Buxtehude

Seitenwechsel: Von der Auszubildenden zur Lehrerin

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Rolf Zamponi
Lena Niedzballa im Schullabor der BBS Buxtehude: Die 23-Jährige befasst sich schon jetzt mit dem Aufbau von Versuchen für Schüler

Lena Niedzballa im Schullabor der BBS Buxtehude: Die 23-Jährige befasst sich schon jetzt mit dem Aufbau von Versuchen für Schüler

Foto: Rolf Zamponi / HA

Zum ersten Mal in Niedersachsen ist mit der BBS in Buxtehude eine Schue Partner einer dualen Studentin. Damit wird sie vor Ort als Lehrerin ausgebildet.

Buxtehude.  Lena Niedzballa geht einen völlig neuen Weg. Als künftige Ingenieurin und Lehrerin an den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Buxtehude, kennt sie schon jetzt ihre Anforderungen und die Schule genau. Denn sie hat dort nicht nur gelernt, sondern arbeitet dort bereits als Praktikantin vor Ort.

Mit Schulleiter Carsten Schröder hat sie zudem einen Förderer, der ihr bislang in Niedersachsen einzigartiges Ausbildungsmodell mit angeschoben hat. Nicht ganz uneigennützig. Denn der Oberstudiendirektor ist sicher: „Bei Frau Niedzballa wissen wir schon heute, mit wem wir künftig zusammenarbeiten und sichern uns zugleich eine Lehrkraft in einem Mangelfach.“

Ausgangspunkt für die Initiative an der BBS ist der Mangel an Berufschullehrern. „Die Unterrichtversorgung lag für das Schuljahr 2016/17 lediglich bei 88,1 Prozent“, sagt Sebastian Schumacher, der Sprecher des Kultusministeriums in Hannover. Vor allem für die „Bereiche Metall- Fahrzeug- und Elektrotechnik“ bestehe ein hoher Bedarf an qualifiziertem Lehrer-Nachwuchs.

Allein die Buxtehuder Schule braucht jedes Jahr zwei bis drei Pädagogen – schon um die Kollegen zu ersetzen, die in den Ruhestand wechseln. „Wir haben zwar an unserem Standort nahe Hamburg mehr Bewerber als anderswo. Sie reichen aber dennoch nicht aus“, sagt der 56-jährige Schulleiter. „Für uns war klar, dass wir selbst aktiv werden müssen.“

Vor diesem Hintergrund kam Lena Niedzballa ins Spiel. Ihre Ausbildung wurde gezielt auf die Kriterien für Seiteneinsteiger wie beispielsweise Ingenieure ausgelegt. Die aber steigen oftmals wieder aus, weil sie die pädagogische Anforderungen unterschätzen, die bei Klassen mit Abiturienten bis hin zu Hauptschülern anfallen. Das wird bei Niedzballa jetzt vermieden.

Die 23-Jährige, die in Dohren im Landkreis Harburg wohnt, hatte nach der Realschule bei einer Autowerkstatt Kfz-Mechatronikerin gelernt und ging dabei an der BBS zur Schule. Parallel erwarb sie in Abendkursen ihre Fachhochschulreife. Ihrem Lehrer Ulrich Stahl fiel ihre Zielstrebigkeit auf. Schließlich fragte er sie, ob sie nicht Lehrerin werden wolle. Sie schlug ein.

Als Folge entschied sich die Schule für das bislang einmalige Vorgehen. Während die Abiturientin ein duales Studium an der Hochschule 21 aufnahm, übernahm die BBS den Part des Ausbildungsbetriebs. „Wir mussten beim Kultusministerium klären, ob wir wie eine Firma auftreten können“, sagt Schröder. Denn die BBS zahlt die von der Hochschule 21 erhobenen Studiengebühren und zudem einen kleinen Aufschlag für die Studentin aus dem Personalbudget.

Vom Ministerium gab es grünes Licht für das Projekt des Oberstudiendirektor, der nicht nur Lehrer für Metalltechnik und Politik, sondern auch Feinoptik-Meister ist. Die künftige Lehrerin Niedzballa hilft schon jetzt an der BBS beim Aufbau von Versuchen, wartet Geräte und hat schon Lehrer vertreten.

Für ihre Bachelorarbeit baut sie an einer Transportstrecke mit Förderband, an der Maschinenbau, Elektrotechnik und das Programmieren kombiniert werden und an der künftig auch Schüler der BBS im Labor lernen sollen.

Im März will die künftige Mechatronik-Ingenieurin ihr Studium an der Hochschule 21 abschließen. Das ist die Voraussetzung dafür, ein Referendariat beginnen zu können. Als zweites Fach will sie Politik studieren. Um rascher abschließen zu können, wird Niedzballa im März zudem die Prüfungen für ein Studium der Bildungswissenschaften an der Fernuni in Hagen ablegen.

Ist alles erledigt, hat die BBS ihre erste im dualen Studiengang direkt an der Schule ausgebildete Lehrerin. Niedzballa ist verpflichtet, mehrere Jahre in Buxtehude zu arbeiten. Das entspricht dem Vorgehen von Firmen, die sich so ebenfalls ihre Fachkräfte sichern.

Genau wie dort üblich, müsste sonst die Ausbildungsbeihilfe zurückgezahlt werden. Schulleiter Schröder ist mit dem Modell zufrieden. Er kann sich gut vorstellen, bei weiteren geeigneten Bewerbern erneut zu starten. „Wenn wir so alle paar Jahre Personal erhalten, wäre uns schon geholfen“, sagt er.

Noch stehen die Buxtehuder in Niedersachsen allein da – offensichtlich, weil die Ausbildung von Niedzballa noch nicht abgeschlossen ist. Das Referendariat steht aus. Im Kreis mit anderen Schulleitern hat Schröder aber schon von seinen Erfahrungen berichtet und Aufmerksamkeit gespürt: „Die Kollegen gucken sich das interessiert an.“

BBS Buxtehude

Die Berufsbildenden Schulen Buxtehude sind eine von vier Schulen dieses Typs im Landkreis Stade. Schüler werden am Standort in der Konopkastraße seit 1969 ausgebildet. Mit 100 Lehrern und 1700 Schülern ist die BBS die größte Schule in der Hansestadt. Pro Jahr erwerben dort rund 100 Schüler das Abitur.

Zu den Angeboten in Buxtehude zählen die beruflichen Gymnasien, die gewerbliche Abteilung, die Fachrichtung Hauswirtschaft und eine kaufmännische Abteilung.

Gebündelt werden in der BBS die Berufsfelder Metall-, Fahrzeug-, Elektro-, Kunststoff- und Farbtechnik. Dazu kommen Raumgestaltung, Wirtschaft und Verwaltung und Pflege.

In Niedersachsen arbeiten mehr als 12.600 Lehrkräfte an Berufsbildenden Schulen. Sie unterrichten 250.000 Schüler.

Im Schuljahr 2016/17 wurden landesweit 516 Lehrer neu eingestellt. 75 von ihnen waren Quereinsteiger.

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