Landwirt zu sein, ist heute alles andere als einfach. Der massive Preisdruck führt zu starken wirtschaftlichen Einbußen und nicht selten in die Existenznot. Dass sich ein Bauer nur mit Mut und Kreativität in der Krise behaupten kann, zeigt Biolandwirt Uli Overmeyer aus Emmelndorf. Wie er das macht, berichtet unsere Autorin Bianca Wilkens
in einer zehnteiligen Serie
. Ein halbes Jahr lang begleitet sie den Landwirt. Teil III:
Die ErnteJeden Tag bücken, schneiden, ziehen und einsortieren. Da Uli Overmeyer täglich frische Ware in seinem Emmelndorfer Hofladen anbietet, ist jeder Tag für ihn ein Erntetag. Das Ernten muss schnell gehen, damit die frischen Produkte möglichst vor Ladenöffnung bereit liegen.
Uli Overmeyer baut in seinem Demeter-Betrieb so ziemlich alles an, was im Freiland wächst. Salate, Wurzelgemüse, zahlreiche Kohlarten wie Blumenkohl Rotkohl, Brokkoli, Rosenkohl, Weißkohl sowie Kohlrabi, Rote Bete, Zuckermais, Lauch, Zwiebeln. In der Hochsaison ernten die Overmeyers täglich mehr als 40 Sorten Gemüse, das sie auf etwa fünf Hektar anbauen.
Morgens um 7.30 Uhr. Uli Overmeyer stapelt eine leere grüne Gemüsekiste auf die andere: „Klack, Klack, klack“ macht es. Der Trecker steht bereit und tuckert vor sich hin. „Das reicht“, sagt er, als 20 Kisten auf dem Anhänger stehen. Jetzt geht es aufs Feld hinter die Scheune – Salat, Fenchel und Rote Bete ernten. Sohn Lars packt mit an. Ihr einziges Werkzeug: ein Messer.
Ein Schnitt und der Eisbergsalat ist gekappt. Wichtig ist, das Messer nicht zu hoch und nicht zu tief anzusetzen – etwa zwei Zentimeter über dem Boden. „Wir schneiden so, dass wir nur den Kopf in der Hand halten, damit der Salat sauber ist“, sagt Uli Overmeyer.
So schneiden sie einen Salat nach dem anderen. Sie sind flink, gehen zugleich behutsam vor. Falsche Berührungen können zu braunen Stellen führen. Welke und braune Blätter entfernen Uli und Lars Overmeyer und lassen sie aufs Feld fallen. Die Reste werden später untergegrubbert.
Auch trendige Sorten wachsen auf Overmeyers Feldern
In jede Kiste passen fünf bis sechs Salatköpfe. Ein bunter Mix an Salatsorten wandert auf den Anhänger: Eisbergsalat sowie jeweils roter und grüner Kopfsalat, Eichblattsalat und Batavia. Auch trendige Sorten hat Uli Overmeyer gepflanzt, wie etwa den Baby-Leaf-Salat. „Er hat mit zehn Zentimetern Größe eine gute Höhe, hat unterschiedliche Farben und sieht deshalb auch schön aus“, sagt Uli Overmeyer. Zudem ist er für den Verbraucher einfach zu verwenden. Mit einem Schnitt fällt der Salat in viele kleine Blätter auseinander und ist damit gleich schüsselfertig. Ein paar Kisten Rote Bete und Fenchel landen auch auf dem Anhänger, in den meisten Kisten steckt aber Salat – der ist im Sommer besonders gefragt.
Das Gemüse ist nur so gut, wie der Boden reich an Nährstoffen ist. Deshalb hat Uli Overmeyer das Land vor der Gemüsepflanzzeit, die im März beginnt und sich bis Mitte August erstreckt, intensiv vorbereitet. Kleine Dosen Fladen- und Hornmistpräparate hat er fein zerstäubt auf die Felder gesprüht.
Die Präparate fördern die Bodenfruchtbarkeit und regen Kleinstlebewesen im Boden an. Synthetische Düngemittel darf und will Overmeyer als Demeter-Landwirt nicht einsetzen. Da aber die Pflanzen auf dem Feld dem Boden Nährstoffe entziehen, geht es auch nicht ganz ohne Düngen. Mineralische Düngemittel wie beispielsweise Kalk und Kalium sind für den ökologischen Anbau zugelassen. „Wir müssen darauf achten, dass die Pflanzen genug Nährstoffe bekommen“, sagt Overmeyer. „Für die Qualität des Gemüses ist zum Beispiel Kalk im Boden ganz wichtig.“
Alle zwei Wochen wird ein Satz Gemüse gepflanzt
Bevor Overmeyer die ersten Jungpflanzen setzte, pflügte er den Boden, um die Unkrautsamen in der oberen Schicht zum Keimen anzuregen. Darauf folgte das regelmäßige Eggen, um das Unkraut nicht zu hoch wachsen zu lassen. Schließlich das Grubbern, um den Boden vor dem Pflanzen zu lockern. Alle zwei Wochen wurde dann ein Satz Gemüse gepflanzt, der je nach Wetterlage und Jahreszeit in vier bis sechs Wochen erntereif ist.
Gute Qualität erfordert viel Arbeit. Hochwertige Bioware anzubieten, sieht Uli Overmeyer jedoch als den einzig richtigen Weg, um dem steigenden Druck in der Landwirtschaft zu begegnen. Da ist er nicht der Einzige. Die Öko-Gemüseanbaufläche ist im vergangenen Jahr in Niedersachsen um zehn Prozent gewachsen.
Aufgrund der Lebensmittelskandale haben die Verbraucher ihr Vertrauen in die Hersteller verloren. Immer mehr Menschen sind bereit, mehr Geld für die Lebensmittel auszugeben. Das gilt vor allem für den südlichen Speckgürtel von Hamburg. In der einkommensstarken Region können und wollen sich die Einwohner die hochpreisigen Öko-Produkte leisten. Zudem umgeht Overmeyer mit seinem Direktverkauf dem Preiskampf im Handel.
Um noch mehr Druck aus seinem Betrieb zu nehmen, streut Overmeyer außerdem das Risiko und setzt auf Vielfalt. Er baut nicht nur Freilandgemüse, er hält außerdem Kühe und Hühner. Seine Galloway-Herde besteht aus 30 Rindern, die ganzjährig auf Grasland stehen. Damit sie gut gedeihen, verfüttert Overmeyer auch noch Heu an die Rinder. „Das fressen sie lieber als Silage. Heu und Gras sind für die Fleischqualität entscheidend“, sagt der Landwirt.
Deshalb ist nach der Ernte vor der Ernte. Auf den Salat folgt das Heu. Das Wetter ist heute ideal, um am Abend das Heu einzufahren. Zwölf Hektar Gras hat Overmeyer bereits gemäht. Damit die Sonne es gut durchtrocknet, musste er es immer wieder wenden und hat das Wochenende auf dem Feld zugebracht. Das Wetter nimmt keine Rücksicht auf die Wochenenden. Freitag wenden, Sonnabend wenden, Sonntag und Montag auch. Und heute?
Overmeyer greift sich einen Haufen Heu und knetet es mit den Händen durch. Ganz zufrieden ist er nicht. „Die dicken Stängel sind noch immer nicht richtig trocken“, sagt er. „Es fehlt der Wind.“ Also wieder wenden. Erst wenn der Feuchtigkeitsgehalt niedrig genug ist, kann die Erntemaschine mit der Ballenpresse anrücken.
Als der Wender das Heu durch die Luft wirbelt, umhüllt den Trecker eine Staubwolke. Die Wiese vor dem Haus ist nicht sehr groß. Ein paar Mal hoch und runter und schon ist Overmeyer fertig. Das Heu brauche nur noch ein paar Stunden, dann sei es soweit, schätzt Overmeyer. Am Abend will er die Ballenpresse rausholen.
Je nach Erntemenge geben die Wiesen vom Hof Overmeyer Heu für insgesamt 120 bis 150 Ballen her. Die verfüttert Overmeyer an seine 30 Galloway-Tiere sowie an die wenigen Pferde und Ziegen, die auf seinem Hof in Emmelndorf stehen. Damit das Heu von der Wiese in Rundballen gepresst werden kann, muss es vorher in Schwaden gezogen werden.
Also Maschinenwechsel. Overmeyer fährt mit dem Trecker hinter die Scheune und hängt einen Kreiselschwader ran, der so klein ist, dass er damit auch zwischen die Obstbäumen fahren kann. Wieder die Wiese hoch und runter.
An einem Tag kommen drei Maschinen zum Einsatz
So kommen für die Ernte an einem einzigen Tag gleich drei unterschiedliche Maschinen zum Einsatz. Die großen Geräte binden viel Kapital. Ein Heuschwader oder Wender kostet gebraucht zwischen 4000 und 5000 Euro. Trotzdem hat sich Overmeyer entschlossen, auch eine eigene Heupresse zu erwerben. Viele andere Landwirte scheuen die hohen Investitionen und arbeiten lieber mit Lohnunternehmern zusammen, die für die Landwirte die Erntearbeiten übernehmen. „Aber bei gutem Wetter sind die Lohnunternehmer schnell ausgebucht“, sagt er. „Mit meiner eigenen Presse kann ich auf den Punkt genau Heu machen.“
Sobald das Heu abgeerntet ist, schießt das Gras wieder nach oben. Dort, wo jedoch der Salat wuchs, baut Uli Overmeyer erst im nächsten Jahr wieder Gemüse für den Verkauf an. Er geht schonend mit dem Boden um. Lediglich drei Jahre bestellt er den Acker und im vierten Jahr legt er eine Gründüngung ein. Dann liegt das Feld brach, damit es sich erholen kann. Pro Jahr belegt Overmeyer die Fläche lediglich mit einer Hauptfrucht. „Das ist ein ziemlicher Luxus“, räumt er ein. „Das kann man sich auch nur erlauben, wenn man die Möglichkeit zur Direktvermarktung hat und gute Preise erzielen kann.“
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Harburg