Harburg

Einzelhändler wehren sich gegen Internetkonkurrenz

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Lena Thiele
Henning und Ulrike Sander von Sport Sander in Harburg müssen sich als Einzelhändler der Konkurrenz aus dem Internet erwehren

Henning und Ulrike Sander von Sport Sander in Harburg müssen sich als Einzelhändler der Konkurrenz aus dem Internet erwehren

Foto: Lena Thiele

Immer mehr Kunden nutzen Service vor Ort, kaufen aber später online. Lüneburger Schuhhaus schließt Rückgabe sogar aus.

Harburg/Lüneburg/Winsen.  Der Kunde nimmt sich Zeit, probiert verschiedene Schuhe an, lässt sich vom Verkäufer weitere zum Vergleich bringen, nutzt vielleicht weitere Leistungen, zum Beispiel eine Fußanalyse. Dann ist der optimale Schuh gefunden, der Kunde kauft. Doch am nächsten Tag hat er es sich anders überlegt – und will sein Geld zurück.

Bei Sport Sander in der Harburger Innenstadt kennt man das Phänomen. „Vor allem die jungen Leute fotografieren die Ware mit ihren Handys, um sie dann im Internet zu bestellen“, sagt Inhaberin Ulrike Sander. „Wir können nichts dagegen machen.“ Auch Rückgaben hätten deutlich zugenommen. Konsequenzen für die Kunden des Traditionsgeschäfts hat das bislang nicht.

Anders im Lüneburger Schuhhaus Wolter­städt, das auf Kinderschuhe spezialisiert ist. „Wir hatten zuletzt jeden Tag mindestens einen Kunden, der Schuhe trotz ausführlicher Beratung zurückgeben wollte“, sagt Inhaber Roland Riecken. Für den 48-Jährigen liegt der Grund für die Rückgaben auf der Hand: „Irgendwo im Internet verkauft immer jemand günstiger.“ Er habe erlebt, dass Eltern Kinderschuhe zurückgaben – und ihre Kinder die gleichen Modelle an den Füßen trugen.

Andere Kunden fotografierten mit ihren Smartphones die Barcodes auf den Kartons, um das Modell in Online-Shops angezeigt zu bekommen. Die ständigen Rückgaben kosteten nicht nur viel Zeit und Geld, sondern sorgten auch für Frustration bei den Mitarbeitern.

Riecken hat deshalb die Notbremse gezogen. Vor rund einem halben Jahr hat er in seinem Laden gut sichtbar einen Aushang angebracht. Der Text beginnt so: „Liebe Kunden, wir nehmen Schuhe, die mit Beratung verkauft wurden, nicht mehr zurück!“

Rechtlich ist der Einzelhändler auf der sicheren Seite. Denn anders als bei Internetkäufen gilt für den Kauf in einem Ladengeschäft kein generelles Rückgaberecht. Das sei ein weit verbreiteter Irrtum, sagt Anke Kirchner von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Wer online kaufe, habe ein 14-tägiges Widerrufsrecht, weil er die Ware beim Kauf nicht auf Qualität und Größe testen könne. „Aber jedes Ladengeschäft kann die Bedingungen für eine Rückgabe individuell vereinbaren. Das sind Kulanzvereinbarungen.“

Händler hatte Bedenken, wie die Kunden reagieren

Natürlich habe er Bedenken gehabt, wie die Kunden auf das Schild reagieren würden, sagt Roland Riecken. Doch die Reaktionen seien durchweg positiv. „Die meisten halten kurz inne, wenn sie das lesen. Aber unser Service wird nun noch stärker wahrgenommen und geschätzt.“ Dazu gehört nicht nur die Beratung durch erfahrene Verkäuferinnen, sondern auch ein offenes Ohr für Passanten, die Geld wechseln oder nach dem Weg fragen wollen.

Zudem gibt es einen Kundenparkplatz und ein Lager mit rund 10.000 Schuhmodellen. Wenn Kunden, die bisher auf für sie kostenfreie Beratung und Rückgabe gesetzt haben, nun nicht mehr in sein Geschäft kommen, sei das nicht schlimm, meint der Händler. „An denen haben wir ja sowieso nichts verdient.“

Noch ist Roland Riecken mit seiner strikten Regelung eine Ausnahme. Doch mit dem Problem der zunehmenden Rückgaben müssen sich viele Einzelhändler auseinandersetzen. Im Kinderschuhgeschäft Prinz und Prinzessin, das Filialen in Buchholz und Meckelfeld hat, werden Schuhe nur innerhalb von fünf Tagen zurückgenommen. „Kinderschuhe kaufen immer alle gleichzeitig, deshalb müssen wir mit unseren Beständen gut planen können“, sagt Inhaber Andre Heurich.

Er zahlt auch nicht den Kaufpreis zurück, sondern gibt einen zeitlich unbegrenzt gültigen Warengutschein aus. Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn der Kunde Beratung in Anspruch genommen hat, die bei Kinderschuhen oft eine halbe Stunde dauert.

„Wir haben aber auch Mütter, die ohne Anprobe schnell Schuhe für ihre Kinder mitnehmen“, sagt Heurich. Dann notiert er dies auf dem Kassenzettel – und der Kaufpreis wird bei einem Fehlkauf erstattet. Dieselbe Regelung gilt auch im Schuhhaus Wolterstädt, auch Reklamationen sind dort weiterhin kein Problem – wenn ein Schuh trotz Beratung nicht gut passt.

Im Schuh-Haus Winsen werden Schuhe nur noch gegen Ware oder in Ausnahmefällen gegen einen Gutschein getauscht. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden sich eine Stunde lang ausführlich beraten lassen und die Schuhe später doch zurückgeben“, sagt Inhaber Gunnar Pries. „Ich finde es nur fair, dass das Geld dann in unserem Haus bleibt.“

Service ist nicht umsonst zu haben

Die Akzeptanz für die Regelung, die er vor eineinhalb Jahren eingeführt hat, sei gut. Wer umtauschen wolle, werde natürlich erneut beraten. „Wir versuchen, alles möglich zu machen.“

Etwas anders ist die Situation in dem Sportfachgeschäft, das Pries ebenfalls in Winsen betreibt. Bei City-Sport gebe es viele Kunden, die Kleidung für ihre Kinder oder Angehörige im Krankenhaus kauften. Hier ist die Rückgabe großzügiger geregelt, bei Bedarf wird auch das Geld zurückgezahlt.

Roland Riecken, der Lüneburger Schuhhändler, hofft, dass sein Beispiel viele Nachahmer findet. „Die Leute müssen sich bewusst werden, dass Service nicht umsonst zu haben ist.“ Ansonsten bliebe irgendwann nur eine Alternative, vor der er bisher noch zurückschrecke: Produkt und Service im Kaufpreis zu trennen. Dann würde für jede Beratung eine bestimmte Summe fällig – auch wenn der Kunde die Ware am Ende nicht kauft.

Bei Sport Sander in Harburg war man einen ähnlichen Schritt bereits gegangen. Im Wintersportbereich hatte das Geschäft zuletzt kostenpflichtige Beratung angeboten, die auch von vielen Kunden genutzt wurde. Da sich jedoch immer mehr Hobby-Skifahrer ihre Ausrüstung am Urlaubsort leihen, hat das Sportfachgeschäft diesen Geschäftszweig eingestellt.

Recht auf Rückgabe nur bei Internet-Käufen

Ein generelles Widerrufsrecht gibt es nicht. Jeder Vertrag muss zunächst eingehalten werden. In Läden und auf Märkten besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht, da die Ware vor Kauf angesehen und geprüft werden kann.

Umtausch, Kaufpreis-Erstattung oder Gutscheinausgabe gründen auf Kulanz. Viele Geschäfte verpflichten sich jedoch vertraglich zu einem weitergehenden Widerrufs- und Rückgaberecht, etwa mit einem Hinweis auf dem Kassenzettel.

Bei Bestellungen im Internet, per Telefon und im Versandhandel gilt dagegen in der Regel ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen. Eine Angabe von Gründen ist nicht nötig.

Weitere Informationen gibt es auf der Seite www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/ihr-widerrufsrecht-bei-warenlieferungen-und-dienstleistungen.

KOMMENTAR

Die Händler leisten wertvolle Beratung

Es ist so einfach, im Internet Schuhe zu bestellen. Modell, Größe, Farbe eingeben, gewünschten Schuh auswählen, vielleicht einen Rabatt mitnehmen, noch ein paarmal klick, klick, klick – und das Paket wird auf den Weg geschickt. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist eine fachkundige Beratung.

Wer sich im Wirrwarr der länderspezifischen Größentabellen auskennt, ist zwar im Vorteil. Doch auch erfahrene Onlineshopper kommen durch verschiedene Weiten (schmal, breit, mittel), Formen (spitz, rund, eckig) und Materialeigenschaften (passt sich an, braucht Luft) an die Grenzen ihrer Urteilskraft. Gerade bei Schuhen gleicht der Online-Einkauf deshalb oft einem Glücksspiel. Am Ende werden viele Pakete zurückgeschickt, neue geordert und erneut retourniert.

Schlau mag sich da der vorkommen, der sich zuerst im Fachgeschäft ausführlich beraten lässt – und dann das gewünschte Modell gezielt online bestellt, um noch einige Euro zu sparen. Mit dieser dreisten Vorgehensweise zerstören die nicht zahlenden Kunden aber selbst das Angebot, das sie sich immer noch wünschen.

Eine vernünftige Beratung ist weder umsonst noch kostenlos. Dass nun vermehrt Einzelhändler auf den Wert hinweisen, den ihr Service für die Kunden hat, und nicht mehr bereit sind, diesen ohne Bezahlung anzubieten, ist ein gutes Zeichen. Dieses neue Selbstbewusstsein kann dem innerstädtischen Einzelhandel nur gut tun.

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