Baustellen-Besuch

4100 Tonnen Stahl sinken bei Finkenwerder leise in den Boden

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Lars Hansen
Ein Arbeiter holt den Rüttelkopf ein, mit dessen Hilfe die Teile der Spundwand in den Boden gesetzt werden.

Ein Arbeiter holt den Rüttelkopf ein, mit dessen Hilfe die Teile der Spundwand in den Boden gesetzt werden.

Foto: Lars Hansen / xl

Am Steendiekkanal kommt ein nervenschonendes Bauverfahren zum Einsatz. Finanzsenator Andreas Dressel sah sich das an.

Harburg.  Viele Jahre mussten die Finkenwerder jetzt schon auf einen ihrer beliebtesten Fußwege, den an der Westseite des Steendiekkanals, verzichten. Unterspülungen hinter der gut 100 Jahre alten Kaimauer hatten dazu geführt, dass der Weg weggesackt war und Löcher entstanden, in die problemlos ein erwachsener Mensch fallen könnte.

Über Jahre stritten sich verschiedene Behörden darum, wer für die Sanierung zuständig sei, bis der Senat die Sache an sich nahm, dem Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen übertrug und der wiederum die Realisierungsgesellschaft (ReGe) mit der Kaimauersanierung beauftragte. Nach langer Zeit vorbereitender Arbeiten wird seit Anfang des Jahres sichtbar gebaut. Vor die marode alte Mauer wird eine Stahl-Spundwand gesetzt. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Chef des LIG, besah sich am Montag die Baustelle und ließ sich das Verfahren vorführen, mit dem die einzelnen Bohlen der Spundwand eingerammt werden.

22 Meter lange Stahlbohle in wenigen Minuten im Boden

Rammschläge hört man gar nicht. Es ist eher eine Mischung aus Brummen und Rütteln, das die Maschine aussendet, die sich zwischen Kranhaken und Bohlenende befindet. „Der Kopf versetzt die Bohle in Vibrationen“, sagt Polier Dirk Blumenhagen, „Das hebt die Mantelreibung auf und wir können die Bohle versenken.“

Obwohl die vibrierende Stahlbohle im Erdreich steckt, leistet dieses keinen Widerstand. Innerhalb weniger Minuten sinkt das fast 22 Meter lange Werkstück durch seine neun Tonnen Eigengewicht langsam in den Boden. Jede Bohle ist 140 cm breit, aber immerhin sind auch 650 Meter Wand zu setzen.

Wenn die Wand steht, wird dahinter das Wasser abgepumpt und die Lücke zwischen alter und neuer Wand mit Sand gefüllt. Danach füllen die Bauleute die alten Versackungen auf und schließlich wird ein neuer Weg angelegt. Mindestens die alte, für Fußgänger ausgelegte Uferpromenade soll wieder hergestellt werden. Im Gespräch ist auch, parallel noch eine Veloroute oder gar ein Stück Radschnellweg anzulegen. Mitte 2023 könnte alles fertig sein.

Mitte 2023 soll Weg fertig sein und Radweg neu entstehen

Das ist noch lange hin, aber die Finkenwerder freut es trotzdem: „Der Zustand und die Sperrung dieses Weges begleiten mich schon mein ganzes kommunalpolitisches Leben“, sagt Ralf Neubauer (SPD), Bürgerschaftsabgeordneter und Vorsitzender des Regionalausschusses Finkenwerder. „Dass ein Ende absehbar ist und der Weg bald wieder begangen werden kann, freut hier im Stadtteil alle. Das Hin und Her zwischen den einzelnen Behörden hat hier niemand verstanden!“

Die Kosten für die Sanierung summieren sich brutto auf rund 23 Millionen Euro. Auch deshalb interessiert sich Finanzsenator Dressel für das Projekt. „Das sind ja Steuermittel in einem relevanten Umfang“, sagt er, „aber sie sind gut verwendet. Mit Abschluss der Sanierungsarbeiten wird nicht nur der Uferabschluss am Steendiekkanal erhalten und langfristig gesichert, sondern auch das Ufer selbst wieder erlebbar gemacht. Und Grundvermögen (LIG) bringt hier die gesamte Expertise in Bezug auf Kaimauersanierung ein und profitiert von den Erfahrungen mit vorangegangenen Projekten auf der anderen Elbseite.“

Mehr als 400 Stahlbohlen sind mit dem Schiff angeliefert worden

4100 Tonnen Stahl werden von Süden nach Norden verbaut. Die über 400 einzelnen Bohlen wurde per Schiff in vier Fuhren angeliefert und auf dem Steendiek-Kai abgelegt. Die Spundwand verläuft zirka zwei Meter vor der alten Ufermauer, so dass am Ende sogar mehr Fläche für Fuß- und Radwege entsteht, als zuvor vorhanden war. Damit die Spundwand hält, bekommt sie eine Rückverankerung, die aus rund 230 Schrägpfählen besteht. Im Mündungsbereich des Kanals wird die Spundwandvorsetze nicht im Wasser, sondern innerhalb der vorhandenen Böschung hergestellt.

Im gesamten Hamburger Hafenbereich haben in die Jahre gekommene Kaimauern in letzter Zeit für Probleme gesorgt. Ein großer Teil dieser Wasserbauwerke ist mehr als 100 Jahre alt und tatsächlich noch gemauert. Strömung und Gezeitenwechsel belasten die Strukturen, so dass sich über die Jahrzehnte Schwachstellen entwickeln. Auch im Harburger Binnenhafen ist dies ein erhebliches Problem. Dort werden derzeit die Kaimauern am Treidelweg und am östlichen Bahnhofskanal aufwendig saniert. Anders als am Steendiekkanal will man hier ihre historische Optik erhalten. Das wäre am Steendiekkanal mit 650 Meter Bauwerkslänge unbezahlbar.

Bleibt die Frage: Was wird aus dem Bürohaus der Deutschen Werft?

Am Ende der Sanierungsstrecke am Kanal in Finkenwerder wartet dann schon das nächste Langzeitprojekt des Inselstadtteils: Das ehemalige Bürohochhaus der Deutschen Werft. Noch dominiert es die Skyline auf der Rüschhalbinsel. „Zuletzt hieß es, es solle in diesem Frühjahr abgerissen werden“, sagt Ralf Neubauer, „aber das Frühjahr ist vorbei und das war auch nicht die erste Abrissankündigung.“

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