einsetzt.
Schon während ihrer 34-jährigen Dienstzeit als Lehrerin hatte Gudrun Halbrock berufsbegleitend ein Psychologiestudium abgeschlossen – als allein erziehende Mutter. Außerdem leitete sie Eltern- und Erziehergruppen und ist Mitbegründerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) und war lange dessen Vorsitzende. Nach Feierabend unterrichtete Gudrun Halbrock auch noch in dem Heimschulen der Erziehungshilfe.
Gemeinsam mit anderen Erziehungswissenschaftlern entwickelte Gudrun Halbrock die Eltern- und Erzieherkurse von STEP (Systematisches Training für Eltern und Pädagogen). Erziehung „aus dem Bauch heraus“ führe heute oft zu Dauerbespaßung, Verwöhnung und Überbehütung der Kinder, lautet der Denkansatz der Kurs-Entwickler. Dabei vernachlässigen Väter und Mütter oft genug ihre eigenen Ziele und überfordern sich.
„Ohne Strafen und ohne autoritären Druck erziehen bedeutet nicht, die Zügel schießen zu lassen“, sagt Gudrun Halbrock. Sie empfiehlt einen „unterstützenden Umgang mit Kindern“, der ihnen auch Grenzen setzt. „Kinder haben ein Recht auf qualifizierte Erziehung“, fordert die Psychotherapeutin und engagiert sich dafür.
In der Kita Prassekstraße ist Gudrun Halbrock wohlbekannt. Die Kindertagesstätte des städtischen Trägers „Elbkinder“ qualifizierte sich schon mehrmals als STEP-Kita. Sowohl Eltern als auch das pädagogische Personal der Kindertagesstätte absolvieren regelmäßig Fortbildungskurse. Finanziert wird die Teilnahme an diesen Kursen von der Gudrun-Halbrock-Stiftung.
Die 90 Kinder der Kita hatten einen Geburtstagstisch für die Jubilarin vorbereitet, sangen zwei Ständchen und bejubelten das Auspusten der Kerzen. Ab der zweiten Rede hatten sie allerdings frei und machten das Gelände unsicher. Die dritte Rede kam von Sozialsenatorin Melanie Leonhard, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der „Elbkinder“ ist.
„Sie sind ein Vorbild für uns, in vielerlei Hinsicht“, sagte Leonhard, „nicht nur durch ihr Engagement im Alter. Sondern auch, weil Sie in einer Zeit in der das gesellschaftlich nicht anerkannt war, ihre Tochter allein erzogen und voll berufstätig waren. Damit haben sie vielen Frauen in Hamburg ein Beispiel gegeben.“
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