Buchholz/Harburg. Um sie zu entdecken, muss man schon genau hinschauen. Zwischen den alten Koffern, die über dem Eingang des Bahnhofs-CaFeés am Buchholzer Bahnhof drapiert sind, tarnt sich die kleine Kamera nahezu perfekt. Dieses Lokal, darauf weist auch ein Schild am Eingang hin, wird videoüberwacht – wie inzwischen viele andere Cafés und Restaurants im Bezirk und Landkreis Harburg. Rechtlich bewegen sich die Betreiber damit in einer Grauzone.
Neben dem Bahnhofs-CaFeé hat auch das Eiscafé Luigi im City Center in Buchholz eine Kamera, ebenso der Döner-Treff, das Ristorante Mercato und eine Filiale des Restaurants Schweinske in Harburg. Vor allem in Imbissen hängen Kameras. Was bewegt die Betreiber dazu, ihr Lokal zu überwachen? „Die Gründe sind ja immer dieselben – Diebstahl, Einbruch“, sagt Marc Gay, der das Restaurant Schweinske in der Eißendorfer Straße in Harburg betreibt. Die Kamera über dem Gastraum, sagt er, diene der Abschreckung.
Trinkgeldkasse geklaut
Um Sicherheit geht es auch Petra Rolf, der das Bahnhofs-CaFeé in Buchholz gehört. „Ich habe immer an das Gute im Menschen geglaubt“, sagt die 52-Jährige. Aber dann sei mehrfach die Trinkgeldkasse geklaut worden – und ein Fußballtrikot, das an der Wand hing. Die schwenkbare Kamera filmt nun den Eingangsbereich und den Tresen. Ihre Daten sendet sie an einen Server im Internet, auch Ton überträgt das Gerät. Besonders häufig nutzt Petra Rolf die dazugehörige App nach eigener Aussage nicht: „Ich schaue da nur selten rein.“ Was mit den Daten geschieht, weiß sie nicht.
Viele Cafés, Imbisse und Restaurants im Bezirk und Kreis Harburg haben eine Kamera installiert. Die Videogeräte hängen in Eingangsbereichen, über Tresen und an Außenwänden. „Die Zahl der überwachten Restaurants steigt“, sagt Barbara Thiel, die niedersächsische Landesbeauftragte für Datenschutz.
Beim hamburgischen Zweig des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) kann man das nicht bestätigen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass der Trend zur Videoüberwachung in der Gastronomie zunimmt“, sagt die Geschäftsführerin Ulrike von Albedyll. „Als Betreiber wäre ich da auch sehr vorsichtig.“
Rechtlich begeben sich Gastwirte, die eine Kamera installieren, auf dünnes Eis. Die Hürden für Videoüberwachung in Cafés und Restaurants sind hoch. „Eine Vielzahl der Kameras ist datenschutzrechtlich unzulässig“, sagt die Landesdatenschutzbeauftragte Thiel. „Tatsächlich ist noch keine meiner Kontrollen ohne Beanstandung geblieben.“
Ähnliches berichtet der hamburgische Datenschutzbeauftragte, Johannes Caspar. „Wenn Tresen oder Sitzbereiche überwacht werden, gibt es kaum einen Fall, in dem wir nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass dies zulässig ist.“
Die Zulässigkeit einer Kamera bemisst sich an den Interessen des Eigentümers – und den Persönlichkeitsrechten der gefilmten Personen. Problematisch ist der Einsatz vor allem dort, wo Menschen sich länger aufhalten – etwa im Sitzbereich eines Cafés oder Backshops. Auch Mitarbeiter, deren Arbeitsbereich von der Kamera erfasst wird, gelten als besonders schutzwürdig, insbesondere dann, wenn sie sich der Überwachung kaum oder gar nicht entziehen können.
Wirte, die unerlaubt eine Kamera in ihrem Lokal installieren, haben jedoch in vielen Fällen nicht viel zu befürchten. Weder die niedersächsische noch die hamburgische Landesdatenschutzstelle kontrolliert ohne Anlass. „Dafür fehlen uns die Kapazitäten“, teilt der hamburgische Datenschutzbeauftragte Caspar mit. Auch beim niedersächsischen Pendant reagiert man nur auf Hinweise.
Gefahr von Bußgeld
Wenn eine Kamera bei einer Kontrolle als unrechtmäßig eingestuft wird, muss der Betreiber diese entfernen oder anders ausrichten. Auch Bußgelder können verhängt werden. Deren Höhe, kritisiert der Datenschutzbeauftragte Caspar, sei jedoch „so stark abgesenkt, dass es für den Betreiber kaum noch spürbar ist“.
Wer hingegen eine Kamera installiert hat, die neben Bild auch Ton überträgt, muss mit höheren Strafen rechnen – weil es sich potenziell um eine Straftat handelt. Zuständig sind hier nicht die Landesdatenschutzstellen, sondern Polizei und Staatsanwaltschaft.
Mit Kameras in Lokalen werden meist auch die Mitarbeiter gefilmt. Eine junge Frau, die anonym bleiben möchte, hat bis vor kurzem in einem Café gearbeitet, bei dem eine Kamera über dem Tresen hängt und Teile des Gastraums und des Mitarbeiterbereichs filmt. Auch Ton wird dabei übertragen. „Ich habe mich dadurch bei der Arbeit nicht mehr wohl gefühlt“, sagt sie. Die Atmosphäre habe sich durch die Kamera verändert. Obgleich ihr die Chefin versichert habe, dass sie die Kamera nicht zur Überwachung der Mitarbeiter nutze, sieht sie das Gerät als Zeichen des Misstrauens.
Anders empfindet es die Mitarbeiterin eines Restaurants, in dem nicht nur der Gastraum, sondern auch die Küche videoüberwacht wird. „Ich fühle mich durch die Kameras nicht eingeschränkt“, sagt die Angestellte, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte. „Ich vertraue meiner Chefin, dass es ihr dabei nicht darum geht, mich zu kontrollieren.“ Sie hat Verständnis für die Installation der Kameras – und sagt, sie bemerke diese bei der Arbeit „genauso wenig wie beim Busfahren“.
Auch die meisten Gäste dürften die Kameras in vielen Lokalen nicht bemerken. In manchen Fällen weist zwar ein Schild an der Tür darauf hin, eine rechtliche Voraussetzung. In anderen Fällen fehlt jeder Hinweis, und auch das Gerät selbst ist oft nur schwer zu entdecken. Bei Petra Rolf hat sich jedenfalls noch kein Gast beschwert, und auch Marc Gay vom Restaurant Schweinske ist darauf noch nie angesprochen worden. „Die wenigsten“, sagt die Chefin des Bahnhofs-CaFeés, „nehmen das überhaupt wahr.“ Gay findet: „Letztlich wird ja niemand ausspioniert.“
Das schreibt der Gesyetzgeber vor
Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist in Paragraf 6b des Bundesdatenschutzgesetzes geregelt. Ob eine Kamera zulässig ist, hängt davon ab, ob berechtigte Interessen des Betreibers damit besser wahrgenommen werden können – etwa Schutz vor Diebstahl. In bestimmten Bereichen, etwa Fluren oder dem Eingangsbereich, kann eine Kamera leichter installiert werden, da hier niemand permanent beobachtet wird. Eine dauerhafte Überwachung ohne guten Grund ist jedoch nicht zulässig. Tonaufnahmen sind verboten.
Interessenabwägung Wenn darum geht, ob Videoüberwachung erlaubt ist oder nicht, kommt es nicht nur auf die Interessen des Betreibers an. Diese müssen gegenüber denen der Gäste und Mitarbeiter abgewogen werden. Das Hamburger Amtsgericht hat im Jahr 2008 im Sinne derjenigen entschieden, die in Sitzbereichen eines Kaffeehauses dauerhaft gefilmt worden sind. Es bewertete deren Persönlichkeitsrechte höher als das Sicherheitsinteresse des Betreibers.
Voraussetzungen Falls die inhaltlichen Kriterien für Videoüberwachung in einem Gastronomiebetrieb gegeben sind, muss der Betreiber noch weitere Voraussetzungen erfüllen, bevor er eine Kamera aufhängen darf – unter anderem, indem er mit einem Schild auf die Videoüberwachung hinweist. Es muss ausgeschlossen sein, dass mildere Mittel für den mit der Überwachung verbundenen Zweck ausreichen. Zudem müssen die Daten gelöscht werden, wenn sie nicht mehr benötigt werden – in der Praxis meist nach wenigen Tagen.
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