Harburg. An vielen Straßen im Bezirk Harburg sind Anwohner Lärm ausgesetzt. Zu starkem Lärm. An mindestens 36 Straßen ist der Lärmindex so hoch, dass er bestenfalls in einem Industriegebiet zulässig wäre. Der lauteste gemessene Abschnitt liegt an der Cuxhavener Straße. Das geht aus der Antwort der Behörde für Umwelt und Energie auf eine Anfrage der Fraktion Neue Liberale in der Bezirksversammlung Harburg hervor.
Die Antwort der Umweltbehörde zeigt, dass der Lärm an insgesamt 629 Straßenabschnitten im Bezirk Harburg außerordentlich hoch ist. So hoch, dass die Anwohner einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Mehrere der bis zu 200 Meter langen Messabschnitte der Strategischen Lärmkartierung Harburg können in einer Straße liegen.
An 82 Prozent der berichteten Straßenabschnitte werden nach Angaben der Initiative Verkehrssicherheit Heimfeld nachts Lärmwerte von 55 Dezibel überschritten. An 76 Prozent von ihnen liege der Lärm am Tage über 65 Dezibel. Bei Überschreiten dieser Werte empfiehlt der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, Maßnahmen zum Lärmschutz zu ergreifen.
Am lautesten Straßenabschnitt Harburgs an der Cuxhavener Straße werden am Tage 77 Dezibel und nachts 68 Dezibel erreicht. Außerordentlich hoch belastet sind weitere 35 Straßen, zum Beispiel die Winsener Straße, die Bremer Straße, die Neuwiedenthaler Straße, der Harburger Ring oder auch der Deichhausweg im Harburger Zentrum, an dem 69 Dezibel am Tage und 60 Dezibel in der Nacht erreicht werden. 3000 Fahrzeuge fahren die kurze Straße am Tag entlang.
Laut Umweltbehörde handelt es sich um Orientierungswerte
Die Initiative Verkehrssicherheit Heimfeld empfiehlt Anwohnern der 36 am stärksten belasteten Straßen, Lärmschutzmaßnahmen bei der Harburger Polizei zu beantragen. Ein Rechtsanspruch aus den Ergebnissen des Strategischen Lärmaktionsplan besteht aber nicht. Die Umweltbehörde erläutert in ihrer Antwort, dass es sich im Orientierungswerte handelt. Demnach könne bei einem Lärmindex von mehr als 70 Dezibel am Tag und mehr als 60 Dezibel nachts erwogen werden, mit einem Lärmaktionsplan gegen die Belastung vorzugehen.
Brisant sind die veröffentlichten Zahlen dennoch. „Die Bürger erhalten zusätzliche Argumente aus der Antwort der Umweltbehörde, individuell rechtliche Maßnahmen geltend zu machen“, sagt Kay Wolkau (Neue Liberale). Betroffene Anwohner erhielten gute Gründe, mit denen sie vor Gericht argumentieren könnten.
Insofern könne auch die Anfrage in der Bezirksversammlung Wirkung entfalten: „Es geht darum, den Druck zu erhöhen und das Thema öffentlich zu machen“, sagt Kay Wolkau. Tatsächlich ist das Ausmaß der von hohem Verkehrslärm belasteten Straßen im Bezirk Harburg größer als die Antwort der Umweltbehörde ausweist.
Die Neuen Liberalen haben in ihrer Anfrage kritisiert, dass Straßen, an denen ein hoher Lärmdruckpegel herrscht, nicht in die Lärmkartierung aufgenommen worden sind. Nach Angaben der Initiative Verkehrssicherheit Heimfeld zählen dazu allein in dem Stadtteil der Eißendorfer Pferdeweg, die Heimfelder Straße, der Lohmannsweg, der Milchgrund, der Vahrenwinkelweg und die Weusthoffstraße.
Die Umweltbehörde hat in ihrer Antwort die Rechtsauffassung der Neuen Liberalen bestätigt, dass in Hamburg bei der Lärmaktionsplanung auch Straßen zu kartieren sind, auf denen weniger als drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr fahren, wenn diese erheblichen Umgebungslärm hervorrufen.
In vielen großen Städten sei die Verkehrspolitik weiter als in Hamburg, kritisiert Isabel Wiest den Senat. Die Neuen Liberalen fordern flächendeckend Tempo 30 in Harburg, mit Ausnahme einiger Hauptverkehrsadern. Nachtfahrverbote für Lkw und Tonnagebeschränkungen könnten den Verkehr so steuern, dass Wohngebiete nicht belastet und als Schleichwege missbraucht würden.
Können Dialogdisplays das Problem dauerhaft lösen?
Deutlich mehr als bisher könnte der Senat mit Hilfe von Dialogdisplays an die Autofahrer daran erinnern, Rücksicht zu nehmen und vom Gas zu gehen. Isabel Wiest ist von der Wirksamkeit des Appells an die Einsicht überzeugt. „Die niedersächsischen Gemeinden im Umland Hamburgs machen das bereits hervorragend“, sagt sie. Geht es nach den neuen Liberalen, sollte der Senat Einsicht zeigen und den Anwohnern an den lautesten Straßenabschnitten Lärmschutzfenster finanzieren. „Es ist doch ein Skandal, dass man den Rechtsweg bestreiten muss, um nachts schlafen zu können“, sagt Kay Wolkau.
Was ist laut?
Lärm ist Schall, der stört oder schädigt. Was Menschen als Lärm empfinden, hängt von den sozialen, physischen und psychologischen Faktoren ab. Manche empfinden Geräusche, die von spielenden Kindern verursacht werden, als Lärm, andere überhaupt nicht.
Kurt Tucholsky schrieb: „Der eigene Hund macht keinen Lärm – er bellt nur.“
Eine Lärmabnahme pro Meter gibt es nicht, Korrekt heißt es: Die Schallpegelabnahme ist sechs Dezibel pro Abstandsverdopplung.
95 dBA kommt lautem Schreien aus einem Meter Entfernung gleich, 70 dBA der Lautstärke eines Staubsaugers oder eines Haartrockners aus einem Meter Entfernung.
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