Projekt in Harburg

Politik streitet um das Habibi-Atelier

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Lars Hansen
"Ich will in Harburg bleiben", erklärt Habibi-Leiter Sly. Im Hintergrund blickt Berufsschul-Praktikantin Faezeh der Habibi-Künstlerin Inge Förtsch über die Schulter. 

"Ich will in Harburg bleiben", erklärt Habibi-Leiter Sly. Im Hintergrund blickt Berufsschul-Praktikantin Faezeh der Habibi-Künstlerin Inge Förtsch über die Schulter. 

Foto: Lars Hansen / xl

Der Bezirk Harburg brüstet sich gerne mit dem Projekt, und doch steht es auf der Kippe. Finanziert ist das Atelier nur noch bis Ende August

Harburg. Wie geht es weiter mit dem „Habibi-Atelier“? Die offene Künstlerwerkstatt im Obergeschoss der Harburg-Arcaden ist längst über das Flüchtlingsprojekt hinausgewachsen, als das sie 2015 begann. Hier finden Integration und Inklusion statt, hier können sich Harburgerinnen und Harburger jeder Herkunft künstlerisch ausprobieren oder ihre Talente im Austausch mit anderen ausbauen. Der Bezirk Harburg brüstet sich gerne mit dem Projekt, und doch steht es auf der Kippe: Finanziert ist das Atelier nur noch bis Ende August. Danach könnte es eventuell – dem Ukraine-Krieg geschuldet – wieder als Flüchtlingsprojekt bezahlt werden.

Konkrete Zusagen gibt es aber nicht. In der Bezirksversammlung gab es deswegen Zoff: Die Linke warf der Koalition die Geringschätzung von Kunst und Künstlern im Bezirk vor und forderte die volle Finanzierung für dieses und die kommenden Jahre.

„Habibi-Atelier muss in Harburg erhalten bleiben!“

„Das Habibi-Atelier muss in Harburg erhalten bleiben“, sagt der Linken-Abgeordnete Heiko Langanke, der auch Vorsitzender des Kulturausschusses der Bezirksversammlung ist. „Der Künstler Sly leistet dort eine wichtige soziale Arbeit. Sie ist vor etlichen Jahren in und aus der Flüchtlingsarbeit entstanden und weist eine außergewöhnlich hohe Kompetenz auf. Besondere Fähigkeiten hat das Atelier in der Arbeit mit Kindern, aber auch in der Inklusion bewiesen.“

„Habibi“ ist das arabische Wort für „Liebling“

„Sly“, sein voller Name ist Zlatan Kristicivic, ist Maler und Bildhauer. 2015 begann er Kreativprojekte in den Flüchtlingsunterkünften Hamburgs, um den unterforderten, unterbeschäftigten und gleichzeitig oftmals traumatisierten Neuankömmlingen ein künstlerisches Ventil zu geben. Bald bekam er eine feste Basis in den Harburg-Arcaden. Mit der zunehmenden Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft und die Arbeitswelt wurde diese Nutzergruppe des Ateliers kleiner. Dafür kamen andere. Besuche im Habibi sind beispielsweise für viele Behinderteneinrichtungen ein fester Bestandteil des Wochenplans.

Künstler ohne Atelier, Talente, die zu Hause keine Ruhe zum Arbeiten finden und Künstler, denen im eigenen Atelier die Decke auf den Kopf fällt, kommen zum Arbeiten hierher und unterstützen ganz nebenbei die Arbeit mit Flüchtlingen und Behinderten. Sly nennt sie seine „Habibis“, das ist das arabische Wort für „Lieblinge“. Dazu betreut das Atelier regelmäßig Praktikanten aus den Berufsvorbereitungsklassen der Gewerbeschule in Wilhelmsburg. Alle Habibis zusammen engagieren sich in der Obdachlosenhilfe, indem sie jährlich im Dezember Kunstwerke zur Verfügung stellen, die von Harburgerinnen und Harburgern gegen nützliche Sachspenden für Obdachlose – Schlafsäcke, Hygienepakete, Decken – eingetauscht werden können.

Die Arbeit des Habibi-Ateliers ist facettenreich

Die Arbeit des Habibi-Ateliers ist so facettenreich, dass sie nur schwer zu kategorisieren ist: Stadtteilkultur? Sozialtherapie? Behindertenarbeit? Ein bisschen von allem, und da liegt die Crux: Sie lässt sich keinem Etat zuordnen. Finanziert wird das Habibi seit Jahren aus dem Quartiersfonds der Bezirksversammlung. Der ist offiziell zur Anschubfinanzierung von Stadtteilprojekten gedacht, wird aber, und das nicht nur im Bezirk Harburg, regelmäßig für Dauerzuschüsse verwendet, für die der Bezirk in anderen Töpfen kein oder zu wenig Geld hat, beispielsweise die Betriebskosten des Freibades Neugraben, die Arbeit des Kulturhauses Süderelbe oder das Binnenhafenfest. Für das Habibi-Atelier soll dieses Geld zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Summe, um die es geht, ist überschaubar. Gut 43.000 Euro jährlich für die Ateliermiete, Material und ein Honorar für Atelierleiter Sly. Zum Vergleich: Ein Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst verursacht Kosten von ca. 52.000 Euro ohne Raummiete und Material und nur, wenn er direkt bei der Stadt beschäftigt ist und nicht in einem Trägerverein. Aber der Quartiersfonds ist endlich: knapp 900.000 Euro stehen der Bezirksversammlung zur Verfügung. „Wir müssen genau überlegen, wofür wir solches Geld ausgeben“, sagte die SPD-Abgeordnete Natalia Sahling, als sie begründete, warum die rot-grüne Koalition den Linken-Antrag ablehnt, „wir wollen keine staatlich alimentierten Bezirkskünstler!“

Die Formulierung sorgte für Empörung, erinnert sie doch an die „staatlich alimentierten Messermänner“ der AfD-Politikerin Alice Weidel. Natalia Sahling tut diese Formulierung auch leid: „Das war nicht gut ausgedrückt“, sagt sie. „Und wir wollen das Habibi-Atelier erhalten, aber wir wollen auch eine andere Finanzierung dafür finden.“

„Harburg braucht das Habibi. Ich will hierbleiben!“

Einen konkreten Vorschlag haben SPD und Grüne bislang allerdings nicht. Eventuell, so Sahling könne man das Atelier jetzt wieder als Flüchtlingsprojekt finanzieren. Zusagen dafür gibt es aber noch von keiner Seite.

Dabei hat das Habibi-Atelier schon mit dem Harburger Roten Kreuz Kontakt aufgenommen, um Projekte mit Ukraine-Flüchtlingen zu starten. „Die sind in den Unterkünften alle unterfordert“, sagt Sly. „Sie brennen darauf etwas zu machen. Aber ich möchte nicht ein Projekt mit ihnen beginnen und gleich nach dem Start sagen müssen, dass ich das Atelier schließen muss.“

Kommt nicht bald eine Geld-Zusage aus dem Harburger Rathaus muss Sly tatsächlich die Räume kündigen und seine Arbeit woanders fortsetzen Das will er aber nicht: „Harburg braucht das Habibi. Ich will hierbleiben!“

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