Harburg

Das Archiv des Amtsgerichts zieht um

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Jörg Riefenstahl
Das Amtsgericht in Harburg an der Buxtehuder Straße.

Das Amtsgericht in Harburg an der Buxtehuder Straße.

Foto: Sulzyc / ha

2700 Aktenmeter werden vom Harburger Amtsgericht nach Wilhelmsburg ausgelagert – nicht ohne Folgen für Fachanwälte.

Harburg . Das Archiv des Amtsgerichts Hamburg-Harburg zieht um. 2700 Aktenmeter werden im Frühjahr von der Buxtehuder Straße nach Wilhelmsburg ausgelagert. Die Verlegung des Archivs an den neuen Ort ist dauerhaft. Der Umzug soll Mitte Februar beginnen, bestätigte Kai Wantzen, Leiter der Hamburger Gerichtspressestelle auf Anfrage des Abendblattes.

Staub und Hitze setzen den Akten zu

Für die Auslagerung der Gerichtsakten nennt Wantzen zwei Gründe. „Die Akten lagern in Spitzböden des Harburger Amtsgerichts. Die Räume unter dem Dach sind voll. Und sie genügen im Hinblick auf Staub- und Hitzeentwicklung nicht mehr den heute geltenden arbeitsschutzrechtlichen Standards.“

Externen Dienstleister verwahrt die Akten

Die Akten werden einem externen Dienstleister übergeben, der in Wilhelmsburg ansässig ist. „Der Dienstleister stellt geeignete Lagerräume für die sichere Verwahrung und Archivierung der Akten bereit.“ Die Firma richtet zudem einen Hol- und Bring-Service ein, der die Akten Mitarbeitern und Rechtsanwälten in Harburg bei Bedarf zur Verfügung stellt. Wantzen rechnet mit rund 380 Archivbestellungen im Monat.

„Auf Nachlass-, Betreuungs- und Familienakten müssen die Mitarbeiter im Amtsgericht und Rechtsanwälte immer mal wieder zugreifen“, sagt der Richter am Oberlandesgericht. Zweimal pro Woche werde ein Kurierfahrer zwischen Wilhelmsburg und dem Amtsgericht pendeln, um die gewünschten Akten bereit zu stellen und nicht mehr benötigte Akten zurück nach Wilhelmsburg zu transportieren.

Vorlage dauert drei bis vier Tage länger als bisher

Von der Bestellung bis zur Vorlage der Akte vergeht allerdings Zeit. Der zusätzliche Zeitverlust zur bisherigen Praxis – bei stationärer Archivierung im Amtsgericht – dürfte voraussichtlich bei etwa drei bis vier Tagen liegen. Das sei bei Nachlass-, Betreuungs- und Familienakten aus dem Archiv zu verschmerzen, so Wantzen.

Das sieht die Harburger Familien- und Erbrechtlerin Barbara Uckon anders. „Bei den heutigen Bearbeitungszeiten in Harburg sehe ich das schon kritisch“, sagt die Rechtsanwältin. Wenn sie heute Akteneinsicht beantrage, dauere es „mindestens eine Woche“, bis ihr die Akte vorliege. Die Arbeitsabläufe duldeten keine weiteren Verzögerungen.

Grundbücher bleiben im Amtsgericht

Anders ist es bei den Grundbüchern. Damit Grundbuchakten auch weiterhin kurzfristig verfügbar sind, sollen sie an Ort und Stelle im Amtsgericht bleiben.

„Nach meinem Verständnis geht es bei der Auslagerung um archivierte Akten. Wie das im Einzelnen geregelt wird, bleibt justizintern“, sagt Christian Lemke, Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg. „Wir erwarten, dass die Auslagerung des Archivs für die Arbeit der Anwälte und Rechtssuchende nicht mit Nachteilen verbunden ist.“ Allerdings stellt der IT-Rechtler und Vizepräsident der Bundesanwaltskammer die Frage, warum Aktenordner überhaupt noch „mit dem Wagen von A nach B kutschiert“ werden. Lemke: „Die elektronische Gerichtsakte ist die Lösung. Sie gewährleistet bequemen und schnellen Datentransfer.“

Ab 2026 werden Gerichtsakten elektronisch geführt

Ab 2026 müssen Gerichtsakten elektronisch geführt werden. Justizielle Verfahren sollen künftig fast vollständig elektronisch bearbeitet werden. Die Vorbereitungen in Hamburg dazu sind fast abgeschlossen. Noch in diesem Jahr sollen Pilotversuche beginnen. Allerdings werden mit der digitalen Transformation neue Datenschutzmaßnahmen notwendig. Denn der Zugriff auf digitale Akten ist einfacher als auf Papier.

Für Gerichtsakten gelten unterschiedliche Aufbewahrungsfristen. Ein großer Teil muss 25 Jahre lang archiviert werden, andere 50 Jahre und einige Akten sogar unbegrenzt. Der Harburger Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker Bernd Clasen kümmert sich mit seinem Team ausschließlich um Nachlassfälle. „Die Aktenverlagerung trifft mich nicht persönlich, da ich nicht für das Amtsgericht Harburg arbeite“, sagt Clasen. „Doch meine Meinung zu der Verlagerung ist nicht positiv. Erstens wegen der mutmaßlich künftigen Zeitverzögerung. Aber auch, weil ich der Auffassung bin, dass Gerichtsakten einfach nicht in die Hände von privaten Dienstleistern gehören.“

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