Harburg

Unser begeisterter Fahrradnachbar

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Harburg. Wir nennen ihn unseren „Fahrradnachbarn“. Fast täglich hat er mit einem seiner Fahrräder zu tun. Kein Wunder: Er besitzt 2 Tourenräder, 2 Mountainbikes, 2 Lastenfahrräder, 1 Rennrad. Das ist original holländisch wie seine Frau. Er hat zehn Jahre in Amsterdam gelebt. Holland ist seit langem das Land in der Welt mit den meisten Fahrradfahrern. Das Holland-Fahrrad seiner Frau steht natürlich auch in der Garage. Ein Auto hat er nie gehabt, auch nie eins vermisst. Mit 7 Jahren bekam er sein erstes Fahrrad geschenkt. Das ist das einzige, das von der Stange gekauft worden ist.. Alle anderen hat er selbst aus Teilen zusammengebaut. So ist er zum Fachmann geworden. Ich gehe zu ihm und er arbeitet schon wieder an einem Fahrrad. „Das ist das Fahrrad von der Tochter meiner Nachbarin. Ich mach‘ das gern, macht mir Freude.“

Ob er morgen bei den Cyclassics wieder mitfährt, frage ich ihn. „Das mache ich schon seit zwei Jahren nicht mehr. Da sind viel zu viele Amateure dabei, die nicht geordnet in Gruppen fahren, sondern wild drauflosjagen. Mir ist das zu gefährlich geworden. Außerdem geht die Strecke nicht mehr hier durch den Süderelberaum, weil die Leute der Freiwilligen Feuerwehren überfordert sind.“ Dann fängt er an zu schwärmen: „Ich fahre lieber in die Natur auf sicheren Wegen“. Er zeigt mir eine App, die europaweit sichere und schöne Wege abseits der Städte aufweist. „Auf sicheren Strecken erlebe ich die wunderbare Natur. Da sehe ich so viel, was mich beglückt und fasziniert. Gern fahre ich auch mit einer Gruppe unseres Unternehmens. Wir fahren geordnet, geben einander Zeichen wie beim Rennen. 21 Mann gehören zur Gruppe. Wir fahren mal so eben 100 Kilometer, von Hausbruch über Finkenwerder, Airbus, über die Elbdeiche bis nach Stade und zurück.

Er arbeitet seit 37 Jahren bei den Aluminiumwerken als Maschinenmeister. Das Fahrradfahren hat viele Freundschaften im Unternehmen begründet. „Ganz viele von uns kommen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Bei jedem Wetter. Ich fahre manchmal Umwege durchs Alte Land, weil es dort so schön ist.“

Ich frage ihn nach der Verkehrspolitik in Hamburg. „Hamburg hat schon viel erreicht. Aber viele Fahrradwege sind in der Innenstadt noch zu schmal City. Auf Straßen fahre ich möglichst wenig. Mir ist das ist zu gefährlich. Mich ärgern aber auch die Rowdys unter den Fahrradfahrern, die mit hoher Geschwindigkeit über rote Ampeln fahren. Da könnte Hamburg sich ein Beispiel nehmen an Amsterdam. Solche Verstöße kosten dort 25,- Euro.“ Dann macht er zur Verbesserung der Verkehrssituation in der Stadt noch einen interessanten Vorschlag: „Wenn die Ampeln von Rot auf Grün schalten, dann sollten zunächst die Fahrradfahrer losfahren und etwas verzögert die Autos. So könnten Unfälle vermieden werden.“ Er findet es gut, dass viele Menschen ihr Auto stehen lassen und mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Oder statt des Autos mit dem Fahrrad zur Bahn fahren. „Hamburg ist auf einem guten Weg. Aber Oldenburg hat die beste Verkehrs- und Fahrradpolitik in Deutschland“, sagt er.

Unser Nachbar gerät ins Schwärmen, wenn er von dem neuen sicheren Fahrradweg spricht, der durch die Hafencity führt und die Straßen am Hafenrand einbezieht. „Da fahren immer mehr mit dem Fahrrad.“ Erstaunt höre ich, dass er in 30 Minuten in der Innenstadt ist. Er fährt durch den Hafen und den alten Elbtunnel und ist so schnell wie die S-Bahn oder auch wie ich mit dem Auto.

Mir gefällt, dass unser Fahrradnachbar so viel Freude am Fahrradfahren hat und so wenig ideologisch und verbiestert ist. Unser Gespräch vor der Garage mit seinen 7 Fahrrädern und dem seiner Frau müssen wir beenden. „Ich muss los und Bauschutt und altes Holz zum Recyclinghof fahren.“ Holt sein großes Lastenfahrrad heraus, lädt alles ein und fährt fröhlich winkend davon.

Helge Adolphsen ist emeritierter Hauptpastor des Hamburger Michel

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