Harburg. Der ökologisch umstrittene Bau der A 26-West ist noch nicht fertiggestellt, schon werden im Süderelbraum weitere Großprojekte geplant, die allesamt Grünflächen in Anspruch nehmen. Diese Eingriffe in den Naturhaushalt müssen kompensiert werden. Die knappen Flächen bringen es mit sich, dass bei manchen anstehenden Projekten, etwa dem Wohnquartier Fischbeker Reethen und der A 26-Ost, sogar bestehende Ausgleichsflächen beeinträchtigt oder überbaut werden.
„Es wird immer Eingriffe geben, die nicht zu verhindern sind. Umso wichtiger ist, dass der Ausgleich dann gut und zeitnah ausgeführt wird. Aber in der Realität bleibt oft ein Defizit im Naturhaushalt übrig“, sagt Gisela Bertram, Mitglied des Naturschutzrates der Umweltbehörde.
Oftmals seien die Maßnahmen längst abgeschlossen, bevor die Schäden an der Natur ausgeglichen werden, kritisiert die Biologin. Ein schlechtes Beispiel sei der Moorgürtel. „Er ist zwar Naturschutzgebiet, aber es gibt dort auch Ausgleichsflächen, auf die die Stadt keinen Zugriff hat, weil man sie früher ohne Zugriffsmöglichkeiten geplant hat“, so Bertram. „Dadurch sind zum Beispiel die Wasserstände nur kleinflächig regulierbar, was die Aufwertung des Naturraums beschränkt. Auch wirken Randeffekte in die wertvolle Fläche hinein, etwa wenn Wohnbebauung oder Verkehr angrenzen. Die Fläche kann dann nicht mehr den ihr beigemessenen Wert für den Naturhaushalt leisten.“
Der Moorgürtel ist eines der Gebiete, die die Umweltbehörde auf Abendblatt-Anfrage zum Flächenausgleich als besonders gelungen bezeichnet. Hier seien „großflächige und fachlich schwierige Ausgleichsmaßnahmen“ erfolgreich umgesetzt worden. Weitere Beispiele seien der Wilhelmsburger Osten und die „Flächenpoolmaßnahme Neuland“.
Letztere hält auch Gisela Bertram, die unter anderem für die Stiftung Ausgleich Altenwerder arbeitet, für sehr gelungen. Das geplante Naturschutzgebiet Neuländer Wiesen östlich der Autobahn 1, zeige, wie der Ausgleich funktionieren könne. „Hier ist ein großer Flächenkomplex sehr gut aufgewertet worden und wird nun als Naturschutzgebiet gesichert.“
Andere, kleinere Ausgleichsflächen kommen schon einmal unter die Räder. Damit dies möglichst selten passiert, führt die Umweltbehörde einen Kataster über bestehende und geplante Ausgleichsflächen inklusive Angabe des Schutzziels, für das sie angelegt wurden. Diese Übersicht sei für alle Hamburger Dienststellen einsehbar und werde „regelmäßig vor der Aufnahme von Planungen daraufhin konsultiert, ob im Plangebiet festgesetzte oder geplante Kompensationsmaßnahmen vorhanden sind“.
Nicht immer bleiben solche Flächen unberührt. So liegt mitten im geplanten Neubaugebiet Fischbeker Reethen (Projektmotto: Naturverbunden wohnen) eine kleine Ausgleichsfläche, die den Natureingriff beim Bau einer Panzerverladerampe kompensieren soll. Auf den drei kleinen Flächen, die zusammen knapp 1,6 Hektar umfassen, sollen Bäume heranwachsen. Doch was für einen ökologischen Wert hat ein Wäldchen, das von Wohnungen umzingelt ist? „Im Fall des Bebauungsplans Neugraben-Fischbek 67 (Fischbeker Reethen) wird überlegt, Teile der Panzerverladerampe zurückzubauen, heißt es in der Stellungnahme der Behörde. Damit sei der Ausgleich für dieses Bauwerk zumindest teilweise obsolet.
„Gehölzentwicklung“ lautet auch das Ziel für einige kleinere Ausgleichsflächen im Bereich Moorburg. Sie werden zum Teil der geplanten Trasse der A 26-Ost weichen müssen. Bertram: „Die A 26 zertrümmert nicht riesige Ausgleichsflächen. Aber kleine Bereiche werden zerstört, das ist ein schleichender Prozess.“ Wenn Ausgleichsflächen, auf denen sich Gehölze entwickeln, also Wald entstehen soll, verlegt werden und das womöglich mehrfach geschehe, sei das Schutzziel nicht zu erreichen, argumentiert die Botanikerin – „Waldentwicklung braucht Zeit.“
Im Abschnitt Moorburg seien „Gehölze zwischen der Hafenbahn und dem Moorburger Hauptdeich im Umfang von knapp 3,5 Hektar vom Bau der Autobahn betroffen“, so die Umweltbehörde. „Diese Gehölze haben noch nicht ihren Zielzustand erreicht. Dennoch wird bei einer Verlagerung des Ausgleichs ein gewisser Zeitverzug bei der Entwicklung zu einem hochwertigen Bestand auftreten“, räumt die Behörde ein. Dies könne berücksichtigt werden, indem die verlagerte Maßnahme größer geplant werde als bisher.
Aus Mangel an potenziellen Ausgleichsflächen kauft die Stadt im Hamburger Umland Flächen zu, auch im Landkreis Harburg. Die SPD Hamburg-Mitte kritisierte Anfang des Jahres dieses Vorgehen. „Davon hat der Bürger nichts, weil das Grün für ihn nicht erlebbar wird“, sagte Tobias Piekatz, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Bezirk Mitte.
Auch jenseits der Stadtgrenze stößt dieses Vorgehen auf Kritik. So beklagen Landwirte die zunehmende Flächenkonkurrenz durch Ausgleichsmaßnahmen. Wenn Agrarflächen als Ausgleich dienen sollen, so können sie nicht mehr intensiv bewirtschaftet werden – schließlich besteht eine Kompensation von Natureingriffen darin, dass andere, bislang nicht so wertvolle Flächen ökologisch aufgewertet werden. „Warum werden nicht brachliegende Industrieflächen, Fahrradwege, die Grundstücke an Windkraftanlagen oder private Gärten so aufgewertet, dass sie als Ausgleichsflächen infrage kommen?“ fragte Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftkammer Niedersachsen, kürzlich bei einem Besuch der Harburger Redaktion des Abendblatts.
Dass auch in Niedersachsen nicht jede Ausgleichsmaßnahme ein Erfolg ist, zeigte vor zwei Jahren eine Begutachtung von 189 geplanten Ausgleichsmaßnahmen. 68 Prozent waren – zum Teil mit Mängeln – in die Realität umgesetzt worden, zwölf Prozent nur teilweise und 20 Prozent gar nicht realisiert worden. Und gerade wird in Buchholz über einen neuen Innovationspark diskutiert – er soll auf der Ausgleichsfläche für das bereits bestehenden Gewerbegebiet II entstehen.
Ausgleichsflächen in Hamburg
Das Bundesnaturschutzgesetzsieht vor, dass Ausgleichsflächen für verbaute Naturgebiete geschaffen werden. Eine Karte der Ausgleichsflächen in Hamburg findet sich auf www.geoportal-hamburg.de, dann unter „weitere Links“ das Kartenportal des Landesbetriebes Geoinformation und Vermessung anklicken. Weiter geht es über Themen,Fachdaten/Umwelt und Klima.
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