Dass ein Landwirt sein angebautes Gemüse direkt an den Verbraucher verkauft, ist längst nicht die Regel. Uli und Kerstin Overmeyer machen es trotzdem oder besser: gerade deshalb. Für das Ehepaar fühlt es sich nicht richtig an, das Urprodukt zwar herzustellen, aber zuschauen zu müssen, dass in den Handelsstufen das Geld verdient wird.
Den Direktverkauf sieht das Ehepaar als Chance, um den Preiskampf im Handel zu entgehen und damit der Landwirtschaftskrise zu trotzen. Für manche Produkte könne er sogar doppelt so viel Geld umsetzen als beim Verkauf an den Großhandel, rechnet Overmeyer vor. „Es gibt nichts Besseres als die Direktvermarktung“, sagt er.
Vor drei Jahren eröffneten er und seine Frau Kerstin den Hofladen in Seevetal-Emmelndorf und entwickelten damit ihre Geschäftsidee des zuvor vom Landwirt Meyer-Sahling gepachteten Ladens weiter. Inzwischen bieten sie in dem 500 Quadratmeter großen Hofladen insgesamt 4000 Artikel zum Verkauf an.
Der Laden ist anders als andere. Allein schon in der Aufteilung. Zwischen den Produktinseln im Hofladen der Familie Overmeyer ist ungewöhnlich viel Platz. „Wir haben den Laden extra nicht wie einen Supermarkt strukturiert“, sagt Uli Overmeyer. „Wir wollten, dass er Markthallencharakter hat.“
Am äußeren Rand finden die Verbraucher die Ware, die am wenigsten etwas mit dem eigenen Anbau der Familie Overmeyer zu tun hat, beispielsweise Trockenprodukte. Auf den Kern des Geschäfts – die Gemüseabteilung – hingegen fällt der Blick sofort bei Betreten des Hofladens. Das Gemüse sei das Herzstück des Ladens, so Overmeyer. Um das muss er sich besonders gut kümmern und diesen Teil des Ladens jeden Tag neu füllen und sortieren.
7 Uhr: Die Vorbereitung des Ladenverkaufs beginnt mit einem Blick in den Kühlraum. „Wieviel haben wir denn noch da?“, fragt Uli Overmeyer, als er mit dem Praktikanten Yernar Saden auf die gestapelte Ware im Kühlraum schaut. Kurz den Überblick verschaffen und fest steht, wie viele Kisten Gemüse Overmeyer heute für den Ladenverkauf braucht: zehn Kisten Salat, zwei Kisten Fenchel und zwei Kisten Rote Bete.
Den Salat ernten Uli Overmeyer und seine Praktikanten jeden Morgen frisch für den Laden. „Er gehört zu unseren stärksten Produkten“, sagt der Biolandwirt. „Wir schneiden immer nur das, was wir täglich im Laden brauchen.“ Auf zum Feld: Die Praktikanten Yernar Saden und Dalgat Kishiev laden die Gemüsekisten auf den Anhänger und tuckern mit dem Trecker los.
Während Uli Overmeyer noch Warenlieferungen wie etwa Tomaten von der Demeter-Gärtnerei Sannmann in den Vierlanden entgegen nimmt, beginnen die Praktikanten bereits mit der Ernte. Die Salatköpfe sind so groß gewachsen, dass kaum noch Erde zu sehen ist. „Jumbosalate“, sagt Uli Overmeyer und grinst, als er dazu stößt.
Um den Kunden genügend Auswahl zu geben, erntet Overmeyer unterschiedliche Salatvariationen. Angefangen beim Babyleaf bis zum Batavia. Lediglich den krausen Eisbergsalat lässt er heute stehen. „Der ging im vergangenen Jahr so gut, jetzt aber nicht mehr“, sagt er.
Nicht nur die Vorlieben der Kunden, auch die aktuellen Temperaturen spielen eine Rolle bei der Auswahl der Ware. An heißen Tagen kochen die Leute nicht. Das bringt den Biolandwirt oft in ein Dilemma, da das Gemüse nun mal meistens nach warmen Tagen erntereif ist.
Beispiel Blumenkohl. „Wenn er fertig ist, ist er einfach fertig“, sagt Overmeyer. Insgesamt 25 Kisten Blumenkohl hat er mit seinem Team gestern geerntet. Weil die Meteorologen aber für heute warmes Wetter angekündigt haben, geht Overmeyer davon aus, dass heute wenig Kohl über die Ladentheke geht.
„Das Gute ist, dass der Blumenkohl gut lagerfähig ist“, sagt Overmeyer. Nach der Ernte hat er mit seinem Team den Kohl mit Wasser gewaschen, in Folie eingewickelt und mit einem nassen Tuch bedeckt im Kühlraum gelagert. „Er ist dann wie frisch“, sagt Overmeyer.
Auch beim Salat erhöht warmes Wetter den Druck, schnell ernten zu müssen. Er kann nicht ewig lange im Boden bleiben, sonst beginnt er zu faulen. „Wenn zu viele schlechte Blätter am Salat sind, lasst ihr ihn liegen“, sagt Overmeyer zu den Praktikanten, als sie die Salatköpfe inspizieren. Als Landwirt muss man loslassen können.
7.30 Uhr: Zehn Kisten mit Salat sind gefüllt. Jetzt noch die ersten Möhren aus der Erde holen. Uli Overmeyer sticht mit der Eisengabel in den Boden, zum Vorschein kommen 15 Zentimeter lange knackige Karotten. „Die ersten Knabbermöhren“, sagt Overmeyer. „Davon nehmen wir erstmal eine Kiste, Jungs.“ Bevor die Produkte in den Verkauf wandern, werden sie gründlich gewaschen und dann auf Transportwagen gestapelt.
8 Uhr: Das Einsortieren der Produkte beginnt. Uli Overmeyer überprüft die angelieferte Ware. Drei Kisten Strauchtomaten aus Spanien muss er reklamieren. Sie haben kleine faulte Stellen. „Die wurden beim Warenausgang offenbar nicht überprüft“, sagt er.
Zu klein geratene Blumenkohlköpfe aus dem eigenen Anbau gehen in die Küche für den Mittagstisch, weil die in der Größe eh keiner kauft. Die ersten Tomaten der Sorte „Vierländer Platte“ von der Demeter-Gärtnerei Sannmann hingegen sollen einen guten Platz im Hofladen bekommen. „Die haben einen schön intensiven Tomatengeschmack“, sagt Overmeyer.
Bleibt noch der kniffligste Part: die Preisbildung. Mit seinem Geschäft im Speckgürtel von Hamburg und in der einkommensstarken Gemeinde Seevetal hat Overmeyer einen deutlichen Standortvorteil. Seine Kunden sind erfahrungsgemäß bereit, mehr Geld für Biowaren zu zahlen. Doch auch da gibt’s Schmerzgrenzen: „Gerade bei unserem eigenen Gemüse müssen es gute, faire Preise sein“, sagt der Landwirt.
Overmeyers Credo:Lokal denken und handeln
Wenn er die Preise setzt, orientiert er sich an den Preislisten des Großhandels, um das derzeit gültige Niveau einschätzen zu können. „Wenn das Gemüse im Einkauf zwei Euro kostet, weiß ich, dass der Einzelhandel dafür drei bis 3,50 Euro vom Verbraucher verlangt“, sagt Uli Overmeyer. „Dann muss unser Preis irgendwo dazwischen liegen, damit es günstiger ist als im Supermarkt“, sagt er. Und so kostet beispielsweise ein Bund Rote Bete 2,50 Euro und ein Salatkopf 1,50 Euro.
9 Uhr: Alles liegt an seinem Platz. Der Laden ist sauber ausgefegt. Die Kunden können kommen. Einige warten schon vor der Tür, die meisten sind Stammkunden. Dazu zählt etwa Heidrun Tamcke, 64, aus Eckel, die schon seit 30 Jahren Bioprodukte kauft. Sie hat viele Jahre im Verkauf bei der Familie Overmeyer gearbeitet. „Ich fühle mich hier am besten aufgehoben. Ich weiß, dass auf den Acker kein Schweinkram kommt“, sagt sie.
Ähnlich geht es Monika Harms, 52, aus Harburg, die gezielt die Produkte aus dem eigenen Anbau der Overmeyers kauft. „Weil ich weiß, dass sie hier vor Ort produziert wurden und weil die beiden mit Leidenschaft Bauern sind“, sagt sie. Dass im Salat auch mal Tierchen krabbeln, nimmt sie gelassen in Kauf. „Das ist halt Natur.“
Kritisch beurteilen manche Kunden die Produkte, die Familie Overmeyer aus dem Ausland importiert hat. Da will Overmeyer langfristig gegensteuern. Das Ziel: „Möglichst viele Produkte selbst produzieren“, sagt er. Was er nicht selber anbauen kann, versucht er bereits jetzt direkt vom Erzeuger und nicht vom Großhandel zu beziehen.
So kauft er etwa die Heidelbeeren aus Visselhövede und Äpfel aus dem Alten Land. Den Trend zur Regionalität hält er für überholt. Sein Credo lautet vielmehr: Lokal denken und handeln.
Das Geheimnis:
Nie zuviel Plastik zeigen
Uli Overmeyer möchte die Rote Bete in dieser Woche vor allem in Bundware anbieten. Ich hocke mich zum Praktikanten Safiollokh Babadzanov vor die Gemüsekiste und lasse mir zeigen, wie er das Gemüse bündelt: Immer vier Knollen in Tennisballgröße auf einen Haufen legen und dann einfach Draht um die Blätter wickeln – fertig. Kein Hexenwerk.
Wenn die Rote Bete über die Golfballgröße nicht hinauskommt, kommen fünf statt vier Knollen in einen Bund. Dann noch die Rote Bete duschen, um sie von Erdklumpen zu befreien – das war’s. Es dauert nicht lange, bis wir die Rote-Bete-Kiste gefüllt haben. Am Ende entdeckt Safiollokh Babadzanov an meiner Rote Bete noch welke gelbe Blätter, zupft sie raus, und ab geht’s in den Laden zum Einsortieren.
Uli Overmeyer hat mir für eine effizientere haltungsschonende Arbeit schon viele Tricks verraten. Beispiel Salaternte: Immer die Kiste, in die man die Salatköpfe sortiert, schräg ans Bein stellen, um tiefes Bücken zu vermeiden. Jetzt hat er auch beim Einsortieren des Gemüses einen Tipp parat: Die Kiste zwischen Oberschenkel und Verkaufsstand klemmen und dann locker und leicht einsortieren.
Doch so locker und leicht funktioniert das nicht wirklich. Im letzten Moment kann ich die Kiste mit dem Eisbergsalat noch vor dem Absturz retten.
Viel wichtiger ist für Uli Overmeyer jedoch, wie die Ware im Hofladen präsentiert wird. Plastik mag er nicht. Wenn in einem Nektarinenkarton weniger als die Hälfte der Früchte stecken, muss der Karton weg und die Nektarinen auf die anderen gestapelt werden. „Wir wollen ja kein Plastik verkaufen“, sagt er. Das Auge kauft eben mit.
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