Harburg/Wilhelmsburg. Stefanie Müller sucht Harburger „Balus“. Das heißt, das stimmt nicht ganz: Viele kleine „Moglis“ suchen in Harburg „Balus“, und Stefanie Müller, Pädagogin beim Malteser Hilfsdienst, hilft dabei. „Balu und Du“ ist ein Mentoring-Programm. In Anlehnung an Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ sind „Moglis“ dabei Kinder im Grundschulalter, die hier und da einen Anreiz benötigen, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. „Balus“ sind Jugendliche und Jungerwachsene zwischen 17 und 30 Jahren, die sich im Dschungel des Lebens schon etwas auskennen.
In Deutschland gibt es „Balu und Du“ seit 22 Jahren, in Hamburg seit zehn. Jetzt soll der Hamburger Süden eine eigene Region des Projekts werden. Am kommenden Montag gibt es eine Online-Informationsveranstaltung für interessierte Balus.
Einmal pro Woche treffen sich Balu und Mogli für ein bis drei Stunden
Mentoring-Programme gibt es viele. Das Besondere an „Balu und Du“ sind die Altersgruppen, die zueinandergebracht werden. Mentees (gesprochen: Menties; betont: hinten; übersetzt: die, die das Mentoring erhalten) sind Grundschulkinder. „In diesem Alter sind Kinder noch empfänglich für Anregungen durch Ältere“, sagt Stefanie Müller, „später beginnt die Orientierung nach Gleichaltrigen. Trotzdem wählen wir als Mentoren bewusst eine sehr junge Altersgruppe, die von den Moglis nicht als ein weiterer Lehrer oder noch ein Elternteil wahrgenommen wird, sondern eher, wie ein großer Bruder oder die coole Tante.“
Einmal pro Woche treffen sich Balus und Moglis für ein bis drei Stunden, und das über ein Jahr. Das klingt übersichtlich, ist für die Balus, die am Anfang ihres Erwachsenenlebens auch noch genug eigene Zukunft planen, organisieren und ab und zu wieder umplanen müssen, manchmal eine Herausforderung. Für die Balus liegt zusätzlich zu den Treffen mit den Moglis auch noch alle zwei Wochen ein Treffen mit anderen Balus und Stefanie Müller, das so genannte Seminar, an. Alle Balus erhalten eine Bescheinigung über ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Das kann später, beispielsweise bei Stipendienbewerbungen, wichtig sein.
Gerade Mädchen aus Familien sozial schwacher Schichten können profitieren
An möglichen Moglis gibt es keinen Mangel. Lehrer und Sozialarbeiter wissen von dem Programm und empfehlen Kinder, die ohne etwas äußeren Anreiz entweder den Anschluss verlieren oder aber einfach in ihrem Alltagsumfeld unter ihren Möglichkeiten bleiben würden. „Wir sehen unser Programm als Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit“, sagt Dominik Esch, geschäftsführender Vorstand und Mitbegründer des Vereins „Balu und Du“ in Deutschland.
Eine von vielen Wirkungen ist, dass sich die späteren Einkommenschancen gerade weiblicher Moglis erhöhen. Dass Mädchen und Frauen bei der beruflichen Karriere- und Gehaltsentwicklung benachteiligt werden, ist nicht neu. Diese Benachteiligung beginnt bereits im Jugendalter. Daher können insbesondere Mädchen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status von der Teilnahme am Angebot von Balu und Du profitieren.
Allein durch die Zeit, die Balus mit den Moglis verbringen, erweitern sie deren Horizont
Balus müssen keinen pädagogischen Hintergrund haben. Wichtig ist, dass sie im Leben stehen und allein durch die Zeit, die sie mit den Moglis verbringen, deren Horizont erweitern. Die Aktivitäten können vom Ball-Bolzen über Ausflüge oder Museums- und Konzertbesuche variieren. „Was uns von den Balus immer wieder zurückgemeldet wird, ist, dass auch sie das Gefühl haben, dass ihr Leben und ihr Erfahrungsschatz durch ihr Mentoring bereichert wird“, sagt Stefanie Müller.
Die Idee zu „Balu und Du“ ist in Israel entstanden. 2001 startete das Projekt in Deutschland. Mittlerweile gibt es 161 Standorte in der Bundesrepublik. Der Dachverein „Balu und Du e.V.“ sucht sich in den einzelnen Orten Kooperationspartner aus dem sozialen Bereich. In Hamburg sind es die Malteser.
Stefanie Müller koordiniert den neuen Standort vom „Malteser-Campus“ aus
Zum 20-jährigen Bestehen des Projekts in Deutschland, gleichzeitig dem zehnten Jahrestag in Hamburg, waren eigentlich große Feste geplant. Diese fielen aber der Pandemie zum Opfer. Stattdessen hat sich der Trägerverein ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Geplant ist, in den kommenden drei Jahren die Anzahl der Standorte und damit der möglichen Patenschaften zu verdreifachen. „Das sind hohe Ambitionen“, so Dominik Esch, „aber jedes einzelne Kind sollte uns den Versuch wert sein!“
Hamburg-Süd ist einer der neuen Standorte. Stefanie Müller koordiniert ihn vom neuen „Malteser-Campus“ aus, der sich in der restaurierten Maximilian-Kolbe-Kirche in Wilhelmsburg befindet. Am Montag ist ein Online-Informationsabend ab 17.30 Uhr geplant.
Für Auskünfte und den Link ist Müller telefonisch und per Email-erreichbar (Kontaktdaten siehe unten). Interessenten werden auch noch zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.
Nähere Informationen zum Projekt im Süden: www.malteser-im-norden.de/angebote-und-leistungen/familien-und-junge-leute/balu-und-du/balu-und-du-hamburg-1 oder per Email oder Telefon direkt bei Stefanie Müller: stefanie.mueller5@malteser.org, 0151/62 59 40 84.
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