Wilhelmsburg . Ohne Schule keine Schulspeisung. Hunger haben die Kinder aber trotzdem. Mit einer pfiffigen Idee rückt das Wilhelmsburger Projekt „Die Gläserei“ diesem Dilemma zu Leibe – und ist dabei noch nachhaltig und umweltfreundlich. Kinder, deren Eltern kein Geld haben, haben im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets einen Anspruch auf ein kostenloses Mittagessen in der Schule. In den Hamburger Schulen findet derzeit wegen der Coronamaßnahmen allerdings kein Unterricht statt.
Damit entfällt auch das Schulessen für fast alle Hamburger Schüler. In Wilhelmsburg haben sich nun kreative Köpfe zusammengefunden und einen Weg entwickelt, wie sie die Kinder im Heimunterricht so satt bekommen, dass sie lernen können. „Die Gläserei“ liefert seit letzter Woche das Schulessen nach Hause – und bringt die Hausaufgaben gleich mit. Ein Netzwerk aus Profis, Projektarbeitern und Freiwilligen sorgt dafür, dass alles reibungslos läuft. Nutznießer sind erst einmal „nur“ 420 Schüler der Stadtteilschule Wilhelmsburg. Allerdings ist die „Gläserei“ ein Modellprojekt, das bei gutem Gelingen schnell ausgeweitet werden soll.
Eigentlich hätten noch mehr Schüler Anspruch auf die Verpflegung
„Eigentlich hätten schon bei uns noch mehr Schüler Anspruch auf die Verpflegung“, sagt Nina Köhler, Deutsch- und Englischlehrerin an der Stadtteilschule, „aber erstens rufen nicht alle Eltern das Teilhabepaket ab und zweitens gilt es in einigen Altersgruppen als uncool, in der Schule zu essen. Diese Jugendlichen werden dann nicht zum Schulessen angemeldet und sind jetzt auch nicht mit im Programm.“
Einer der Köpfe hinter der „Gläserei“-Idee ist Jan Martin Ahlers, schon hauptberuflich Projektmanager und in den „Zinnwerken“ ansässig. Er ist ein großer Verfechter von Nachhaltigkeit und Müllvermeidung. „Deshalb wollten wir auch die übliche Verpackungsschlacht nicht mitmachen, die normalerweise bei Essenslieferungen anfällt“, sagt er.
Die Lösung: Die Mahlzeiten werden zubereitet und in Schraubgläser verpackt. Die Schüler erwärmen das Glas mit der Hauptmahlzeit zu Hause im Wasserbad. Bei der nächsten Lieferung wird das letzte Glas wieder mit zurückgegeben. Mit in der Tüte sind außerdem: Ein Glas mit Dessert, die Hausaufgaben des Tages sowie etwas Naschkram als Nervennahrung beim Kopfzerbrechen.
Gekocht wird von Profis
Gekocht wird von Profis, verteilt wird von Freiwilligen. Dabei kommen als Leih-Spende zur Verfügung gestellte Lastenräder zum Einsatz. Auch die Zutaten für die Mahlzeiten sind häufig Spenden.
„Wir bekommen Hilfe aus allen Richtungen“, freut sich Marco Reyes de Loredo, Filmemacher, Caterer und ebenfalls Mitinitiator der „Gläserei“, „so ärgerlich die Corona-Situation ist: Hier erwächst gerade wieder etwas Gutes daraus.“ xl
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